Dieser Inhalt wurde archiviert. Er ist eventuell nicht mehr relevant.

Das Hans Otto Theater ist das Theater der Landeshauptstadt Potsdam. Seit der Spielzeit 2018/19 leitet Bettina Jahnke das Hans Otto Theater mit seinem 25-köpfigen festen Ensemble. Neben der regieführenden Intendantin prägen Regisseure mit vielseitigen Erfahrungen ebenso wie junge Regietalente das künstlerische Gesicht des Hauses. Sie zeichnen sich durch konzeptionell starke Handschriften mit politischer Schärfe, bildstarke Ästhetiken und Interesse an Ensemblearbeit aus.

VÖGEL von Wajdi Mouawad
Es ist wie der Big Bang, als sich Wahida und Eitan in einer New Yorker Universitätsbibliothek begegnen. Ein Buch über einen Grenzgänger zwischen verschiedenen Kulturen wird zum Ursprung ihrer kraftvollen Liebe. Frei wie Vögel fühlen sich die Amerikanerin arabischer Herkunft, die ihre Doktorarbeit schreibt, und der aus Berlin stammende Genetikstudent und Sohn jüdischer Eltern. Aber ihre Beziehung stößt bei Eitans Vater auf strikte Ablehnung. Dessen wütender Hass auf die Araber ist dem jungen Mann ein Rätsel, und er beginnt, seinen familiären Wurzeln nachzugehen. Eitan und Wahida reisen nach Israel, hier will er seine ihm unbekannte Großmutter treffen, wird aber bei einem Terroranschlag schwer verletzt. Wahida bewirkt, dass sich seine Eltern und Großeltern im Krankenhaus begegnen. Die Situation fordert alle heraus, sich der Vergangenheit zu stellen, jahrelanges Schweigen zu brechen und die eigene religiöse, kulturelle und nationale Zugehörigkeit neu zu bestimmen.
Der mehrfach ausgezeichnete Autor und Regisseur Wajdi Mouawad, 1968 im Libanon geboren, musste als Kind seine Heimat verlassen und wuchs in Frankreich und Kanada auf. Er leitet heute das Théâtre national de la Colline in Paris. Hier brachte er 2017 „Tous des oiseaux“ in eigener Regie zur Uraufführung.
Inszenieren wird das Stück die Intendantin des Hauses Bettina Jahnke.
Premiere September 2020

DIE JURY TAGT von Julia Schoch
Ein Denkmal zu Ehren der Friedlichen Revolution soll im Stadtzentrum errichtet werden. Vier stadtbekannte Menschen treffen zu einer Jurysitzung zusammen, um aus drei Denkmalentwürfen einen auszuwählen. Aber ihr Austausch über die Revolution ist nicht so friedlich wie der Umbruch selbst. Die anfangs simpel erscheinende Angelegenheit fördert neue und alte Feindseligkeiten zu Tage. Jeder und jede versucht, seine oder ihre Interessen durchzubringen, alle haben persönliche Ansprüche, eigene Bilder der Vergangenheit und vor allem: eigene Versionen der Gegenwart. Während zeitgleich ein Engel der Geschichteum Selbstfindung ringt und draußen etwas Neues – vielleicht eine neue Revolution? – im Gange ist, bleibt drinnen niemand das, was er oder sie zu Beginn für die anderen war.
Julia Schoch, 1974 in Bad Saarow geboren, lebt seit 1986 in Potsdam und ist als freie Schriftstellerin und Übersetzerin tätig. Sie fragt in ihrem Auftragswerk für das Hans Otto Theater: Gibt es eine „kollektive Erinnerung“ – und wenn ja, lässt sie sich verwalten? Wem gehört die Erinnerung und wem die Stadt, in der solch ein Denkmal stehen soll? Und tobt in einer von gegenläufigen Interessen beherrschten Gesellschaft nicht immer Krieg? Catharina Fillers führt bei dieser Uraufführung Regie.
Premiere Oktober 2020

