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Bis 30. April 2022 zeichnet die Ausstellung „Organisierte Flucht – Weiterleben im Exil. Wiener Psychoanalyse 1938 und Danach” die Schicksale der – überwiegend jüdischen – Wiener Psychoanalytiker und Psychoanalytikerinnen nach, die Wien nach dem „Anschluss” verlassen mussten. Von 5. Mai bis 16. Oktober 2022 geht die Sonderausstellung „SURREAL! Vorstellung neuer Wirklichkeiten“ im Sigmund Freud Museum dem Spannungsverhältnis von Psychoanalyse und Surrealismus auf den Grund.

Der Großteil der Mitglieder und Kandidatinnen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) konnte mithilfe der Bemühungen der internationalen psychoanalytischen Community flüchten. Eine Besonderheit dieser Flucht ist der Umstand, dass diese Emigration im Kollektiv organisiert wurde und bis auf wenige Ausnahmen gelang. Die so der Ermordung entkommenen Mitglieder leisteten in ihren neuen Heimatländern wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung und weltweiten Verbreitung der Psychoanalyse.

Die organisierte Flucht
In enger Rücksprache mit Anna Freud orchestrierte insbesondere der britische Psychoanalytiker Ernest Jones von London aus beherzt und hartnäckig die systematisch angelegte Rettungsaktion. Tatsächlich war es bis zum Frühjahr 1939 allen bedrohten Wiener Psychoanalytiker:innen gelungen, aus Wien zu fliehen. Sigmund Freud hatte die Stadt mitsamt seiner Familie am 4. Juni 1938 per Zug verlassen und ließ sich in London nieder, wo er im September 1939 verstarb. Von all den emigrierten WPV-Mitgliedern sollte kein einziges nach Ende des Krieges dauerhaft nach Wien zurückkehren.

Dokumente, Landkarten, Listen
Die Ausstellung macht die Fluchtrouten nachvollziehbar und zeigt die bürokratischen und organisatorischen Bemühungen mittels ausgewählter Biografien, Briefwechsel, historischer Dokumente und Landkarten. Das wichtigste Zeugnis dieser organisierten Fluchtbewegung ist eine 1938 von Ernest Jones angelegte Liste mit Namen und Anmerkungen. Audio- und Video-Interviews ermöglichen persönliche Einblicke.

Von historischen Einzelschicksalen zu heutigen Fluchtbewegungen
Ausgehend von ausgewählten Einzelschicksalen der geflüchteten Mitglieder wird die Entwicklung der Psychoanalyse im Exil und ihr Weiterleben in Wien mit der Wiedereröffnung der WPV 1946 beleuchtet. Die Ausstellung ermöglicht so einen differenzierten Blick auf nach wie vor aktuelle Fragestellungen zu Antisemitismus und Xenophobie ebenso wie auf heutige Flüchtlingsbewegungen.
bis 30. April 2022

SURREAL! Vorstellung neuer Wirklichkeiten
Von 5. Mai bis 16. Oktober 2022 geht die Sonderausstellung „SURREAL! Vorstellung neuer Wirklichkeiten“ im Sigmund Freud Museum dem Spannungsverhältnis von Psychoanalyse und Surrealismus auf den Grund. Rund 100 Werke aus Malerei, Fotografie und Literatur illustrieren anhand ausgewählter Themenschwerpunkte die Bezugnahmen der künstlerischen Avantgarde auf die Wissenschaft vom Unbewussten – unter anderem mit Werken von Hans Bellmer, Victor Brauner, Salvador Dalí, Giorgio de Chirico, Max Ernst, Conroy Maddox, André Masson, Pablo Picasso, Alberto Savinio, Toyen (Marie Čermínová) und Dorothea Tanning.
Die umfassende und vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Surrealismus am Ursprungsort der Psychoanalyse wird durch die großzügige Leihe des Kunstsammlers und ehemaligen Galeristen Helmut Klewan ermöglicht und durch ausgewählte Exponate weiterer Leihgeber ergänzt.

