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Das wunderbare Lehár Festival Bad Ischl feiert 2021 sein 60-Jahre-Jubiläum – Notizen zu einer beeindruckenden Historie und Intendant Thomas Enzinger im Gespräch.

Am Anfang stand auch, es muss gesagt werden, die ultimative Primadonna des 20. Jahrhunderts (neben Maria Callas natürlich): Maria Jeritza nämlich, die den Ehrenschutz des Vereins „Die Operette“ übernommen hatte. Diese illuster besetzte Gesellschaft spielte eine zentrale Rolle bei der Etablierung der Operettenwochen in Bad Ischl, der prachtvollen Kurstadt im Salzkammergut. Ergänzend zu den Salzburger Festspielen, deren Schwerpunkte im Schauspiel und in der ernsten Musik lagen, sollten, so der Plan, in der einstigen habsburgischen Sommerfrische bedeutende Werke von Lehár, Straus, Kálmán et alii erklingen. 1961 wurde dieses ambitionierte Vorhaben schließlich realisiert: Auf dem Programm standen neben Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin” mit Paganini, „Das Land des Lächelns” und „Die lustige Witwe drei Operetten von Franz Lehár, der 1912 eine beeindruckende Villa in Ischl erworben und in diesen Räumlichkeiten an seinen weltberühmten Kompositionen gefeilt hatte. Intendant Eduard Macku – der Dirigent war ebenfalls eine treibende Kraft bei der Gründung des Festivals – baute nun, animiert von der erfolgreich verlaufenen Premiere, in den nachfolgenden Jahrzehnten die sommerlichen Festspiele kontinuierlich aus. Große Namen wurden nach Bad Ischl geholt, Marcel Prawy etwa oder auch Dagmar Koller, Alfons Haider und Michael Heltau – die Produktionen sollten hohe musikalische und darstellerische Qualität besitzen, ein selbst gestellter Anspruch, der bis heute verwirklicht wird. Mackus Leitung der Operettenwochen währte bis 1994, ihm folgten Sylvia Müller, Martin C. Turba und Michael Lakner. Letzterer verankerte die Festspiele auf beeindruckende Weise im 21. Jahrhundert: Die Inszenierungen wurden zeitgenössisch, der Name Lehár Festival Bad Ischl wurde als USP mit fraglos hohem Wiedererkennungswert eingeführt.

Unter Thomas Enzinger, der seit 2017 die Leitung des Festivals innehat, gewann das Profil der Festspiele erneut an Schärfe. Zudem erweiterte der renommierte Regisseur (Wiener Volksoper, Münchner Theater am Gärtnerplatz et cetera) den Spielplan und präsentiert nun auch rasante Revueoperetten, schlägt den Bogen zur Show und zum Tanz; Bad Ischl, wo sich in der Zwischenkriegszeit die Superstars der Unterhaltungsbranche eingefunden und gearbeitet hatten, bildet dazu auf phänomenale Weise den passenden Rahmen. Enzingers Erfolgskurs schlägt sich nicht nur in den Publikumszahlen nieder, sondern findet auch zusätzliche Anerkennung im deutschsprachigen Feuilleton. Ralph Benatzkys „Im weißen Rößl” (2019) erwies sich als „rasant und frech“ (Kronen-Zeitung), als „absolut fetzige Inszenierung“ (BR Klassik). Die Lehár-Operette „Clo-Clo” präsentierte sich als „Unterhaltung auf höchstem Niveau“ (Deutschlandfunk Kultur) und wurde, ebenso wie Paul Abrahams mit Jazzelementen durchwirkte Revueoperette „Die Blume von Hawaii” (2018), vom Bayerischen Rundfunk mit dem viel begehrten „Operettenfrosch“ ausgezeichnet.
Mit großer Spannung erwartete man also die Sommersaison 2020 – doch dann kam Corona: Wie so viele andere Veranstaltungen musste auch das Lehár Festival Bad Ischl abgesagt werden. Während die geplante Aufführung von Paul Linckes flotter Revueoperette „Frau Luna” auf 2022 verschoben wurde, findet die Premiere von Emmerich Kálmáns „Csárdásfürstin” nun erfreulicherweise im Jubiläumsjahr 2021 statt. „Die klingende Stadt“, wie Bad Ischl gern genannt wird, sie pulsiert also weiter.

Im nachfolgenden Gespräch mit SIMsKultur erläutert Thomas Enzinger dazu die näheren Details.

