Russische Klangwelten zwischen Tradition, Aufbruch und Abschied: Die Staatsphilharmonie Nürnberg widmet sich in diesem Konzertabend der musikalischen Identität dreier Komponisten, die auf ganz eigene Weise zwischen Ost und West vermittelt haben.
Mit der energiegeladenen Ouvertüre zu Ruslan und Ludmilla eröffnet Michail Glinka das Programm – ein Werk, das vor Temperament sprüht und zugleich fest in der westeuropäischen Orchestertradition verwurzelt ist. Glinka gilt als Begründer der russischen Nationalmusik, doch seine bekannteste Oper verweist bereits auf den Stil jener „Westler“, zu denen später auch Tschaikowsky gezählt wurde.
Von ebendiesem stammt das Herzstück des Abends: die Sinfonie Nr. 6, die sogenannte Pathétique. Sie ist Tschaikowskys letztes Werk – ein zutiefst persönliches, emotional aufgeladenes Vermächtnis, das zwischen zarter Melancholie und aufwühlender Verzweiflung schwankt. Die „Pathétique“ klingt wie ein intimer Abschied von der Welt, voller unerfüllter Sehnsüchte, unterdrückter Kraft und seelischer Tiefe. Dazwischen steht Sergej Prokofjews 1. Violinkonzert, das der Komponist noch vor seiner Emigration in den Westen schrieb. Das Werk zeigt bereits den charakteristischen Spagat zwischen avantgardistischer Moderne und der Suche nach melodischer Klarheit – Prokofjews Idee einer „neuen Einfachheit“. Virtuos, verspielt und zugleich tiefgründig fordert es Solist:in und Publikum gleichermaßen heraus.
Ein Konzertabend voller Kontraste und Klangfarben, der russische Musikgeschichte in Bewegung zeigt – zwischen Tradition, Bruch und dem immerwährenden Wunsch nach Ausdruck.
16. Januar 2026