Der französische Maler Auguste Herbin (1882–1960) gilt als ein Revolutionär der Moderne und als einer der Begründer der Abstraktion in Frankreich. Kurz nach der Jahrhundertwende beginnt er mit spätimpressionistischen Landschaften, Stillleben und Porträts, bereits in leuchtenden, dabei harmonisch eingesetzten Farben, die in der folgenden fauvistischen Phase intensiver werden und es im weiteren Werkverlauf bleiben.
1904 begegnet er dem deutschen Kunstkritiker und Galeristen Wilhelm Uhde, der ihn auch in Deutschland bekannt macht – mit weitreichenden Folgen: Herbin wird bis heute in Deutschland ausgestellt und gesammelt. 1909 entstehen erste kubistische Bilder, wodurch er zu den frühen Vertretern dieser Bildsprache zählt. Auch sein Kubismus ist starkfarbig. Im selben Jahr bezieht er ein Atelier im berühmten Bateau-Lavoir auf dem Pariser Montmartre, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Picasso und van Dongen.
Herbin arbeitet in unterschiedlichen Gegenden Frankreichs von der belgischen Grenze bis zur spanischen sowie im belgischen Brügge, im Hamburger Hafen und auf Korsika. Jeder Ortswechsel bringt neue Formen in seine Wahrnehmung und führt oft zu Veränderungen in seiner Bildsprache. Erst in den 1930er Jahren, als er sich endgültig der abstrakten Kunst zuwendet, bleibt er in Paris.
Während des Ersten Weltkriegs entwirft er Tarnmuster für Flugzeuge, danach entwickelt er für dekorative Holzobjekte erstmals ein vollkommen abstraktes, geometrisches Formenvokabular. Als sozial engagierter Künstler und zeitweiliges Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs verfolgt er das Ziel einer „Kunst für alle“. Seine spätere Hinwendung zu einer magisch-realistischen Malweise bedeutet keinen Bruch, sondern eine Weiterentwicklung: wie häufig in seinem Werk ein Fruchtbarmachen des Alten im Neuen. Als er nach wenigen Jahren zur abstrakten Malerei zurückkehrt, erfolgt dies zunächst in Form von runden Formen, Voluten und Spiralen.

Auguste Herbin, Femme au cerisier, 1924, Artimedes AG, Schaan FL © VG Bild-Kunst Bonn, 2025
Als Organisator von Ausstellungen und Vereinigungen setzt er sich für die abstrakte Kunst ein, so ab 1931 als Präsident der Gruppe Abstraction-Création. In den späten 1930er Jahren beschäftigt er sich verstärkt mit Farbtheorien, insbesondere mit anthroposophischen Adaptionen von Goethes Farbenlehre. Daraus entwickelt er 1942 sein „alphabet plastique“, ein Regelwerk reiner Farbtöne und geometrischer Formen, Musiknoten und Buchstaben. Damit „buchstabiert“ er Begriffe in Bildern, interpretiert diese jedoch stets variabel unter Berücksichtigung ihrer emotional erfahrbaren Qualität. Nach 1945 wird Herbin zu einem Vorbild für Vertreter der konkreten und kinetischen Kunst sowie der Op-Art; sein Werk wird in zahlreichen Einzelausstellungen präsentiert. Bis zu seinem Tod bleibt er eine wichtige Figur in der Erneuerung der französischen Abstraktion.
Die Ausstellung zeigt die wichtigsten Stationen in Herbins Schaffen und umfasst etwa 50 bedeutende Werke mit umfangreicher Dokumentation.
3. Juni bis 19. Oktober 2025