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1931 zog der 27jährige Werner Berg mit Frau, Tochter und Dichterfreund auf einen entlegenen Bergbauernhof in Unterkärnten, wo er bis zu seinem Tod 1981 mit seiner mit den Jahren größer werdenden Familie als Maler und Bauer lebte und arbeitete. Zeitlebens sah er den Hof und das dort entstandene Werk als untrennbare Einheit von Kunst und Lebenspraxis. Der Hof selbst mit Stall, Wohnhaus und Atelier, seine Bewohner, Tiere, Blumen, Bäume und Felder standen im Zentrum zahlreicher seiner Bilder, Holzschnitte und Zeichnungen.
Das Werner Berg Museum zeigt diese Werke in der diesjährigen Saison, ergänzt um zahlreiche zeitgenössische Fotografien, die dieses einmalige Bauern- und Künstlerleben auf dem Hof in seinen vielen Aspekten dokumentieren. Erstmals wird die Ausstellung alle Räume des Museums umfassen. Ebenfalls geplant ist auch wieder die Aktion der Kunst-Fassaden in der Innenstadt, diesmal mit Werner-Berg-Motiven.

Werner Berg selbst schrieb wiederholt über Hof und Bauernleben: „Unser alter Hof, der auf der Südwestecke des dem Hochobir vorgelagerten Bergriegels hoch über der Drau mit herrlichem Fernblick liegt, ist keineswegs ein Gut und erlaubt uns keine großen Sprünge. Die Wirtschaft ist vielseitig mit Pferd, Rindvieh, Schweinen und jeglicher Art Ackerbau, Obst und Gemüse fehlen nicht. An den Maßstäben der Wirtschaftsrechner gemessen mag alles recht lächerlich sein, aber wir haben andere. Romantische Vorstellungen verführten mich keineswegs, als ich mich einst auf diesen Berg setzte, ich wollte nur unabhängig leben und arbeiten können. Ich bin Maler, durchaus, und wenn ich wegen der allzu vielen Verhinderungen auch oft fluche, preise ich zuletzt immer wieder dieses unser Leben, dessen starke Seele eine Frau ist, die von all dem Sorgendruck der Jahre niemals verbogen und angesäuert wurde. 1931 begannen wir dort zu wirtschaften, hart, ernst und voll jugendlicher Unbedingtheit, jedoch ohne alle pseudoromantischen Illusionen. Glaubten wir damals, wir wären nach drei Jahren spätestens über dem Berg, so war das dennoch eine Illusion.
Dieses Unterkärnten, in dem wir hausen, ist ein Kleinbauernland, nicht sonderlich fruchtbar, aber emsig bearbeitet, sehr schön und, anders als etwa Tirol, von vielfältig reizvoller Gliederung. Anfangs haben wir den heimischen Bauern, die außerordentlich fleißig und genügsam sind und eine keineswegs simple Wirtschaftsweise haben, genau auf die Finger gesehen, später konnten wir dann viele Verbesserungen durchführen und die Erträge steigern, was wiederum nicht selten auf die Bauern unserer Umgebung zurückwirkte. Dennoch: das Bäuerliche und gar das Bergbäuerliche unserer Lage ist nun einmal nicht mehr in wirtschaftlich rentable Relation zu bringen zur kommerzialisierten, industrialisierten und vor allem bürokratisierten Sozietät. Bei äußerster Anstrengung, Verzichtbereitschaft und mit der Hilfe unserer so fleißigen wie selbstlosen Kinder konnten wir jedoch etliche Not- und Krisenjahre überstehen. Auch lernt man es bald und gründlich, die anonyme Diktatur des Geldes nicht mehr als oberste Instanz anzuerkennen.“
Der Einstieg in die autarke Wirklichkeit des Rutarhofes, das unmittelbare Eingebundensein in Lebensgrundlagen und Naturgegebenheiten des kleinen Bauernhofes mit allen sich daraus ergebenden Belastungen bedeutete für Werner Berg die entschiedene Absage an Konsumzwänge, an die Aufsplitterung der Lebensbereiche in der modernen Industriegesellschaft, an gesellschaftliche Konventionen und an die Beliebigkeit der vielfältigsten künstlerischen Ismen. „Er formte sein Leben wie ein Werk.“
Doch der Ertrag des kleinen Hofes lieferte gerade nur die Basis für ein unabhängiges, autarkes Leben der rasch sich vergrößernden Familie. Aber die persönlichen materiellen Bedürfnisse Werner Bergs waren zeitlebens äußerst gering. Er besaß durch all die Jahre nur ein Fahrrad als Fortbewegungsmittel und dass ein winziger Kasten seine ganze Bekleidung beherbergte, ist heute kaum vorstellbar. Das Licht einer Petroleumlampe und ein kleiner gusseiserner Holzofen sorgten für die Bewohnbarkeit seines nur mit Tisch und Bett ausgestatteten Zimmers neben dem unbeheizten Atelierraum. Sein einziger Besitz waren Bücher, die in einfachen Bretterregalen verwahrt, mit zunehmenden Jahren bald jede freie Wandfläche beherrschten.
Die eingetragene Besitzerin des Hofes, die „Bäurin“, war seine Frau Dr. Amalie Berg, die dieses selbstgewählte Leben durch ihren Einsatz für Hof und Familie so erst ermöglichte.
In den ersten fünf Jahren half auch Bergs Jugendfreund, der Dichter Kurt Sachsse – er war das „schwarze Schaf“ einer in der Wirtschaftskrise verarmten Bankiersfamilie – als Aussteiger mit erworbenen landwirtschaftlichen Kenntnissen bei den schwierigen Anfängen auf dem Hof.

