Mit der Eröffnung der beiden Ausstellungen Wurzeln und Flügel – Die Brüder Grimm und Steinau sowie Baukunst im Wandel – Die Geschichte von Schloss Steinau am 18. Juni 2025, setzten die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen (SG) neue Akzente in der musealen Vermittlung in Schloss Steinau an der Straße. Begleitet wird der Neustart durch die Wiedereröffnung des Museumsshops in neuem Design und den digitalen Zugang zur Sammlung Kosmos Grimm.
„Nach der baulichen Erweiterung vor 500 Jahren ist Schloss Steinau heute als eines der wenigen Renaissanceschlösser Hessens in weitgehend authentischem Zustand erhalten und zählt damit zu den bedeutendsten Schlössern des Landes. Ende des 18. Jahrhunderts prägte der Bau den Alltag der Brüder Grimm, die in Steinau ihre Kindheit verbrachten. Die beiden neuen Ausstellungen verbinden die emotionale Tiefe einer Familiengeschichte mit der faszinierenden Entwicklung einer frühneuzeitlichen Schlossanlage. Ich danke allen Beteiligten für die Realisierung dieses Projektes, durch das nun der einzigartige Charakter und die historische Bedeutung dieses Ortes in besonderer Weise neu akzentuiert werden“, sagt SG-Direktorin Kirsten Worms.

Blick in die Ausstellung „Wurzeln und Flügel – Die Brüder Grimm und Steinau“ © SG, Stefan Schmitt
Wurzeln und Flügel – Die Brüder Grimm und Steinau
Im Fokus der Ausstellung Wurzeln und Flügel – Die Brüder Grimm und Steinau steht die Familie Grimm als soziales Netzwerk und geistiges Fundament für das Werk der weltberühmten Brüder. Die Präsentation schlägt einen Bogen von der Kindheit der Grimms in Steinau über ihre akademischen Jahre bis hin zu ihren letzten Lebensabschnitten in Berlin. Erstmals widmet sich ein Ausstellungsteil explizit den Frauen der Familie: Lotte, Dortchen, Malchen und andere werden in ihrer Rolle für den „Familienbetrieb Grimm“ gewürdigt. Gleichzeitig wird aufgezeigt, wie begrenzt die Möglichkeiten weiblicher Selbstverwirklichung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert waren. Zur Entwicklung dieses Ausstellungsbereichs sichteten Studierende des Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte unter der Leitung Frau Prof. Dr. Martina Sitt (Universität Kassel) die Grimm-Sammlung der SG. Das bekannte Ölgemälde „Der Lotte ihre Stube“ von Ludwig Emil Grimm von 1821 wird ebenso präsentiert wie bislang unerforschte Werke. „Weitere historische Objekte wie das Tintenfass Jacob Grimms oder Originalzeichnungen von Ludwig Emil Grimm zeigen eindrucksvoll die kreative Energie der Familie. Kinder können in der Ausstellung mithilfe der Figur „Kater Gravus“ in die Märchenwelt eintauchen, während die Erwachsenen sich auf kunsthistorisch wie gesellschaftlich relevante Kontexte freuen dürfen“, sagt Dr. Kristina Deutsch (SG), Kuratorin des Ausstellungsbereichs über die Brüder Grimm. „Die Ausstellung macht deutlich, wie eng die Grimms mit Hessen verbunden waren – emotional, biografisch und wissenschaftlich. In Hanau geboren, verbrachten die berühmten Sprachforscher und Märchensammler in den Jahren 1791 bis 1798 einen prägenden Teil ihrer Kindheit in Steinau an der Straße. Die Stadt gehörte damals zur Grafschaft Hanau-Münzenberg, die seit 1736 Teil der Landgrafschaft Hessen-Kassel war. Immer wieder erinnern sich die Grimm-Geschwister in ihren Selbstzeugnissen an ihre glücklichen Kindertage in Steinau“, sagt Dr. Katharina Bechler, Leiterin des Fachgebiets Museen der SG und Koordinatorin des Ausstellungsprojektes.

