Textil und Keramik – zwei auf den ersten Blick gegensätzliche Materialien – haben vieles gemeinsam: Sie verbindet eine haptische Formensprache, die zwischen hart, sperrig, weich und fließend changiert. Textilien, die sich skulptural verdichten, assoziieren wir mit Wärme und Flexibilität. Sie kontrastieren mit der kühlen Fragilität der aus weichem Ton oder Lehm geformten Keramik. Diesem faszinierenden Wechselspiel geht die MAK Ausstellung HARD/SOFT. Textil und Keramik in der zeitgenössischen Kunst nach und zeigt Werke von rund 40 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, von denen viele erstmals in Wien zu sehen sind.

Materialien, Formen und Bedeutungen der ausgewählten Arbeiten eröffnen ein breites Spektrum von Ambivalenzen, Unschärfen und Gleichzeitigkeiten, die auch Gender-Zuschreibungen auflösen. In allen Kulturräumen präsent, sind Textil und Keramik eng mit der angewandten Kunst verbunden und symbolisieren die Gemeinschaft. Oft werden die Arbeiten gemeinschaftlich in Ateliers, Werkstätten und Kollektiven produziert. Die Materialien und Herstellungsprozesse stehen in Zusammenhang mit unterschiedlichen Gruppen und Communities. In der zeitgenössischen bildenden Kunst ermöglichen Textil und Keramik interdisziplinäre Synergien, die die Grenzen zu Architektur, digitaler Kunst, Musik, Performance und Tanz öffnen.

Ingrid Wiener, Dr. Müllers Kabelfrühling, 2009/10 Courtesy of Charim Galerie © Georg Petermichl

Ingrid Wiener, Dr. Müllers Kabelfrühling, 2009/10 Courtesy of Charim Galerie © Georg Petermichl

In der Ausstellung werden handwerkliche Techniken und zugeschriebene Materialeigenschaften genauso beleuchtet wie gesellschaftspolitische und feministische Anliegen. Als materielle und kulturelle Bedeutungsträger sind die beiden Medien in ökonomische und politische Systeme eingeschrieben. Sie eignen sich daher besonders, Themen der kulturellen Aneignung oder postkoloniale Ansätze aufzugreifen. Die alltäglichen Materialien fungieren hier als Barometer und Spiegel unserer Zeit. Wie Anni Albers (1899–1994), eine der bedeutendsten Protagonistinnen der Avantgarde, in ihrer Studie On Weaving (1965) beschreibt, lassen sich durch die Verknüpfung natürlicher und künstlicher Formen in einer Landschaft Vergleiche zum gewebten Muster, zu Materialien, Strukturen des Textilen ziehen. Darüber hinaus wird die Bedeutung des Textilen in kulturellen und geopolitischen Zusammenhängen veranschaulicht. Prägende künstlerische Positionen werden in der Ausstellung mit Arbeiten einer jungen Künstlerinnengeneration zusammengebracht. So spannen diese beispielsweise einen Bogen zur ikonischen Rauminstallation Hôtel du Pavot, Chambre 202 (1970/73) der amerikanischen Künstlerin Dorothea Tanning (1910–2012). Tanning schuf eine surrealistische Szenerie aus Figuren, die – im Modus der Soft Sculpture – aus den Wänden, dem Mobiliar und dem Kamin hervortreten.
12. Dezember 2023 bis 20. Mai 2024
www.mak.at

Dorothea Tanning, Hôtel du Pavot, Chambre 202, 1970 © The Estate of Dorothea Tanning/Adagp, Paris; crédit photographique: Georges Meguerditchian – Centre Pompidou, MNAM-CCI /Dist. RMN-GP;

Dorothea Tanning, Hôtel du Pavot, Chambre 202, 1970 © The Estate of Dorothea Tanning/Adagp, Paris; crédit photographique: Georges Meguerditchian – Centre Pompidou, MNAM-CCI /Dist. RMN-GP;