Werner Berg, Durchblick, 1939 © Werner Berg Museum

Werner Berg, Durchblick, 1939 © Werner Berg Museum

Sowohl Werner Berg als auch seine Frau hatten durch ihr abgeschlossenes Studium der Volkswirtschaft weit über ein allgemeines Wissen hinausgehende Kenntnisse über die ökonomischen und sozialen Implikationen ihres radikalen Entschlusses ein einfaches Leben als Bauern auf dem Land zu führen. Beide sahen keineswegs über die damit verbundenen Einschränkungen romantisierend hinweg – nach dem ersten Jahr auf dem Hof, hätte die Familie das Projekt sonst bereits aufgegeben. Trotz aller Schwierigkeiten und gerade, weil er diesen nicht ausweichen wollte, fand Werner Berg so jeden Tag von neuem „Sinn und Anschauung“. Sein Bauernleben auf dem Rutarhof wurde zum stetigen Antrieb seines Schaffens und Grundlage seiner „Existenzmalerei“. „Wir hausen wie die Wilden“, schrieb er einmal. Fern aller Regeln und Konventionen des bürgerlichen Alltags seiner Jugend erreichte er das ihm mögliche Lebensglück in der täglich notwendigen Arbeit, dem Umgang mit den Tieren und einem ständigen Kontakt mit der Natur und ihren Bedingungen für Wachstum und Gedeihen. Die Kunst-Fassaden-Aktion, diesmal mit Werner Berg-Motiven soll auch im Jahre 2023 durchgeführt werden.
1. Mai bis 31. Oktober 2023

HORTENSIA – Der Atem der Bronze

Die Grazer Bildhauerin Hortensia bietet in ihren Arbeiten der Form eine Bühne – sie beschreitet damit einen neuen, lebendigen Weg der Übertragung der menschlichen Figur in die Plastik. Sie schafft klassisch-figurative Arbeiten, die sich durch Formreduktion und Strenge, fallweise Archaik, absolute technische Sicherheit und volle Beherrschung der künstlerischen Mittel auszeichnen.
Hortensia, die aktuell in Wien und Bad Gams lebt und arbeitet, studierte bei Josef Pillhofer in Graz und war die letzte Schülerin von Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seit Mitte der 1970er-Jahre ist sie als selbstständige Bildhauerin und Zeichnerin tätig. Wie ihre beiden großen Lehrer geht sie wieder einen Schritt weiter, denn ihre Skulpturen zeigen nicht mehr eine Bruchlinie zwischen reiner Form und Naturstudium auf. Konsequent eigenwillig und frei von kurzlebigen Trends ist ihre Herangehensweise.

Hortensia, Christine Lavant Bronze, Foto Peter Fussy

Hortensia, Christine Lavant Bronze, Foto Peter Fussy

Hortensia lenkt den Blick der Betrachter in eine dreidimensionale Welt. Wie sie das erreicht, ist letztlich auf ihre Beharrlichkeit zurückzuführen, sich immer wieder auf die wesentlichen Formzusammenhänge zu beschränken und in ihren Skulpturen die wichtigen Teile aufeinander zu beziehen. Ihre Chiffren sind Linien, Winkel, Verhältnisse und Raumbezüge. Und dennoch bleibt es zuletzt wohl noch ihr eigenes Geheimnis, ihre Skulpturen schlussendlich zu einem großen Ganzen zu formen, bevor sie durch den Bronzeguss endgültig werden.
Die Ausstellung zeigt unter anderem die 2022 von Hortensia geschaffene Skulptur „Große Einsamkeit“ erstmalig in Bronze. Die große sitzende Figur bildet dreidimensional im Raum klar konturierten Querschnitte, diese tragen die sehr reduzierten Elemente der Figur, deren große
Anziehungskraft durch die innewohnende Harmonie bestimmt wird.
Ebenfalls erstmals wird die lebensgroße Skulptur der Christine Lavant gezeigt, deren legendäre tiefe Freundschaft zu Werner Berg sich in Wort und Bild der beiden Künstler geäußert hatten. Der archaische Ausdruck ihrer Gestalt und die geistige Schaffenskraft der Dichterin hat Hortensia im Jahr 2015 zur Schaffung dieser Skulptur inspiriert. In der Ausstellung werden auch die Baupläne, die als Vorlage für die Figur dienten, sowie die „kleine Skulptur der Christine Lavant“ zu sehen sein: die feine zierliche Frau mit dem starken Wort und die Umsetzung ihrer Gestalt zu klarer Form und Schärfe – der „Atem der Bronze“ ist in dieser Skulptur besonders zu spüren.
1. Mai bis 31. Oktober 2023

www.wernerberg.museum