Blick in die Ausstellung „Wurzeln und Flügel – Die Brüder Grimm und Steinau“ © SG, Stefan Schmitt
Baukunst im Wandel – Die Geschichte von Schloss Steinau
Die baugeschichtliche Ausstellung Baukunst im Wandel – die Geschichte von Schloss Steinau beleuchtet das Schloss als Zeugnis der frühen Neuzeit – begonnen als mittelalterliche Burg wurde es zum Renaissanceschloss mit repräsentativer Küche und Stubenappartements ausgebaut. Anhand historischer Schlossplänepläne, bauzeitlicher Fenstergewände, Treppentürmen und Verteidigungsanlagen wird der Wandel einer bedeutenden Herrschaftsarchitektur erlebbar. Auch die soziale Funktion des Schlosses als Unterkunft für Reisende, Witwensitz, und Verwaltungsbau wird aufgezeigt.
„Die Bausubstanz aus rund 800 Jahren Geschichte zeigt verschiedene Spuren, die Erbauer und Schlossbewohner am Bauwerk hinterlassen haben und einen Einblick in ihre Lebenswelten ermöglichen“ sagt Roland Frank (SG), Kurator der bauhistorischen Ausstellung. „Die Ausstellung informiert daher nicht nur über prächtige Überreste wie eine durch spätere Überbauung erhaltene Fassadenmalerei, sondern auch über zunächst unscheinbarere Befunde, wie eine Ofenklappe, die für den damaligen Umgang mit der noch heute aktuellen Problematik des Heizens steht.“ Eine Besonderheit: Der Bastionsgrundriss des Schlosses lässt es wie eine Festung erscheinen, was jedoch vor allem als Ausdruck eines modernen, repräsentativen Anspruchs der Hanauer Grafen gedeutet werden kann – ein einzigartiges Beispiel für RenaissanceArchitektur mit funktionalem Symbolgehalt. In diesem Sinne ließen die Grafen von Hanau-Münzenberg auch die Innenräume prachtvoll ausstatten. Die qualitätvollen Wandmalereien mit Renaissance-Ornamenten und antikisierenden Porträtmedaillons zierten die Räume, in denen sich heute die Ausstellungen befinden. Durch die Neugestaltung wurden kostbare Wandgemälde wieder sichtbar, die zuvor teilweise von der vorherigen Ausstellungsarchitektur verdeckt waren.
www.schloesserhessen.de/schloss-steinau

Schloss Steinau an der Straße, Küche © SG
Digitale Erweiterung: Der „Kosmos Grimm“
Dank der Förderung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur (HMWK) mit Mitteln des Hessischen Ministeriums für Digitalisierung und Innovation kann begleitend zur Grimm-Ausstellung der umfangreiche GrimmNachlass der SG ab sofort unter dem Titel Kosmos Grimm auf der Plattform museum-digital präsentiert werden und bereichert damit die Online-Sammlung der Schlösserverwaltung. Hier finden sich derzeit über 280, teils bislang unveröffentlichte Objekte aus dem Grimm-Nachlass – darunter Drucke, Zeichnungen, Alltagsgegenstände, Bücher, Manuskripte und Erinnerungsstücke, die von Dr. Doreen Paula (SG) wissenschaftlich erschlossen wurden. Dabei sind nicht nur Werke des künstlerisch tätigen Bruders Ludwig Emil Grimm Bestand der stetig wachsenden Online-Sammlung, sondern auch Jacob und Wilhelm Grimm zeichneten, radierten und malten selbst. Die Drucke und Zeichnungen umfassen Porträts von Familienmitgliedern, Freunden und Zeitgenossen, aber auch Reproduktionen bürgerlicher Bildwelten des 19. Jahrhunderts. Seite 4 von 5 Mit QR-Codes in der Ausstellung wird dieses digitale Angebot unmittelbar im Schloss Steinau erlebbar gemacht. Doch auch unabhängig von einem Besuch ist die gesamte Online-Sammlung der SG frei verfügbar unter www.schloesser-hessen.de/sammlung.