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Die »Leipziger Schule«, die um die Jahrtausendwende eine neue, überwältigende Renaissance erfuhr, ist keineswegs mit der Leipziger Akademie identisch, doch eng mit dieser verknüpft. Ihre Eigenart verdankt sie zu einem Großteil deren Lehrern, einer weitgehend ungebrochenen Kontinuität in der prinzipiellen künstlerischen Haltung über Generationen hinweg, vor allem aber dem Schaffen einer Vielzahl von herausragenden Meistern. Immer wieder gibt es dabei Entdeckungen. Eine dieser besonderen, in ihrer Bedeutung noch kaum ermessenen Leistungen verkörpert das Werk des Malers und Zeichners Frank Hauptvogel, geboren 1959 in Eisleben.

Als Schüler von Arno Rink, bei dem er von 1982 bis 1987 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig Malerei studierte und anschließend, zeitgleich mit Neo Rauch, bis 1990 Meisterschüler war, wurde er entschieden von den Werten dieser Akademie geprägt, zu denen neben der Vollendung im Handwerklichen das Beharren auf figurativer Tradition und das Streben nach metaphorisch verdichteter Sinngebung in surreal-allegorischen Bildfindungen gehören. Mehr als anderthalb Jahrzehnte hat er in der Folge in den Werkstätten der Oper in Leipzig gearbeitet und von 2007 bis 2013 schließlich auch Theatermalerei an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden gelehrt. Seither ist er freischaffend als Maler tätig in Leipzig.

Frank Hauptvogel vertritt eine dezidiert gegenständliche Malerei, die ganz der eigenen Regie unterliegt und mit einem streng begrenzten, archetypischen Personal operiert, mit dem er die einzelnen Charaktere in ihren auferlegten Rollen voll Melancholie und Tragik immer neu in Szene zu setzen weiß. Das Kind, der Clown, der lädierte Puppenspieler, erdachte Figuren, halb Mensch, halb Puppe, lebendiger, schöner, richtiger und wirklicher als die Wirklichkeit selbst, personifizieren das Alter Ego ihres Schöpfers zwischen Getriebensein, Wanderschaft und Geworfenheit in ein Äon fern unserer Zeit auf der Suche nach der eigenen Bestimmung, nach Erlösung, nach Wahrhaftigkeit, nach der Tiefe des Selbst. Der Delikatesse des Vortrags entspricht die Intensität des Empfindens, die Wucht der magischen Inszenierung, die fesselt und fasziniert, die überaus realistisch wirkt und die Realität doch nur suggeriert, die erhebt, aber auch erschüttert und irritiert. Was der Maler so überzeugend vor Augen führt, ist eine trügerische Schönheit voller Schwermut und Verheerung, die eine ernste Mahnung ist, der Entfremdung, die die Welt beherrscht, entgegenzutreten, indem sie die Sehnsucht nach einem intakten Refugium, nach gesicherten Orten, nach Gärten speist, die Sicherheit, Besinnung und Poesie verheißen. Als conscious surrealism bezeichnet der Künstler seinen Ansatz, der nicht nur viel vom Theater, sondern auch vom Film (Tarkowskij, von Trier), von der Musik und von der Literatur (Hesse, Gogol, Bulgakow) inspiriert ist. Vorbildlich in der Malerei sind ihm vergleichbare Positionen, wie er sie etwa bei Diego Velázquez oder auch Odd Nerdrum findet. Hauptvogels Ideal ist vollendete Malerei mit Anspruch in ihrer höchsten Ausprägung.

Die Ausstellung, realisiert in Zusammenarbeit mit dem Künstler und der Galerie Schwind in Leipzig, bietet mit mehr als 40 überwiegend großformatigen Gemälden und 20 Zeichnungen einen guten Überblick über das bildnerische Schaffen seit dem Ende seiner Lehrtätigkeit. Zur Ausstellung erscheint ein repräsentativer monographischer Katalog, der erstmals umfassend über das Werk des Künstlers informiert.
Gerd Lindner

6.März bis 6. Juni 2021

www.panorama-museum.de