2025 lockt die sächsische Stadt Chemnitz gemeinsam mit der umliegenden Region als „Kulturhauptstadt Europas” zu einer Entdeckungsreise in den Osten Deutschlands. Zu erleben sind zukunftsweisende Projekte inmitten eines faszinierenden historischen Erbes.

Es ist ein ungemein reiches gemeinsames Kultur- und Industrie-Erbe, das die von großer Tradition und vielen Umbrüchen geprägte Stadt Chemnitz (in DDR Zeiten: Karl-Marx-Stadt) mit Zwickau, wo übrigens der Komponist Robert Schumann (1810–1856) geboren wurde, und der angrenzenden, auch landschaftlich höchst reizvollen Region verbindet. So hat man hier, im Südwesten von Sachsen, maßgeblich zur industriellen Entwicklung Deutschlands beigetragen (speziell in Textil-, Maschinenbau-, Eisenbahn- und Automobilindustrie!) und die Montanregion Erzgebirge/Krušnohorí zählt seit 2019 gar zum UNESCO-Welterbe. Parallel dazu blühten Kunst und Kultur, wovon hochkarätige Museen und eine einzigartige Architektur beredtes Zeugnis ablegen. In dieser faszinierenden ostdeutschen Region erlebt man also eine beeindruckende Industriegeschichte in inspirierendem Dialog mit traumhaften Schlössern aus Mittelalter, Renaissance und Barock sowie Theater, Musik und bildender Kunst. Der Kontrast zur Gegenwart ist zudem ungemein spannend, entwickelte sich das pulsierende Chemnitz in den letzten Jahren doch zu einem wichtigen Hightech-Standort mit einer exzellenten Forschungslandschaft.
2025 ist Chemnitz gemeinsam mit 38 Kommunen aus Mittelsachsen, dem Erzgebirge und dem Zwickauer Land Kulturhauptstadt Europas. Das ebenso umfangreiche wie vielschichtige Programm steht unter dem Motto „C the Unseen” – mit 150 Projekten und mehr als 1.000 Veranstaltungen machen bislang Ungesehenes, Unentdecktes, Verborgenes sichtbar. Entlang der fünf Programmlinien „Europäische Macher:innen der Demokratie”, „Osteuropäische Mentalität”, „Großzügige Nachbarschaft”, „Macher:innen²” und „In Bewegung!” locken daher Festivals, Ausstellungen, Theater, Performances, Sport, Kulinarik, Workshops und Events in die hochinteressante Kulturhauptstadt-Region.

Kulturhauptstadt Europas Chemnitz © Ernesto Uhlmann Radar Studios

Kulturhauptstadt Europas Chemnitz © Ernesto Uhlmann Radar Studios

„European Realities”
Im Museum Gunzenhauser, dessen einzigartige Sammlung mit Werken von Otto Dix Weltgeltung besitzt, widmet sich die spektakuläre Ausstellung „European Realities” den vielfältigen Realismusbewegungen, die in den 1920er und 1930er Jahren nahezu überall in Europa sichtbar sind. Sie erzählt dabei von Armut und Elend, berichtet über den wirtschaftlichen Aufschwung und von kultureller Blüte, von wissenschaftlichem und technischem Fortschritt, von Großstadt und Nachtleben, Emanzipation und Diversität. Die Ausstellung schließt Künstlerinnen und Künstler aus nord-, mittel-, südost-, süd- und westeuropäischen Ländern ein und präsentiert die künstlerischen Netzwerke über die Ländergrenzen hinaus. Sie knüpft dabei an Gustav Friedrich Hartlaubs namensgebende Präsentation der Neuen Sachlichkeit von 1925 an, welche nach Mannheim und Dresden in den heutigen Kunstsammlungen am Theaterplatz in Chemnitz Station machte. European Realities verbindet die lokale Tradition mit gesamteuropäischen realistischen Tendenzen. Der Realismus der 1920er und 1930er Jahre hat nicht nur viele Namen wie etwa Nuovo Realismo, Realismo mágico, Pittura metafisica, Novecento, Neue Sachlichkeit, Neoklassizismus, Magischer Realismus, Neorealisme, Nové realismy u.v.m. seine Wurzeln in verschiedenen Ländern und er besitzt viele Gesichter. Dabei zeigt die Ausstellung mit ca. 300 Werken aus 20 Ländern nicht nur ein europäisches Panorama, sondern auch, wie sich durch Transfer und Migration von Ideen künstlerische Ansätze verbreiten und weiterentwickeln.
27. April bis 10. August 2025

