Vor 50 Jahren starb Dmitri Schostakowitsch. Dieser Jahrestag prägt auch die renommierten Internationalen Schostakowitsch Tage in Gohrisch, die 2025 ein hinreißendes Programm offerieren.
Eigentlich wollte er hier an der Musik für den Film „Fünf Tage – fünf Nächte” arbeiten, einer ostdeutsch-sowjetischen Produktion, die sich mit der Evakuierung von Kunstschätzen aus Dresden durch die Rote Armee beschäftigt. Doch stattdessen komponierte Dmitri Schostakowitsch im idyllischen Luftkurort Gohrisch, vierzig Kilometer südöstlich von Dresden, im Juli 1960 eines seiner kammermusikalischen Hauptwerke: das berühmte Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110, das sein existentielles Leiden unter dem Sowjetregime in erschütternder Weise zum Ausdruck bringt. Es ist das einzige Werk, das Schostakowitsch außerhalb der Sowjetunion komponierte; Augenzeugen zufolge schrieb er das Streichquartett unter einer Buche im Innenhof des Gästehauses des Ministerrates der DDR, wo er Logis bezogen hatte.

Yulianna Avdeeva © Oliver Killig
Seit 2010 laden nun die renommierten Internationalen Schostakowitsch Tage nach Gohrisch und ehren den wegweisenden Komponisten mit einem exzellenten Konzertprogramm. 2025 wird Dmitri Schostakowitsch anlässlich seines 50. Todestages hier mit vielen großartigen Künstlerinnen und Künstlern ganz besonders gewürdigt. So widmet sich etwa die gefeierte Pianistin Yulianna Avdeeva Kompositionen von Schostakowitsch und Frédéric Chopin, den Schostakowitsch seit frühester Jugend verehrte. Die Kremerata Baltica unter der Leitung von Mirga Gražinyte-Tyla wiederum setzt Schostakowitschs 14. Symphonie in einen Dialog mit Werken des mit ihm eng befreundeten Mieczysław Weinberg. Ein Liederabend mit Alexander Roslavets, dem exzeptionellen Bass, und dem wunderbaren Pianisten Andrei Korobeinikov wiederum widmet sich neben Schostakowitschs Liederzyklen einem weiteren Vorbild des russischen Komponisten, Johann Sebastian Bach nämlich. Mit großer Vorfreude wird auch einer Matinee der Sächsischen Staatskapelle Dresden entgegengeblickt, die unter Dirigent Dmitri Jurowski Schostakowitschs 8. Streichquartett in Rudolf Barschais berühmter Orchesterfassung (Kammersymphonie op. 110a) ebenso zur Aufführung bringt wie „Rothschilds Geige” von Benjamin Fleischmann in einer von Jurowski erstellten Fassung für Kammerorchester. Diese wunderbare und zu Herzen gehende Oper nach einer Erzählung von Anton Tschechow wurde von Schostakowitsch nach dem frühen Tod seines hochbegabten Schülers – Fleischmann starb bei der Leningrad Blockade – vervollständigt und zu Ende komponiert. Ein besonderer Höhepunkt der diesjährigen Schostakowitsch Tage (künstlerischer Leiter: Tobias Niederschlag) ist zudem die Uraufführung eines faszinierenden Spätwerks des Komponisten, das als Fragment im Moskauer Schostakowitsch-Archiv entdeckt wurde: Eine auf einem Gedicht von Jewgeni Jewtuschenko basierende „Romanze”, die sich in der Vervollständigung durch den russischen Komponisten Alexander Raskatov zu einer großen dramatischen Ballade entwickelt. Mit dem Quatuor Danel schließlich wird das derzeit wohl beste Schostakowitsch-Konzertquartett das Abschlusskonzert in der mittlerweile schon legendären Konzertscheune in Gohrisch gestalten: Das weltweit gefeierte Ensemble kombiniert das letzte Schostakowitsch-Quartett mit dem letzten Streichquartett von Beethoven, einem weiteren Vorbild des russischen Komponisten.
Am Vorabend der diesjährigen Schostakowitsch Tage ist übrigens schon traditionell das Sonderkonzert der Sächsischen Staatskapelle in Dresden zu erleben (mit Dirigentin Marie Jacquot und Pianist Kirill Gerstein). Besonders schön: Diesem herausragenden, als Patenorchester eng mit dem Festival in Gohrisch verbundenen Klangkörper wird 2025 in Gohrisch auch der Internationale Schostakowitsch Preis verliehen. Und zur großen, kürzlich verstorbenen Sofia Gubaidulina, die 2017 diese namhafte Auszeichnung erhalten hatte, soll bei den Internationalen Schostakowitsch Tagen 2025 ebenfalls ein Gedenken stattfinden.
26. bis 29. Juni 2025

Quatuor Danel © Oliver Killig