Dieser Inhalt wurde archiviert. Er ist eventuell nicht mehr relevant.

Die Schaubühne wurde 1962 gegründet. Seit 1999 wird sie von Thomas Ostermeier künstlerisch geleitet. Pro Spielzeit bringt die Schaubühne mindestens zehn neue Aufführungen zur Premiere. Daneben ist im Wechsel ein Repertoire aus über dreißig Produktionen zu sehen. Hier einige Premieren der kommenden Saison 2020/2021:

„Everywoman” Uraufführung von Milo Rau & Ursina Lardi
Was bleibt, was zählt am Ende des Lebens? In „Everywoman” begegnet eine erfolgreiche Schauspielerin einer Frau mit der Diagnose einer tödlichen Krankheit, deren letzter Wunsch es ist, noch einmal in einem Theaterstück mitzuspielen. Ausgehend vom allegorischen Lehrstück „Jedermann” über das richtige Leben und die Erlösung im Glauben entsteht ein intimes Gespräch über das Vergangene und das Bevorstehende – über das Leben, den Tod, die Einsamkeit, die Gemeinschaft.
Milo Rau und Ursina Lardi begeben sich für „Everywoman” auf eine philosophische wie existenzielle Recherche. Was ist das – der Tod? Warum diese extreme Prüfung – allein? Warum gibt es „nichts Neues zu sagen über den Tod”, wie es im Stück heißt? Und was könnte eine humane, eine künstlerische Antwort sein auf den Skandal unser aller Sterblichkeit?
Premiere 15. Oktober 2020

„Das Leben des Vernon Subutex 1” von Virginie Despentes
In einer Fassung von Florian Borchmeyer, Bettina Ehrlich und Thomas Ostermeier
Bei Vernon Subutex läuft es bemerkenswert schlecht. Vormals Inhaber eines in ganz Paris bekannten Plattenladens, mit Kunden von der Rockszene bis in die hippe Bourgeoisie gesegnet und von weiblichen Groupies umschwärmt, verliert er im Zeitalter digitaler Tauschbörsen und Streamingdienste erst sein Geschäft. Dann, nachdem er das meiste online vertickt hat, steht er gänzlich ohne Einkommensquelle da. Mehr noch: ohne Existenzberechtigung. Dinosaurier der analogen Ära, vergräbt er sich über Jahre mit Sixpacks und Fernsehserien in seiner Wohnung, die er nur noch mit Hilfe seines ehemaligen Bandkollegen, des mittlerweile legendären Sängers Alex Bleach, bezahlen kann. Als der einen frühen Rockstar-Tod stirbt, bricht für Vernon der letzte wirtschaftliche Halt weg. Er landet auf der Straße und beginnt eine Couchsurfing-Odyssee bei alten Freunden und Weggefährten und damit eine Reise zu den Abgründen einer zutiefst verunsicherten, von Spaltung, Ungleichheit und sozialer Verwahrlosung geprägten Gesellschaft – bis er sich schließlich wirklich als Clochard durch Paris schlagen muss.
In schroffen Perspektivwechseln entwirft die französische Autorin und Filmemacherin Virginie Despentes ein schillerndes Panorama verschiedener Generationen, sozialer Schichten, Geschlechtsidentitäten und politischer Orientierungen. Der erste Teil ihrer Trilogie um Vernon Subutex ist zugleich Parforce-Ritt durch die Themen unserer Zeit und faszinierendes Sozialpanorama. Nach „Rückkehr nach Reims” und „Im Herzen der Gewalt” widmet sich Thomas Ostermeier erneut den Kontrasten einer sich zusehends polarisierenden und verrohenden Gegenwart in Form der Adaption eines zeitgenössischen französischen Prosatextes.
Premiere 5. November 2020

„Wer hat meinen Vater umgebracht” (Qui a tué mon père) von Édouard Louis
Auf Französisch mit deutschen Übertiteln
„Meine ganze Kindheit über hoffte ich, Du würdest verschwinden.” – Der Abscheu vor seinem gewalttätigen, trunksüchtigen, rechtsradikalen Vater, dessen homophobe Wutausbrüche ihn als schwulen Heranwachsenden in der französischen Provinz fürs Leben traumatisierten, sitzt bei Édouard Louis tief. Doch wenn der französische Autor in seinem jüngsten Text seinem heute schwerkranken Vater gegenübertritt, hat sich die Wut zu Mitgefühl gewandelt: Der scheinbare Täter ist zum Opfer geworden. Sein Hang zur Gewalt erscheint nunmehr als Konsequenz einer kontinuierlich erlittenen Demütigung und sozialen Gewalt. Ausgehend vom zerstörten Körper seines Vaters unternimmt Louis den Versuch einer widerständigen Neuschreibung der jüngsten politischen und gesellschaftlichen Geschichte Frankreichs. Es ist die Chronik eines sukzessiven Mordes, einer vorsätzlichen Verstümmelung durch neoliberale „Reformen”, ihrer Brutalität gegenüber all den Arbeitenden, die deren Folgen am eigenen Leib erleben müssen – und zugleich eine intime Liebeserklärung an einen Menschen, der es einem fast unmöglich macht, ihn zu lieben.
Anknüpfend an die gemeinsame Arbeit an der Adaption seines Romans „Im Herzen der Gewalt” bringt Édouard Louis, inszeniert von Thomas Ostermeier, erstmals ein von ihm verfasstes Werk selbst als Darsteller auf die Bühne.
Premiere Anfang 2021