William Roberts, Les Routiers, 1931, Öl auf Leinwand, National Museum NI, Ulster Museum © Estate of John David Roberts. By permission of the Treasury Solicitor, Ulster Museum Collection

William Roberts, Les Routiers, 1931, Öl auf Leinwand, National Museum NI, Ulster Museum © Estate of John David Roberts. By permission of the Treasury Solicitor, Ulster Museum Collection

„Silberglanz & Kumpeltod”
Die Ausstellung „Silberglanz & Kumpeltod” im smac – Staatliches Museum für Archäologie Chemnitzv wiederum beleuchtet den Erzbergbau sowohl von seiner glänzenden als auch von seiner dunklen Seite: Die Schau im denkmalgeschützten Museumsgebäude, das von Erich Mendelsohn, einem der bedeutendsten Architekten der Moderne, entworfen und 1930 als Kaufhaus Schocken eröffnet wurde, präsentiert Objekte von der Bronzezeit bis ins 21. Jahrhundert und gibt einen Einblick in diesen traditionsreichen Berufsstand, der die Wirtschaft und Kultur des Erzgebirges in eminenter Weise prägte. Die Bergbau-Ausstellung fördert mit 380 Exponaten auf rund 1000 Quadratmetern das zu Tage, was über Jahrtausende unter Tage vor sich ging. Sie interpretiert damit den Claim des Kulturhauptstadtjahres C the Unseen in ganz besonderer Weise, denn nur Eingeweihte wussten und wissen, was in den Stollen und Gängen wirklich geschah. Hierbei setzt die Ausstellung einen Fokus auf das Erzgebirge, das sich entlang der deutsch-tschechischen Grenze südlich von Chemnitz erstreckt. Diese alte Montanregion ist archäologisch und historisch besonders gut erforscht.
bis 29. Juni 2025

„Edvard Munch. Angst”
Ausgehend von den Themen, die Edvard Munchs Kunst durchdringen, kreist überdies die hochkarätige Ausstellung „Edvard Munch. Angst” in den Kunstsammlungen am Theaterplatz um Angst, Einsamkeit und Krankheit sowie um Munchs Aufenthalt in Chemnitz (1905) und um die fortwährende Auseinandersetzung mit seiner Kindheit. Parallel dazu werden zeitgenössische Positionen etwa von Marina Abramović, Monika Bonvicini, Michael Morgner, Osmar Osten, Neo Rauch oder Andy Warhol mit Munchs Werken gezielt in Dialog treten.
10. August bis 2. November 2025

„Edvard Munch. Angst”: Edvard Munch, Vampir, 1895, Lithografie, von Hand koloriert, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Foto: Medienzentrum Wuppertal

„Edvard Munch. Angst”: Edvard Munch, Vampir, 1895, Lithografie, von Hand koloriert, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Foto: Medienzentrum Wuppertal

Tales of Transformation
Als „sächsisches Manchester” gab Chemnitz in Sachsen den Startschuss zur Industrialisierung, erlebte rasantes Wachstum und schließlich Deindustrialisierung– eine tiefgreifende Herausforderung, aber auch die Chance zur Neuerfindung. In der Ausstellung „Tales of Transformation” vergleicht das exzellente Industriemuseum Chemnitz nun die Entwicklung ehemaliger industrieller Hotspots: Neben Chemnitz beleuchtet man das französische Mulhouse, das finnische Tampere, das bulgarische Gabrovo sowie das polnische Łódź und – natürlich! – Manchester in Nordengland. Die hochaktuelle Schau untersucht unter anderem, welche Impulse für die Zukunft aus diesen Städten kommen und was sie voneinander lernen können.
25. April bis 16. November 2025

#3000Garagen
Mit dem Projekt #3000Garagen vertieft sich Chemnitz 2025 auf spannende Weise in das Thema Ost-Identität. Es zeigt die etwa 30.000 Chemnitzer Garagen, die zum Großteil zu DDR-Zeiten entstanden, als lebendige Archive, kreative Räume und Orte der Begegnung. In künstlerischen Projekten werden die individuellen Geschichten der Garagennutzer:innen vor dem Hintergrund der Chemnitzer Stadtgeschichte vermittelt und kreativ verwandelt, während Feste, Workshops und Kunstaktionen die Garagenhöfe als soziokulturelle Gemeinschaftsorte aktivieren. In den legendären „Stern-Garagen”, einer der ältesten noch erhaltenen deutschen Hochgaragen, ist im dort angesiedelten Museum für sächsische Fahrzeuge zudem mit „Ersatzteillager” eine Rauminstallation aus geliehenen Garagenobjekten zu sehen. Geschaffen wurde sie von Martin Maleschka, der für seine Fotodokumentation zum baukulturellen DDR-Erbe kürzlich mit dem Deutschen Preis für Denkmalschutz 2024 ausgezeichnet wurde.