Sonderausstellung „SURREAL! Vorstellung neuer Wirklichkeiten”

Sonderausstellung „SURREAL! Vorstellung neuer Wirklichkeiten”

Surrealismus und Psychoanalyse
„Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität“ – so lautet André Bretons berühmtes Bekenntnis, das er in seinem „Manifeste du Surréalisme“ 1924 niederschrieb. Breton fordert die Erweiterung der vernunftbasierten Betrachtungsweise menschlicher Lebensrealitäten um das Unbewusste ebenso wie um ein rausch-, trieb- und traumhaftes Erleben. Tatsächlich gewinnen in den Werken der Surrealist:innen ab Mitte der 1920er-Jahre Freuds Einsichten in die Funktionen des „psychischen Apparats“ an Bedeutung – vor allem jene Kräfte, die sich der psychischen Kontrolle und Zensur entziehen.
„SURREAL! Vorstellung neuer Wirklichkeiten“ beschreibt das spannungsreiche Verhältnis der von Breton begründeten Kunstform mit der Psychoanalyse, die mit all ihren Verschiebungen, Verdichtungen und produktiven Missverständnissen die Entwicklung der surrealistischen Bewegung so maßgeblich bestimmte.
5. Mai bis 16. Oktober 2022

Das Sigm. Freud Museum
Wien IX, Berggasse 19. An dieser Adresse lebte Sigmund Freud 47 Jahre, ehe er 1938 vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Dieser Ort ist weltweit als der Geburtsort der Psychoanalyse bekannt – von hier aus veränderte Freud mit seiner neuen Wissenschaft das menschliche Selbstbild.
2020 öffnete das Simund Freud Museum nach umfangreichen Renovierungs- und Erweiterungsmaßnahmen wieder seine Pforten: Erstmals sind alle Privaträume der Familie zugänglich, neue Dauerausstellungen machen die Entwicklung der Psychoanalyse, das Familienleben der Freuds und die Geschichte des Hauses erlebbar.

Herrenzimmer Sigmund Freuds © Hertha Hurnaus/Sigmund Freud Privatstiftung

Herrenzimmer Sigmund Freuds © Hertha Hurnaus/Sigmund Freud Privatstiftung

Im Mezzanin des Hauses stehen sowohl der Eingang zur Privatwohnung als auch die gegenüber liegende Türe in Freuds Ordination offen. Die Informationsebene steht in Verbindung mit der Geschichte der Räume: So wird in Freuds Behandlungsraum die Praxis der Psychoanalyse thematisiert Die Privaträume sind Freuds Leben als Familienvater und seinem Werdegang als Arzt gewidmet. Objekte wie Krankenhausdokumente und medizinische Instrumente, aber auch Geschenke an die spätere Ehefrau Martha geben Auskunft über das Familienleben. Die Traumdeutung steht im Zentrum des Schlafzimmers – Hörstationen ermöglichen dort eine Begegnung mit Sigmund Freuds Träumen. Originale Möbel gelangen in den Privaträumen erstmals zur Aufstellung: So konnte als Dauerleihgabe des Freud Museum London eine Kommode gewonnen werden, die im „Herrenzimmer“ mit dem zugehörigen Intarsientisch einen Teil des originalen historischen Ensembles bildet.
Im Hochparterre des Hauses hatte Freud von 1896 bis 1908 seine Ordination. Nun ist dort die Dauerausstellung „Verborgene Gedanken visueller Natur“ zu sehen – eine Präsentation ausgesuchter Werke der Konzeptkunstsammlung des Sigmund Freud Museums mit Werken von Franz West, Joseph Kosuth, Susan Hiller und anderen.
Im neu eingerichteten Foyer erwartet die Besucher und Besucherinnen der beliebte Shop des Museums. Während der Sommermonate beitet sich der Abschluss des Besuchs im Innenhof des Hauses an – das Museumscafé bietet einen Gartenbetrieb zum Verweilen im historischen Ambiente des Hauses Berggasse 19.

Robert Longo: Ohne Titel (Hellion), 2011

Robert Longo: Ohne Titel (Hellion), 2011

An der Außenfront des Hauses, in der ehemaligen Fleischhauerei Kornmehl, eröffnet eine neue Installation des amerikanischen Künstlers Robert Longo im „Schauraum Berggasse 19“ neue Bezüge zwischen den Disziplinen der Kunst und Psychoanalyse.

www.freud-museum.at