SIMsKultur:
Herr Intendant, nachdem das Lehár Festival 2020 coronabedingt abgesagt werden musste, wird vonseiten des Publikums der Saison im Sommer 2021 mit umso größerer Begeisterung und durchaus enthusiastisch entgegengefiebert. Dies umso mehr, als mit „60 Jahre Lehár Festival Bad Ischl“ zudem ein rundes Jubiläum gefeiert wird. Haben Sie in den vergangenen Monaten ein ähnliches Wechselbad der Gefühle erlebt?
Thomas Enzinger: Natürlich. Wir leben in mehr als herausfordernden Zeiten, die nur durch einen großen Zusammenhalt der Menschen gemeistert werden können. Als unverbesserlicher Optimist will ich an die Vernunft der Menschen glauben. Die vielen verständnisvollen und bedauernden Reaktionen wegen der Absage des Sommers 2020 haben mir gezeigt, wie wichtig Kultur ist und wie sehr das Lehár Festival gefehlt hat. Das gibt viel Kraft für dieses Jahr.

Im kommenden Jubiläumssommer steht eine Neuinszenierung von Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin” auf dem Programm, eine Produktion, deren Premiere aufgrund der Absage des letzten Festivals auf 2021 verschoben werde musste. Interessanterweise verweist diese berühmte Operette auch auf die große Historie des Lehár Festivals: Sie wurde schon im Rahmen der ersten Veranstaltungsserie 1961 zur Aufführung gebracht. Worin besteht für Sie als Regisseur der neuen Ischler „Csárdásfürstin” der epochenübergreifende Reiz dieses international viel gespielten Werks?
Thomas Enzinger: Für mich ist es eine der besten und emotionalsten Operetten überhaupt. Die „Csárdásfürstin” ist ein Tanz auf dem Vulkan und ein Wechselbad der Gefühle. Dieses Meisterwerk hat alle Zutaten, die Theater braucht und lässt niemanden unberührt. Die „Csárdásfürstin” in Ischl 2021 wird bewegen, das ist mein Vorsatz für die Inszenierung.

Emmerich Kálmán, Franz Lehár, Oscar Straus oder auch Fritz Löhner-Beda sind eng mit Bad Ischl verknüpft. Auch Béla Jenbach der gemeinsam mit Leo Stein das Libretto zur „Csárdásfürstin” verfasst hat, war hier häufig zu Gast. Wie lässt sich die Faszination dieser Künstler für den berühmten Salzkammergut-Kurort erklären?
Thomas Enzinger: Bad Ischl ist, verzeihen Sie diesen esoterischen Begriff, ein magischer Ort. Er war und ist immer eng mit Kultur und den Künstlern verknüpft. Gerade in Zeiten, in denen weltweit Tourismus sehr oft mit massentauglicher Eventkultur gleichgesetzt wird, setzt Bad Ischl mit der Kulturhauptstadt und seinen Kulturveranstaltungen ein wichtiges Zeichen.

„Die Csárdásfürstin”, Lehár Festival Bad Ischl 2021 © Lehár Festival Bad Ischl

„Die Csárdásfürstin”, Lehár Festival Bad Ischl 2021 © Lehár Festival Bad Ischl

Béla Jenbach wirkte übrigens auch als Librettist bei Franz Lehárs Operette „Der Zarewitsch”, die in Bad Ischl im Juli 2021 ebenfalls als Neuinszenierung auf die Bühne gebracht wird. Die Uraufführung dieses mitreißenden und auch sehr dramatischen Werks rund um den russischen Zarensohn Alexej und die Tänzerin Sonja fand im Berlin der Goldenen Zwanzigerjahre statt, die weltbekannte Operette selbst wird allgemein Lehárs Spätwerk zugeordnet. Was darf das Publikum von dieser Ischler Aufführung, deren Inszenierung die großartige Isabella Gregor übernimmt, erwarten?
Thomas Enzinger: Ich schätze an Isabella Gregors Handschrift als Regisseurin unter anderem ihren psychologischen Feinschliff der Figuren. Und das ist gerade beim Zarewitsch, der ja fast ein Kammerspiel ist, wesentlich. Isabella hat ein tolles Gespür für Musik und eine intensive szenische Umsetzung. Ich freue mich sehr auf diese Produktion.

