Noch nie wurde es unternommen, nun ist es Wirklichkeit: Die historische Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte ist Schauplatz einer Gesamtschau des deutschen Films von 1895 bis heute. Großleinwände und Monitore laden ein zum Durchwandern einer einzigartigen Filmlandschaft, die mit dem Expressionismus und Kino der Weimarer Republik Weltgeltung erreicht hat und Kultur und Geschichte Deutschlands wie kaum ein anderes Medium spiegelt.

Der blaue Engel, 1930, Quelle: Deutsche Kinemathek, Berlin

Der blaue Engel, 1930, Quelle: Deutsche Kinemathek, Berlin

Die gemeinsame Ausstellung des Weltkulturerbes Völklinger Hütte und der Deutschen Kinemathek Berlin ermöglicht erstmals einen ebenso umfassenden wie immersiven Blick auf die deutsche Filmgeschichte. Der Bogen der multimedialen Schau spannt sich vom legendären „Wintergartenprogramm“ der Gebrüder Skladanowsky am 1. November 1895 in Berlin – zwei Monate vor den Gebrüdern Lumière in Paris – über den frühen Stummfilm und Tonfilm bis zu aktuellen Formaten und Filmproduktionen von 2023.
Die Ausstellung „DER DEUTSCHE FILM“ präsentiert über neun Stunden Filmmaterial auf 100 Großleinwänden und mehr als 350 Exponate aus der Sammlung der Deutschen Kinemathek und zeigt nicht nur den bedeutenden Beitrag Deutschlands zur globalen Filmgeschichte, sondern auch eine fesselnde Verbindung zwischen Kultur- und Zeitgeschichte und der Geschichte der Völklinger Hütte im 20. Jahrhundert.

Das Cabinet des Dr. Caligari_Filmplakat

Das Cabinet des Dr. Caligari, Filmplakat, © Deutsche Kinemathek – Grafikarchiv

Von der Pionierzeit um 1900, dem Ersten Weltkrieg und den 1920-er Jahren der Weimarer Republik über Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und die Filmkultur eines in BRD und DDR geteilten Landes bis hin zum gesamtdeutschen Film nach 1990 entfaltet sich vor den Augen der Besucher:innen in zehn Ausstellungskapiteln ein ebenso bewegtes wie bewegendes Panorama des 20. und 21. Jahrhunderts in Deutschland.
Die einzigartige Architektur der Gebläsehalle ist perfekter Rahmen für die Ausstellung, die Filme aus verschiedenen Epochen und Genres präsentiert. Ein Highlight ist das Kapitel über Fritz Langs wegweisenden Film „Metropolis“ mit einem Modell der Unterstadt und den bahnbrechenden Architekturzeichnungen und Kostümentwürfen von Erich Kettelhut und Aenne Willkomm.
Die Gebläsehalle mit ihren Maschinen und Schwungrädern wird nicht nur für „Metropolis“ zur kongenialen Ausstellungsarchitektur. Der kommerziell erfolgreichste Film des Dritten Reiches, der NS-Durchhaltefilm „Die Große Liebe“ mit Zarah Leander, ist in einem engen, bunkerartigen Tiefgeschoss zu sehen, die Flügelfiguren aus Wim Wenders „Himmel über Berlin“ dagegen sitzen und stehen in luftiger Hallenhöhe.

Angst essen Seele auf, 1974, Quelle: Deutsche Kinemathek, Berlin

Angst essen Seele auf, 1974, Quelle: Deutsche Kinemathek, Berlin

Neben filmischen Inkunabeln wie Volker Schlöndorffs „Blechtrommel“ oder Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“ werden auch weithin unbekannte Raritäten wie Veit Harlans „Der Herrscher“ mit drastischen Stahlwerk-Bildern in Schwarzweiß aus dem Jahr 1937 oder Ula Stöckls sinnlich-befreiender Farbrausch „Neun Leben hat die Katze“ von 1968 präsentiert.
Zugleich gewährt die Schau des Weltkulturerbes Völklinger Hütte und der Deutschen Kinemathek Einblicke in die Welt der Filmschaffenden, die Arbeit hinter den Kulissen und zeigt die Entwicklung der Filmtechnik im Laufe der Jahrzehnte. So wird die entfesselte Kamera der Weimarer Republik aus „Der letzte Mann“ sowie der Ski-Kamera für „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ Realität.
Fokus-Vitrinen quer durch die Jahrzehnte sind Monika Bauert, Artur Brauner, Marlene Dietrich, Robert Herlth, Monika Jacobs, Hildegard Knef, Wolfgang Kohlhaase, Asta Nielsen und Guido Seeber gewidmet und tragische Schicksale wie die von Kurt Gerron erinnern an die Schattenseiten der deutschen Filmbiografien.
Die Verdichterhalle, die an die Gebläsehalle anschließt, verwandelt sich in ein veritables Filmstudio der 1950er Jahre, in dem der Film „Mädchen in Uniform” von 1958 mit Romy Schneider und Lilli Palmer gedreht wird. Besucher:innen können das Klassenzimmer und die legendäre Kussszene erleben. Alles ist authentisch beleuchtet und ausgestattet bis hin zum Mikrofongalgen.
Schlusspunkt der Ausstellung ist ein Kino mit originaler Kinokasse, Projektoren und Kinostühlen. Hier wir mit Schnitt und Gegenschnitt das Gesamtpanorama nochmals erfahrbar: als Filmcollage kreuz und quer durch die Zeiten.
15. Oktober 2023 bis 18. August 2024
https://voelklinger-huette.org

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