Progressiv und ungemein spannend: Das wundervolle Centre Pompidou-Metz beschäftigt sich in den kommenden Monaten unter anderem mit dem beeindruckenden Werk von Suzanne Valadon und dem weltweiten Massenphänomen Videospiel.

Es zählt international zu den wichtigsten Zentren zeitgenössischer Kunst: Das in einem ikonischen Bau der Stararchitekten Shigeru Ban und Jean de Gastines angesiedelte Centre Pompidou-Metz zieht mit seiner multidisziplinären, ungemein lebendigen Programmatik alljährlich fast 300.000 Besucher an – viele von ihnen kommen übrigens auch aus Deutschland, ist doch etwa Saarbrücken nur knapp eine Autostunde von Metz entfernt. Die hochkarätigen Ausstellungen der einflussreichen Institution gelten als progressiv und richtungsweisend – eine Bewertung, die das Programm des Centre Pompidou-Metz in den kommenden Monaten auf das Erfreulichste bestätigt. Ein Überblick:

Die Wiederholung: Marie Laurencin, La Répétition, 1936, Paris, Centre Pompidou, Musée national d‘art moderne © Foujita Foundation / Adagp, Paris - Photo : © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / image Centre Pompidou, MNAM-CCI

Die Wiederholung: Marie Laurencin, La Répétition, 1936, Paris, Centre Pompidou, Musée national d‘art moderne © Foujita Foundation / Adagp, Paris – Photo : © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / image Centre Pompidou, MNAM-CCI

„Die Wiederholung”
1936 malte Marie Laurencin (1883–1956) das Bild „La Répétition” („Die Probe”, auch übersetzbar als „Die Wiederholung”): Zu sehen ist eine Gruppe junger Frauen bei einer Probe, die durch das Wiederholen ihre künstlerische Fähigkeiten vertiefen. Eine Frau hält ein Gesangsbuch, eine andere eine Gitarre, eine Dritte deutet einen Tanzschritt an. Doch die Wiederholung ist nicht nur Thema dieses Bildes, das nichts anderes ist als Picassos „Les Demoiselles d’Avignon” (1907) in abgeänderter Form, sondern auch seine Methode: Alle Gesichter sind identisch – und Ausdruck von Laurencins Absicht, in der Wiederholung eine Wiederholung zum Vorschein zu bringen. Das Centre Pompidou-Metz zeigt nun mit der spannenden – und sehr wichtigen! – Ausstellung „Die Wiederholung”, dass ein schöpferischer Prozess auch aus Wiederholung, Betonung, Vervielfachung oder Anhäufung bestehen kann. Damit hinterfragt die umfangreiche Schau das Konzept der genuinen Erfindung, das als Synonym für schöpferische Freiheit in der Geschichte der westlichen Kunst im 20. und 21. Jahrhundert verankert ist. Anhand einer subjektiven Auswahl von Werken aus den Sammlungen des Centre Pompidou, Musée National d’Art Moderne, stellt sie die kreativen Prozesse der Wiederholung in den Vordergrund – und zwar unabhängig davon, ob diese in den dargestellten Gegenständen oder Formen in Erscheinung treten.
bis 27. Januar 2025

„Die Pforten des Möglichen”: Aïda MULUNEH, The Shackles of Limitations («Water Life Series»), 2018 Courtesy l’artiste et WaterAid © Aïda Muluneh. Used with permission. Commissioned by Water Aid

„Die Pforten des Möglichen”: Aïda MULUNEH, The Shackles of Limitations («Water Life Series»), 2018 Courtesy l’artiste et WaterAid © Aïda Muluneh. Used with permission. Commissioned by Water Aid

„Die Pforten des Möglichen”
Mit der begeisternden Ausstellung „Die Pforten des Möglichen. Kunst und Science-Fiction” ermöglicht es das Centre Pompidou-Metz zudem noch bis Ostern, in die faszinierende Welt der Science-Fiction eintauchen, in ein Genre also, das die Menschen mit radikaler Andersartigkeit konfrontiert und eine Emanzipation von den vorherrschenden politischen Diskursen bietet. Die Schau präsentiert rund 200 Werke von den späten 1960er Jahren bis heute und zielt, ausgehend von den drängenden aktuellen Forderungen nach Utopien für das 21. Jahrhundert, auf überzeugende Weise darauf ab, Debatten anzuregen, zu inspirieren und neue Hoffnung zu vermitteln.
bis 10. April 2023

Suzanne Valadon, La Chambre bleue, 1923, Limoges, musée des Beaux-Arts, en dépôt au Centre Pompidou, Musée national d‘Art moderne © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Jacqueline Hyde

Suzanne Valadon, La Chambre bleue, 1923, Limoges, musée des Beaux-Arts, en dépôt au Centre Pompidou, Musée national d‘Art moderne © Centre Pompidou, MNAM-CCI, Dist. RMN-Grand Palais / Jacqueline Hyde

