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Die Weserburg Museum für moderne Kunst bietet in vielfältigen Ausstellungen, Veranstaltungen, Vermittlungsformaten und wissenschaftlich erarbeiteten Publikationen einen Einblick in die internationale Kunst. Ein Schwerpunkt liegt auf hochqualitativen Positionen des Fluxus und Nouveau Réalisme, der Sound, Conceptual und Minimal Art – Bewegungen, die im Dialog mit der Kunst des 21. Jahrhunderts das Programm prägen. Neben ihrer dezidiert internationalen Ausrichtung fühlt sich die Weserburg Museum für moderne Kunst auch den herausragenden regionalen Positionen und der Nachwuchsförderung verpflichtet.

Das Zentrum für Künstlerpublikationen
Die Weserburg Museum für moderne Kunst verfügt über einen in Europa einzigartigen Bestand von Künstlerpublikationen und Schriftgut. Das Zentrum für Künstlerpublikationen fungiert als Archiv, Forschungsinstitut und Ausstellungsort gleichermaßen. Die zahlreichen Archive, Nachlässe, Fonds und Sammlungen arbeiten mit weit über 300.000 publizierten, vervielfältigten und veröffentlichten Kunstwerken aus aller Welt – von der Briefmarke über Bücher, Schriftwechsel, Filme, Videos und Schallplatten bis hin zur Multimedia-Edition.

So wie wir sind 3.0
„So wie wir sind 3.0” stellt mehr als 190 Werke aus unterschiedlichen Zeiten und Kontexten unter inhaltlichen und formalen Fragestellungen zusammen. Sieben Themenareale formulieren künstlerische Annäherungen an die Darstellung des Menschen, entwerfen ein aktuelles Bild von Deutschland, inszenieren ein vielfältiges Spiel mit dem Alltag oder dem Medium Buch und spüren minimalistischen Tendenzen, fotografischen Verfahren oder ästhetischem Widerspruch nach. Räume von Kapwani Kiwanga, Joyce Pensato, Claudia Piepenbrock und Norbert Schwontkowski geben darüber hinaus einen konzentrierten Einblick in vier künstlerische Ansätze mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten. Und mit Mel Chin zieht sogar eine Künstlerbar ein.
So entwirft ein Themenbereich mit Hilfe von Film, Skulptur, Audio, Malerei, Fotografie oder Installation ein vielgestaltiges Bild von Deutschland, das sich von Nationalsozialismus, Atmosphären der Nachkriegszeit und Migration über Bezüge auf Romantik, Brutalismus und Celebrity Culture bis zu Wiedervereinigung, politischer Macht, globalisierter Wirtschaft und rechtsradikalen Tendenzen spannt.
An anderer Stelle werden ikonische Positionen der Minimal Art von Carl André, Richard Serra, Elsworth Kelly, Fred Sandback oder Charlotte Posenenske durch aktuelle Arbeiten in die Gegenwart erweitert und gegen den Strich gebürstet. Alt trifft auf neu und tritt in einen Dialog, der historische Stränge im Neuen und Überraschendes im Bekannten aufspürt. Da eignet sich z.B. Amoako Boafo „weiße“ Malereitraditionen für seine Portrait-Darstellungen von People of Colour an, während Kasia Fudakowski der Gattung so humorvoll wie klug gleich mit Mop und Putzeimer zu Leibe rückt.
Wolfgang Tillmans dagegen löst sich von der herkömmlichen Darstellungsverpflichtung der Fotografie, wenn er Staub und Schlieren in der Entwicklerflüssigkeit ein zufälliges und abstraktes Abbild schaffen lässt, während Monica Bonvicini die Besucher*innen mit den überzogenen Erwartungshaltungen unserer Gesellschaft konfrontiert.
bis 23. Januar 2022

Luca Vitone. Macht
Luca Vitone (*1964, lebt in Mailand und Berlin) spürt in seinem künstlerischen Schaffen den vielfältigen Prägungen nach, die sich in Räume einschreiben und sowohl ihre Erscheinung als auch unseren Blick auf sie bestimmen. Bei der Erstellung seiner konzeptuellen Portraits unterschiedlicher Orte bezieht er emotionale wie kulturelle, soziale wie historische, ökonomische wie politische Aspekte ein. Seit den 1980er Jahren stellt er in Film, Malerei, Fotografie, Installation, Audiostück oder Duftinstallation Fragen nach Verwurzelung und Migration, nach Erinnerung und der Repräsentation von Räumen.
bis 15. August 2021

