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Die Staatsoper Stuttgart zählt zu den bedeutendsten europäischen Opernhäusern und ist zugleich Teil des größten Mehrspartenhauses Europas. Die Württembergischen Staatstheater bestehen aus der Staatsoper Stuttgart, dem Stuttgarter Ballett sowie dem Schauspiel Stuttgart und werden seit 1994 erfolgreich in einem deutschlandweit einzigartigen Leitungsmodell geführt: Alle drei Sparten arbeiten künstlerisch und wirtschaftlich autonom unter Leitung ihrer jeweiligen Intendanten – Viktor Schoner für die Staatsoper, Tamas Detrich für das Stuttgarter Ballett und Burkhard C. Kosminski für das Schauspiel Stuttgart –, während die Geschäftsführung des gemeinschaftlichen Gesamtbetriebs in den Händen des Geschäftsführenden Intendanten Marc-Oliver Hendriks liegt.
Die Staatsoper Stuttgart setzt bis heute immer wieder wichtige Impulse für das Musiktheater der Gegenwart und gilt als eines der führenden Häuser weltweit. Ganz bewusst wird in diesem Haus das Ensembletheater gepflegt. Insgesamt rund 230.000 Besucher zählt allein die Staatsoper in der Saison, davon bilden rund 16.000 einen festen Abonnentenstamm. Das Opernhaus verfügt über 1404 Plätze.

Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach
„In der symbolischen Leere gehen jede sinn- und gemeinschaftsstiftenden Bilder und Metaphern verloren, die das Leben stabilisieren. Die Erfahrung der Dauer nimmt ab.“ (Byung-Chul Han) Zentrale Funktion des Ritus, der im Kollektiv begangenen kultisch-religiösen Feier, ist seit eh und je, symbolischen Kitt herzustellen, mit dem sich Gruppen eines gemeinsamen Ursprungs erinnern (so wurde einst das europäische Theater aus dem griechischen Kultus geboren). Auch in Johann Sebastian Bachs Johannes-Passion hat die Wiedererzählung der Leidensgeschichte Jesu Christi eine universale, politisch-vergemeinschaftende Seite: Die Frage nach der Herkunft Jesu spaltet eine Gruppe und produziert Stimmen mit unterschiedlichem Identifikationswert. In den herzerschütternden musikalischen Andachtsbildern vertiefen sich die einen in die menschlichen Dimensionen des Leidens Jesu, finden darin Trost und Stärke. Andere zweifeln an seinem göttlichen Ursprung, verlieren ihre Empathie, klagen an und toben. Die Johannes-Passion lenkt den Blick nicht allein aufs Jenseitige, sondern auch auf den Ursprung der individuellen Handlung aus der kollektiven Haltung – auf Fragen von Herrschaft und Zugehörigkeit, das Leid der Anderen und die Verantwortung ihnen gegenüber. Braucht es nicht nach allem, was wir wissen und wie wir gelebt haben, eine Neubewertung für die Verstrickung der Einzelnen mit der Welt? Regisseur und Bühnenbildner Ulrich Rasche projiziert diese Themen in einen Chor, in dessen Anschuldigung und Mitleiden sich Perspektiven des Gemeinschaftlichen abbilden. Welche davon wir leben wollen und können, wird sich zeigen.
ab April 2021

Juditha Triumphans von Antonio Vivaldi
Nach einem Jahr im unfreiwilligen Tiefschlaf erlebt Juditha triumphans endlich ihre Premiere. Die Geschichte der strahlend schönen hebräischen Witwe Judith, die Holofernes, den Würgengel ihres Volkes, verführt und mit seinem eigenen Schwert den Kopf abschlägt, war lange einer der anschlussfähigsten Selbstverteidigungsmythen der „abendländischen Kultur“ – Christentum gegen vermeintliche Barbaren, aber auch Frau gegen Mann. Als Ikone des Widerstands, an Körper und Geist beschädigte Märtyrerin oder erotisch aufgeladene Proto-Salome sind über die Jahrhunderte in bildender Kunst wie Dramatik viele verschiedene Judiths entstanden. Antonio Vivaldis lateinisches Oratorium Juditha triumphans devicta Holofernis barbarie wurde nach der Befreiung Korfus von osmanischer Belagerung 1716 in Venedig uraufgeführt. Durch gleichermaßen betörende wie martialische Musik stellte er das militärische Selbstbewusstsein der Seerepublik allegorisch als „weiblich-temperiert“ und nur in der Defensive aggressiv dar. Vivaldi komponierte für das venezianische Mädchen-Waisenhaus des Ospedale della pietà, das für die Exzellenz seiner musikalischen Ausbildung berühmt werden sollte. Wo hinter Gittern und Gazen verborgen ausschließlich junge Frauen musizierten und sangen, blieb der Skandal der erotischen Annäherung Judiths und Holofernes’ reine Lyrik. Regisseurin Silvia Costa hat Chor und Soli in Juditha triumphans in einer hochpoetischen Choreographie inszeniert. Sie versucht, Kontinuitäten zwischen Prinzipien freizulegen, die im abendländischen Denken zu feindlichen Polen aufgebaut worden sind.
ab Mai 2021

www.staatsoper-stuttgart.de