#3000Garagen: Projekt Ersatzteillager, Sammelaktion mit Martin Maleschka © Peter Rossner

#3000Garagen: Projekt Ersatzteillager, Sammelaktion mit Martin Maleschka © Peter Rossner#3000Garagen: Projekt Ersatzteillager, Sammelaktion mit Martin Maleschka © Peter Rossner

Kunst- und Skulpturenweg PURPLE PATH
Das größte Projekt von Chemnitz 2025 ist der singuläre Kunst- und Skulpturenweg PURPLE PATH: Mit den Arbeiten von renommierten internationalen, nationalen sowie sächsischen Künstler:innen entsteht eine einzigartige Ausstellung im öffentlichen Raum, die Chemnitz und die weiteren 38 Städte und Gemeinden der Kulturhauptstadt-Region miteinander verbindet. „Alles kommt vom Berg” lautet das Narrativ dieses mitreißenden Projekts, haben doch 850 Jahre Bergbau die Landschaften um Chemnitz – das Erzgebirge, Mittelsachsen, das Zwickauer Land – tief geprägt. Am PURPLE PATH erzählen nun die Installationen und Skulpturen von Menschen, Handwerk und Industrie und laden Besucher:innen ein, diese Geschichten zu entdecken. Zu erleben sind unter anderem Arbeiten von Tony Cragg, Nevin Aladağ, Richard Long, Uli Aigner und Friedrich Kunath.

Purple Path, Trashstone 689, Wilhelm Mundt in Freiberg, Foto Johannes Richter

Purple Path, Trashstone 689, Wilhelm Mundt in Freiberg, Foto Johannes Richter

Grenzüberschreitender „European Peace Ride”
Das Bewerbungsbuch um den Titel „Kulturhauptstadt Europas” wurde 2020 von Radsport-Enthusiasten nach Berlin gebracht und dort der Jury übergeben. Daraus entstand ein großes, grenzüberschreitendes Projekt: der „European Peace Ride”. Im Rahmen von Chemnitz 2025 findet nun die fünfte Ausgabe dieser besonderen Friedensfahrt statt, die sich nicht als Radrennen, sondern als kulturell-sportliches Gemeinschaftsprojekt versteht und mit rund 200 Teilnehmenden über Ländergrenzen hinweg europäische Strahlkraft entwickelt.
9. bis 13. September 2025

Uraufführung „Rummelplatz”
Eine aufsehenerregende Uraufführung findet im Opernhaus Chemnitz statt: Die zeitgenössische Oper „Rummelplatz”, ein Auftragswerk, basiert auf Werner Bräunigs gleichnamigem, kritisch-engagierten Gesellschaftsroman, der von Komponist Ludger Vollmer und Jenny Erpenbeck (Libretto), die 2024 mit dem weltweit renommierten International Booker Prize ausgezeichnet wurde, für die Bühne adaptiert wird. Begleitend dazu hat die Oper Chemnitz ein partizipatives internationales Schreibwerkstatt-Programm ins Leben gerufen, das Methoden autobiographischen Schreibens anwendet
Premiere: 20. September 2025

Zu den weiteren Programmschwerpunkten von Chemnitz 2025 zählen überdies das Projekt „Makers, Business & Arts”, das an den Schnittstellen von Kreativschaffenden, Wirtschaft und Kunst agiert und die Entstehung von neun Makerhubs (etwa im Lehngericht Augustusburg) als Kreativorte fördert; das Projekt „Gelebte Nachbarschaft”, das sich intensiv mit nachhaltiger Stadtentwicklung auseinandersetzt und auch Baumpflanzungen beinhaltet; sowie die „Europäische Werkstatt für Kultur und Demokratie”, ein breit angelegtes Beteiligungsprojekt für lokale Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft, das zudem Kooperationen zwischen Deutschland, Tschechien und Polen enthält.
https://chemnitz2025.de