Luca Vitone, Räume, 2014, Foto: Franziska von den Driesch

Luca Vitone, Räume, 2014, Foto: Franziska von den Driesch

Peter Piller – Richard Prince
Cowboys, Rocker und ihre Girlfriends, Bilder voll machohafter Erotik, chauvinistischer Cartoons und klischeehafter Autos auf der einen Seite. Bauerwartungsflächen, unangenehme Nachbarn, flüchtende Vögel und Bürozeichnungen auf der anderen. Große Schauwerte treffen auf skurrile Alltagsbilder. Die Bildwelten von Piller und Prince könnten formal wie inhaltlich kaum unterschiedlicher sein.
Neben diesen offensichtlichen, radikalen Unterschieden sind es die überraschenden Ähnlichkeiten und vergleichbaren künstlerischen Strategien, die eine Begegnung von Piller und Prince reizvoll machen. So nutzen beide Künstler vorgefundene mediale Bilder, etwa Presse- oder Werbebilder, die sie sich aneignen und in Kunst verwandeln. Prince seit den 1970er Jahren, Piller etwa zwanzig Jahre später. Fragen nach Authentizität und Originalität werden hier ebenso verhandelt wie der Einfluss von Bildern auf unsere Vorstellung von Wirklichkeit. Sehnsüchte, Fantasien, aber auch die Untiefen moderner Gesellschaften werden dabei freigelegt – mit schonungsloser Härte und analytischem Feinsinn gleichermaßen.
Peter Piller schätzt die „Vorzüge der Absichtslosigkeit“. So stellt er in seinen Archiven amateurhafte Pressebilder unspektakulärer Begebenheiten mit regionaler Bedeutung zusammen. Er zeigt Luftbildaufnahmen deutscher Siedlungen oder gestaltet die Umschläge der DDR-Militärzeitschrift Armeerundschau um. Es sind Dokumente einer kleinbürgerlichen Gesellschaft, die, mit Pillers Augen betrachtet, groteske Züge offenbaren. Zuletzt hat er sich schwarzweißen Bilddokumenten von Höhlenzeichnungen zugewandt, den ältesten Spuren menschlicher Zivilisation.
Richard Prince schafft dagegen verführerische Sinnbilder Amerikas. Auch er arbeitet bevorzugt seriell. Seine abfotografierten Marlboro-Cowboys, seine Playmates oder Autos erscheinen gleichwohl als auratische Einzelbilder mit visueller Wucht. Hier wird dem „amerikanischen Traum“ von individueller Freiheit noch gehuldigt, hier prallen Frauenbilder und Männerfantasien aufeinander. Viele seiner Werke wirken auf den ersten Blick verstörend. Sie sind plakativ, direkt und in gewisser Weise schnell zu erfassen. Zugleich zeichnet sie eine intellektuelle Schärfe und doppelbödige Vielschichtigkeit aus, die sich erst nach und nach erschließt.
Die Ausstellung in der Weserburg wird in einem gesonderten Saal durch Peter Pillers erste Soundinstallation erweitert. Sie kann als ein ebenso nachdenklicher wie humorvoller Rekurs auf unsere überreizte und nicht zu Atem kommenden Medienwelt gedeutet werden. Zu hören ist ein Zusammenschnitt von Kantanten Johann Sebastian Bachs, in dem von Zeit zu Zeit allein das gesungene Wort „Geduld“ erklingt und dabei lange nachhallt.
bis 31.Oktober 2021

Richard Prince, Untitled (Cowboy), 1984, © Richard Prince, Courtesy Sammlung Goetz, München, Foto: Raimund Koch

Richard Prince, Untitled (Cowboy), 1984, © Richard Prince, Courtesy Sammlung Goetz, München, Foto: Raimund Koch

Timm Ulrichs Total. Der Künstler als Kunstwerk und seine Publikationen seit den 1960er Jahren
Timm Ulrichs versteht sich als Totalkünstler, da er zum einen seinen Körper in den Mittelpunkt seines Werkes stellt, und zum anderen mit allen möglichen ihm zur Verfügung stehenden Medien arbeitet. Seit den 1960er Jahren produziert Timm Ulrichs Kunstwerke in Form von Aufklebern, Ansteckern, Auflagenobjekten, Briefmarken, Druckgrafiken, Filmen, Flugblättern, Foto-Editionen, Künstlerbüchern, Multiples, Plakaten, Postkarten, Radiokunst, Schallplatten und Zeitungen. Die Ausstellung ist mit über 200 Arbeiten die erste Retrospektive seines Oeuvres an Künstlerpublikationen.
18. September 2021 bis 16. Januar 2022, Zentrum für Künstlerpublikationen

Timm Ullrichs, dreidimensionaler Würfel-Text: Würfel, 1964-2007, Multiples, Archiv, Zentrum für Künstlerpublikationen, Weserburg Museum für moderne Kunst

Timm Ullrichs, dreidimensionaler Würfel-Text: Würfel, 1964-2007, Multiples, Archiv, Zentrum für Künstlerpublikationen, Weserburg Museum für moderne Kunst

Ulla von Brandenburg. Eine Landschaft ohne Blau, von ungefähr
Mit Ulla von Brandenburg zeigt die Weserburg eine der spannendsten, international renommiertesten Installationskünstlerinnen ihrer Generation in einer umfassenden Einzelausstellung. Von Brandenburg verwandelt Ausstellungsräume mithilfe von großformatigen Stoffen, raumgreifenden Installationen, intimen Objekten, spielerischen Filmen, Collagen, Scherenschnitten, Aquarellen und Performances in farbenfrohe Traumwelten und sinnliche Erlebnisräume. Ulla von Brandenburg betont, dass „das Erlebnis, diese Räume zu erfahren, der Weg, die Suche, das eigentliche Kunstwerk (ist), nicht die ausgestellten Objekte“.
11. Dezember 2021 bis 24. April 2022

Ausstellungsansicht Ulla von Brandenburg. SWEETS / QUILTS / SUN, Kunstmuseum Bonn, 2018, Foto: David Ertl

Ausstellungsansicht Ulla von Brandenburg. SWEETS / QUILTS / SUN, Kunstmuseum Bonn, 2018, Foto: David Ertl

www.weserburg.de