„Der Zarewitsch”, Lehár Festival Bad Ischl 2021 © Lehár Festival Bad Ischl

„Der Zarewitsch”, Lehár Festival Bad Ischl 2021 © Lehár Festival Bad Ischl

Zu den Highlights des Jubiläumsfestivals 2021 zählt natürlich die mit Spannung erwartete Uraufführung „Dein war mein ganzes Herz”. Sie wird, so hört man, Franz Lehár, den weltberühmten Namensgeber des Festivals, gebührend feiern. Können Sie ein bisschen mehr über diese Produktion erzählen?
Thomas Enzinger: Lehárs Werk ist viel umfangreicher als allgemein bekannt. Diesem Aspekt wird viel Raum gegeben, aber natürlich auch seinem privaten Leben mit allen Ecken und Kanten. Ich bin sicher, es wird ein spannendes, besonderes Theatererlebnis.

„Dein ist mein ganzes Herz”, Lehár Festival Bad Ischl 2021 © Lehár Festival Bad Ischl

„Dein ist mein ganzes Herz”, Lehár Festival Bad Ischl 2021 © Lehár Festival Bad Ischl

Man weiß, dass Lehár seinem Freund Richard Tauber Tenorpartien sozusagen auf den Leib geschrieben hat. Auch der belgische Tenor Thomas Blondelle, der in der „Csárdásfürstin” als Fürstensohn Edwin Lippert-Weylersheim zu erleben sein wird, ist in Oper und Operette gleichermaßen zu Hause. Nachdem die Operette ganz allgemein wieder boomt: Welche besonderen Anforderungen Anforderungen stellt dieses Genre an seine Interpretinnen und Interpreten?
Thomas Enzinger: Immens große. Gute Operette braucht die besten Sänger, die gleichzeitig auch hervorragende Darsteller sein müssen.
Bedenken Sie: Ein Theaterraum ist voll von wunderbarer Musik und wunderschönen Stimmen von Sängerinnen und Sängern, und diese Intensität und den Rhythmus müssen die Darstellerinnen und Darsteller auch in den Sprechszenen aufrechterhalten und die musikalische Stille mit Wahrhaftigkeit füllen.

Wird es im Rahmen des Lehár Festivals 2021 auch eine Ausstellung geben?
Thomas Enzinger: Ja, ein Künstler wird sich dem Thema Musik und Theater widmen. Den Namen möchte ich aber noch nicht verraten.

Parallel zum Lehár Festival 2021 finden auch Stadtführungen auf den Spuren der biografisch mit Bad Ischl verbundenen Künstler statt. Gibt es diesbezüglich einen Ort, der in Ihnen besondere Emotionen weckt?
Thomas Enzinger: Es ist weniger ein spezieller Ort. Besonders intensiv finde ich Bad Ischl spätnachts, wenn ich in aller Ruhe an der Traun zu meiner Wohnung spaziere.

Das runde Jubiläum des Operettenfestivals in Ischl 2021 wirft natürlich die Frage nach den Gründen für diese jahrzehntelange Erfolgsstory auf. Was hat man hier besser gemacht als andernorts?
Thomas Enzinger: Ich denke, schon der Gründer in den 60er-Jahren hat dieses Genre geliebt und ernst genommen. Operette ist, wie alle Theaterformen, so gut oder schlecht und so zeitgemäß oder antiquiert, wie man sie macht. Wenn man auf die Geschichte des Festivals zurückblickt, entdeckt man, dass man hier immer versucht hat, zeitgemäß mit dem Genre umzugehen, ohne aber das Genre zu verraten. Was mir so Spaß macht, wenn ich Operette inszeniere: Man kann wunderbar heutiges Theater machen, ohne sich am kulturellen intellektuellen Mainstream orientieren zu
müssen. Ich denke, diese künstlerische Freiheit war immer eine Prämisse des Festivals hier in Bad Ischl.

Sie zählen bekanntlich zu den wichtigsten Operettenregisseuren des deutschsprachigen Raums. Abschließend daher noch eine ganz persönliche Frage: Welcher möglicherweise unterschätzten Operette würden Sie eigentlich gern ein größeres Publikum wünschen?
Thomas Enzinger: Da gibt es einige Werke, „Clo-Clo” von Franz Lehár zum Beispiel. Wir haben es hier halbszenisch mit großem Erfolg gespielt.

Lehár Festival Bad Ischl
10. Juli bis 29. August 2021
www.leharfestival.at

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