„Michael Kohlhaas” von Heinrich von Kleist
Michael Kohlhaas, ein Pferdehändler, ist auf dem Weg nach Dresden, um seine Pferde auf dem Markt zu verkaufen, als er an der Wegschranke einer Ritterburg nach seinem Passierschein gefragt wird. Da Kohlhaas keinen Pass hat und nichts von der Regelung weiß, willigt er ein, seinen Knecht mit zwei Rappen als Pfand dazulassen. Doch in Dresden erfährt er, dass der Passierschein eine Erfindung des Burgherrn war. Als Kohlhaas zurückkehrt, sind seine Rappen halb verhungert, sein Knecht aus der Burg vertrieben. Kohlhaas weigert sich, die Pferde in diesem Zustand zurückzunehmen und reitet nach Hause, wo er den schwerverletzten Knecht vorfindet, der von den Rittern mit Hunden gejagt wurde. Kohlhaas will Gerechtigkeit, verfasst eine Beschwerde, für die der Dresdner Stadthauptmann ihm Unterstützung verspricht. Doch der Kanzler des Kurfürsten, ein Verwandter des Burgherrn, unterschlägt die Beschwerde. Kohlhaas wird mit fadenscheinigen Ausreden ausgebremst und jeder Versuch, sich rechtmäßig zu wehren, scheitert. Seine Frau, die ein Bittschreiben für Kohlhaas übergeben will, wird von der Lanze einer Wache so unglücklich getroffen, dass sie stirbt. Jetzt hält Kohlhaas nichts mehr: Er wird Anführer eines Mobs, legt Brände, attackiert Städte und mordet. So lange, bis der Staat dazu gezwungen ist, ihm zuzuhören.
Simon McBurney, der an der Schaubühne zuletzt „Ungeduld des Herzens” inszenierte, dramatisiert Kleists Novelle über einen Mann, der bereit ist, bis zum Äußersten zu gehen, um Gerechtigkeit zu bekommen, und fragt, ob es dafür vielleicht manchmal richtig ist, das Gesetz zu brechen, und welche Formen des Widerstands angemessen und effektiv sein können.
Premiere 2. Dezember 2020

„Yerma” von Simon Stone
nach Federico García Lorca
Yerma und ihr Mann John verbringen den ersten gemeinsamen Abend in ihrem neuen Haus. Beim Champagner erzählt Yerma, dass sie ein Kind haben möchte. John ist zwar überrascht, aber auch er kann sich ein Leben als Familienvater vorstellen. Mit dieser harmlosen, normalen Szene im Leben eines jungen Paares beginnt ein Alptraum. In den kommenden fünf Jahren versucht Yerma schwanger zu werden: immer ohne Erfolg. Sie verlangt, dass John seine Geschäftsreisen so organisiert, dass er zuhause ist, wenn sie ihre fruchtbaren Tage hat und schreibt intime Berichte über ihre Empfängnisprobleme in ihrem Lifestyle-Blog. Yermas Kinderwunsch belastet sowohl die Beziehung zu ihrer Schwester, die keinerlei Probleme hat schwanger zu werden, aber an postnataler Depression leidet, als auch die zu ihrer Mutter, die selbst eigentlich nie Kinder haben wollte und Yermas Problem nicht ansatzweise nachvollziehen kann. Mit jedem Jahr, das vergeht, wird Yerma besessener von ihrem Kinderwunsch, der ihr Denken schließlich vollends dominiert – eine Obsession, die aus ihrem einst glücklichen Leben eine Tragödie macht.
Simon Stone verlegt Lorcas Stück vom ländlichen Spanien in eine heutige westliche Metropole. Während Lorcas Yerma die Ehefrau eines Bauern ist und in einer Gesellschaft lebt, in der die Hauptaufgabe einer Frau ist, Nachwuchs zur Welt zu bringen, ist Stones Yerma eine erfolgreiche Journalistin, die sich nie über die biologischen Funktionen ihres Körpers definiert hat. Simon Stone arbeitet nun zum ersten Mal mit dem Ensemble der Schaubühne. „Yerma” ist eine Neuinszenierung seiner gefeierten Produktion am Young Vic London.
Deutsche Erstaufführung 12. Dezember 2020

www.schaubuehne.de