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Im Museum Tinguely ermöglicht die Ausstellung „Delphine Reist. ÖL [oil, olio, huile]” noch bis 14. Jänner 2024 eine inspirierende Begegnung mit hochaktuellen Positionen der renommierten Genfer Künstlerin, die sich mit dem vielschichtigen Thema Arbeit auseinandersetzen.

Arbeit strukturiert ja das individuelle Leben ebenso wie auch die Gesellschaft als Ganzes, doch in den Werken von Delphine Reist sind es die Dinge selbst, die ein Eigenleben entwickeln und uns ihre Diagnosen zu Bewegung und Rhythmus von Produktion liefern oder von Effizienz und Erschöpfung sprechen: spontan lärmende Bohrmaschinen, leckende Drucker oder per Geisterhand gesteuerte Rollos. Außerdem präsentiert Delphine Reist – und darauf verweist auch der Titel der von Sandra Beate Reimann kuratierten Ausstellung – mehrere Arbeiten, die im engeren oder weiteren Sinne Öl als Energieträger, Malmittel, Schmierstoff oder dessen materielle, fluide Eigenschaften aufgreifen.

Delphine Reist, Cartouches, 2020, Multiple, édition Lapin Canard © Delphine Reist, Foto: Stefan Rohner

Delphine Reist, Cartouches, 2020, Multiple, édition Lapin Canard © Delphine Reist, Foto: Stefan Rohner

Mit Werken, die Autoreifen, Werkzeuge und Produktionseinheiten von Eimern umfassen, bezieht sich die 1970 geborene Künstlerin zudem ganz konkret auf Handwerk und Industriearbeit; letztere, einst zunehmend ins (Niedriglohn-)Ausland verlagert, bekommt heute nun im Rahmen von Diskussionen um nationale Abhängigkeiten in vielen Ländern wieder eine höhere Relevanz zugesprochen. In Reists Video „Averse” wiederum fallen in einem leeren Industrieraum sukzessive die Neonröhren von der Decke: Bildlich wie metaphorisch geht hier das Licht aus. Andere Werke greifen das Thema Büroarbeit auf. Hier sind es die materiellen Infrastruktur-Objekte wie Farbdrucker, sich scheinbar zufällig und fortwährend bewegende Rollos oder Spuren von Bürostühlen in endloser Kreisbewegung, die Formen von physisch wie geistig entfremdeter Arbeit kritisch reflektieren. Reists atmende Sporttaschen erinnern uns zudem: Auch der Ausgleichssport oder „Self-Care” und „Wellbeing” wurde von der neoliberal-kapitalistischen Arbeitswelt als probates Mittel zu weiterer Effizienzsteigerung und als Resilienz vor Burn-Outs inkorporiert.
Mit ihrer im letzten Jahr entstandenen Installation „Huiles” schließlich befragt Delphine Reist die Basis unseres Schaffens und unseres ökonomischen Strebens. Zahlreiche rote Ölfässer stehen stramm in Reih und Glied. Aber sie sind nicht dicht: Tropfen für Tropfen ziehen sich schmale Rinnsale von Kraftstoff, Motor- und Pflanzenöl über die blütenweiße Wand.
bis 14. Jänner 2024
www.tinguely.ch

Delphine Reist, Huiles (Detail), 2022, Installationsansicht aus der Ausstellung VRAC MULTIVRAC, Frac Grand Large — Hauts-de-France, Dunkerque, Frankreich, 2022 © Delphine Reist, Foto: Aurélien Mole

Delphine Reist, Huiles (Detail), 2022, Installationsansicht aus der Ausstellung VRAC MULTIVRAC, Frac Grand Large — Hauts-de-France, Dunkerque, Frankreich, 2022 © Delphine Reist, Foto: Aurélien Mole