Mit einem All-Star-Ensemble der Tiroler Volksschauspiele, unterstützt von SIMsKultur.
In Telfs beschreitet man neue Wege. Und wie! Die künstlerische Leitung der renommierten Tiroler Volksschauspiele liegt nun in den Händen von Gregor Bloéb, der 1968 in Innsbruck geborenen Bühnen- und Filmkoryphäe, dem charismatischen Schauspieler und Regisseur also, für den Telfs durchaus auch eine Art Heimkehr darstellt. Unter seiner Ägide präsentiert das Festival im Sommer 2023 nun ein ganz tolles Programm. Am Birkenberg, einem neuen magischen Spielort, wird auch die von Gregor Bloéb inszenierte Uraufführung von „7 Todsünden“ in Szene gesetzt – angekündigt ist ein „sinnliches, gedankenscharfes, rasend komisches Open Air-Spektakel mit Live-Musik und opulenten Bildern“.

Elfriede Jelinek © Karin Rocholl
Auch das Rahmenprogramm der diesjährigen Tiroler Volksschauspiele Telfs greift den Todsünden-Schwerpunkt auf – mit einer Marathonlesung aus dem 936 Seiten starken „Privatroman“ NEID (mein Abfall von allem)von Elfriede Jelinek. Dieser schillernde, unaufhörlich mahlende Gedankenstrom erschien kurz nach der Nobelpreisverleihung an die Autorin, die ihn kapitelweise auf ihre Homepage stellte. Bis heute ist er nicht gedruckt erschienen. Österreich erscheint hier wie so of in Jelineks Werk als „perfekte Probebühne für die Tragödien und Farcen des Welttheaters“ (FAZ). Zugleich ist NEID aber auch ein zutiefst autobiografisch geprägter Text: „Mich frißt der Neid, aber ich halte trotzdem an mir fest, ich vergewissere mich jede Minute meiner selbst: war das nicht soeben ein Herzstich, ganz ohne Messer?, ich kann nicht anders, ich kann nichts anderes, als mich selbst beobachten, denn sonst ist ja keiner da; obwohl ich an unerhört hohen Bergen und unglaublich tiefen Meeren und Tälern festhalten sollte, halte ich mich immer nur an mir selber fest. Ich halte mich an mir fest, denn mehr habe ich nicht, was bleibt mir übrig.“
Obgleich Jelinek in ihrem Schreiben naturgemäß die Komfortzone weit hinter sich läßt, wird der Telfer Rathaussaal für diese Marathonlesung mit Lounge-Elementen ausgestattet werden — auch für musikalische Begleitung und Verpflegung ist gesorgt. Das Publikum kann den Saal nach Belieben betreten und verlassen, wenn am Sonntag, 6. August, sieben Stunden lang (von 11 bis 18 Uhr) ein All-Star-Ensemble aus Vergangenheit und Gegenwart der Tiroler Volksschauspiele, angeführt von Krista Posch (sie verkörperte 1982 die Magd in Stigma) und Tobias Moretti, Auszüge aus dem furiosen Fließtext der Literaturnobelpreisträgerin vortragen wird.

Krista Posch © Janine Guldener
„Neid ist eine Reise durch die unmittelbare Gegenwart: mit Wiki, der Guckimaschine, den Medien, die schuld sind; mit den Sendungen Musikantenstadel und Six Feet Under; mit Harz Nr. 4; den Popliteraten und dem Elektron, das keinen Dünkel und keinen Neid kennt; dem Geiz, der geil ist und dem Leben mit Bye-Bye-Pass; dem Ohrenschlüpfer ipod; dem Notebook als Notbuch; dem Idol Bloggy und der kotelettförmigen Republik (Österreich); mit Paris Hilton, Natascha Kampusch, Simon Wiesenthal, Anna Netrebko, Saddam Hussein, Britney Spears, Nicolas Sarkozy, Damien Hirst sowie Robert Walser, H.C. Artmann, Ingeborg Bachmann, Leopold von Sacher-Masoch, Theodor Fontane, Ernst Jandl, Oswald Wiener, Rainer Maria Rilke, Henry James, Karl Marx, Theodor Herzl und viele andere (…) Jelineks Werk will und kann provozieren und polarisieren. Eine Gesellschaft, die eine offene sein will, hat ein solches Werk nötig und verdient es.“ (Herbert Kapfer, BR)
Es lesen: Krista Posch, Carmen Gratl, Ute Heidorn, Lisa Hörtnagl, Brigitte Jaufenthaler, Marlene Markt, Lisa Schrammel, Janine Wegener — Tobias Moretti, Bernhard Bettermann, Nik Neureiter, Johann Nikolussi, Klaus Rohrmoser, Harald Windisch. Musik: Matthias Jakisic
6. August 2023, 11 bis 18 Uhr, Großer Rathaussaal