„Suzanne Valadon. Un monde à soi”
Ab Mitte April 2023 lockt das Centre Pompidou-Metz zudem mit einer großen Ausstellung, die unter die Höhepunkte des internationalen Kunstjahres 2023 gereiht werden muss: Fast fünfzig Jahre nach ihrer letzten Retrospektive in Frankreich bietet die Schau „Suzanne Valadon. Un monde à soi” eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem expressiven – und entschieden zeitgenössischen – Wesen des Werks der faszinierenden französischen Malerin (1865–1938). Valadons Porträts, Stillleben und Landschaften widersetzen sich auf unwiderstehliche Weise den Konventionen: Kühn und mutig malt sie, wie sie sieht – ohne jegliche Beschönigung, ohne sexuelle Hemmungen. Und ja, zu Recht kann man hier vermuten, dass sich darin auch ihr Wunsch manifestiert, dem dominierenden „male gaze” zu entkommen. Von den Bildern, die für ihre Zeit prägend waren, unterschied sich Suzanne Valadon durch ihre ganz persönliche Sicht auf die Darstellung von Kindheit, von Jugend, und auch – ganz besonders – von Nacktheit. Anstelle von lasziv hindrapierten Frauen malte Valadon Silhouetten, die der nackten Realität entsprechen, und geht auf dem Höhepunkt ihrer Karriere sogar so weit, ihren eigenen Körper diesem kritischen Blick auszusetzen.
Mit über zweihundert Werken (so etwa aus der persönlichen Sammlung von Edgar Degas mit Leihgaben aus dem Musée du Louvre, dem Musée d’Orsay, dem Musée de l’Orangerie oder dem New Yorker Metropolitan Museum of Art) verdeutlicht die von Chiara Parisi, der Direktorin des Centre Pompidou-Metz, kuratierte Ausstellung die außergewöhnliche Bandbreite und Vielfalt von Suzanne Valadons Schaffen. Archivmaterial und bedeutende Werke, die Valadon inspirierten oder deren Gegenstand sie selbst ist, veranschaulichen überdies den die Malerin umgebenden historischen und künstlerischen Kontext vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum sich abzeichnenden 2. Weltkrieg.
15. April bis 11. September 2023

„Worldbuilding. Videospiel und Kunst im Digitalzeitalter”
Mit dem größten Massenphänomen der Gegenwart beschäftigt sich die von Hans Ulrich Obrist (Serpentine Gallery, London) kuratierte Ausstellung „Worldbuilding. Videospiel und Kunst im Digitalzeitalter”: 2,8 Milliarden Menschen hatten im Jahr 2021 Videospiele gespielt, unzählige Personen verbringen täglich viele Stunden in einer Parallelwelt und tauchen ein in unterschiedliche Leben und Identitäten. Unzweifelhaft haben Videospiele im 21. Jahrhundert als Leitmedium jene Bedeutung, die ehedem Filme (im 20. Jahrhundert) und Romane (im 19. Jahrhundert) hatten. Die in Kooperation mit der Sammlung Julia Stoschek (Düsseldorf) entwickelte Ausstellung untersucht nun die verschiedenen Möglichkeiten, die Künstler nutzen, um sich in Videospiele einzuschleichen und sie in eine echte Kunstform zu verwandeln. Die brillante Schau umfasst rund 30 digitale Exponate, von Einkanal-Videokreationen bis zu speziellen, immersiven und interaktiven Umgebungen, von denen einige eigens für diesen Anlass geschaffen werden. Nachdem Künstler schon vor mehreren Jahrzehnten begonnen hatten, die Bildsprache von Videospielen in ihre Werke zu integrieren, erforscht „Worldbuilding” nun erstmals – und auf überzeugende Weise – die Spieleästhetik als Teil der künstlerischen Praxis und beleuchtet intensiv die einzigartigen Möglichkeiten, die die Entwicklung von Spielen Künstlern bei der Erschaffung einer Welt bietet: Regeln können aufgestellt, Umgebungen, Systeme und Dynamiken geschaffen und verändert werden – und neue Königreiche können entstehen
10. Juni 2023 bis 15. Januar 2024

Elmgreen & Dragset, The One & The Many, 2010 et The Outsiders, 2020 © Adagp, Paris 2022 / © Studio Elmgreen & Dragset © VBK Wien 2023

Elmgreen & Dragset, The One & The Many, 2010 et The Outsiders, 2020 © Adagp, Paris 2022 / © Studio Elmgreen & Dragset © VBK Wien 2023

„Elmgreen & Dragset. Viel Glück”
Mit „Viel Glück” („Bonne Chance”) steht ab Juni 2023 zudem eine umfassende Präsentation von Arbeiten des Künstlerduos Elmgreen & Dragset am Programm des Centre Pompidou-Metz. Die Ausstellung – eine Mischung aus Installation, Skulptur und Performance – besteht aus einem Wohnhaus in Originalgröße, einer Zirkusarena, einem verlassenen Spielplatz und anderen städtischen Elemente, die zusammen eine Reihe von traumähnlichen Szenarien bilden. Teile der Ausstellung werden in ihrem Verlauf nach und nach auftauchen, verschwinden und erneut auftauchen. Diese mit Spannung erwartete Solopräsentation von Elmgreen & Dragset, die zu den einflussreichsten Künstlern des 21. Jahrhunderts zählen und für ihre Umgestaltung von Ausstellungsräumen bekannt sind, wird sich über die monumentale Grande Nef, das Forum, die Dächer der Galerien und den Garten erstrecken und bestehende ebenso wie neue Arbeiten vereinen.
10. Juni 2023 bis 1. April 2024

www.centrepompidou-metz.fr