89/90 von Peter Richter
Sie sind 16 und verbringen ihre Nächte im Freibad. Zum Schlafen fühlen sie sich viel zu jung. Ihr Land, die DDR, liegt im Sterben, aber vor ihnen breitet sich das Leben aus. Es ist der Sommer 89. Widerstand und Aufbruch liegen in der Luft. Auf den Demonstrationen wird erst „Freiheit“ gerufen, dann bald aber vor allem: „Deutschland“ und „Westgeld“. Während die Jugendlichen Musik machen und nachts in Kneipen darüber nachdenken, ob zwischen dem einen stupiden System und dem nächsten, vermutlich genauso stupiden System noch etwas anderes möglich sein könnte, drängen immer mehr Glatzen mit Baseballschlägern auf die Straße. Man muss sich entscheiden: Entweder du stehst links oder rechts, bist Punk oder Fascho. Es kommt zu blutigen Schlachten zwischen den Lagern. Und dann ist plötzlich die D-Mark da, die ganze Stadt wird mit Werbelogos für Coca-Cola oder Marlboro zugekleistert. Der Kapitalismus überrollt das Land.
Peter Richters 2015 für den Deutschen Buchpreis nominierter Roman zeichnet aus der Perspektive von Jugendlichen in flirrendem, atmosphärisch dichtem, auch lakonisch witzigem Ton ein Land im radikalen Wandel. Es geht um eine wilde, schwindelerregende, hoch politische Zeit zwischen Altem und Neuem, Verheißung und Desillusion. In dieser zugespitzten Situation zeigen sich konturscharf die großen gesellschaftlichen Fragen, die auch noch 30 Jahre später unsere Gegenwart umtreiben.
Ins Szene setzen wir dieses Stück die in Wien geborene Theaterregisseurin Fanny Brunner.
Premiere Oktober 2020

MARIA STUART von Friedrich Schiller
Seit 19 Jahren ist Maria Stuart die Gefangene Elisabeth Tudors. Der Beihilfe zum Gattenmord verdächtigt, floh sie aus Schottland, um bei ihrer englischen Verwandten Schutz zu finden. Aus Angst, Maria könnte den englischen Thron beanspruchen, setzte die protestantische Königin die katholische Rivalin fest. Das Trauerspiel beginnt wenige Tage vor der Hinrichtung Maria Stuarts. Die Entscheidung ist längst gefallen, doch Maria schart Anhänger um sich, die versuchen, das Todesurteil abzuwenden. Ein Mordanschlag auf die englische Königin scheitert, aber Elisabeth zögert, die Hinrichtungsurkunde zu unterschreiben. Doch der Druck durch ihre Berater wird immer größer. Zwei Frauen zeichnet Schiller in seinem Werk: auf der einen Seite die jungfräuliche Königin, die sich alle Emotionen versagt, um frei und unabhängig zu bleiben, und dafür mit Einsamkeit bezahlt und auf der anderen die sinnliche Gegenspielerin, die sich Männer zunutze zu machen versteht und mit allen Mitteln um ihr Leben kämpft. Aufgerieben zwischen ihren Ratgebern und deren politischen Interessen, scheitern beide Frauen. Maria Stuart verliert ihren Kopf, Elisabeth ihren engsten Vertrauten.
Schillers Königinnendrama, 1800 uraufgeführt, ist ein Politthriller, der die Möglichkeit moralischen Handelns in der Politik hinterfragt. Die renommierte Theaterregisseurin Alice Buddeberg wird Schillers Drama inszenieren.
Premiere Oktober 2020

DER VORNAME von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière
Pierre und seine Frau Elisabeth wollen zu Hause ein gemütliches Abendessen mit ihren engen Vertrauten verbringen. Beide sind beruflich mit Literatur beschäftigt; sie hat sich ihm zuliebe und der beiden Kinder wegen mit dem Lehrerberuf begnügt und ihn großzügig unterstützt, Professor zu werden. Es soll ein entspannter Plauderabend werden, nach dem man leicht berauscht und zufrieden ins Bett fällt. Eingeladen sind Elisabeths Bruder Vincent, seine schwangere Lebensgefährtin Anna und ihr gemeinsamer Jugendfreund Claude. Weil Anna sich verspätet, kommt die Konversation über ihren „Zustand“ in Gang und die Frage, ob denn schon ein Vorname für das Baby gefunden sei. Natürlich wird es ein Junge, und Vincent beginnt ein Ratespiel mit den Anwesenden. In Streitlust oder aus einer Laune heraus provoziert er schließlich mit der Bekanntgabe, dass sein noch ungeborener Sohn Adolphe heißen soll. Vincents indifferente Haltung, ob man seinem Kind den Vornamen des größten Kriegsverbrechers aller Zeiten geben darf, ist nur der Anfang einer Reihe unliebsamer Wahrheiten, die der Abend über den Zustand der Runde zutage fördern wird. Wie steht es wirklich um Pierre und Elisabeth? Sucht sie Anerkennung mit exotischen Kochkünsten? Warum wird Claude, der stille Musiker, wie ein rohes Ei behandelt? Weil sich Fragen mit Rücksicht auf seine vermeintliche sexuelle Neigung verbieten? Und was steckt wirklich hinter dem egomanischen Vincent, der das größte Auto fährt und den teuersten Wein spendiert, nur um im Mittelpunkt zu stehen? Es ist ein Abend voller Überraschungen, der die Beziehungen dieser so beispielhaften Freundesrunde nach den scharfen Wortgefechten in einem neuem Licht erscheinen lässt und jedem die Chance bietet, seine Lebenssituation zu überprüfen.
Der Shootingstar unter den jungen Regisseuren, Moritz Peters wird diese Tragikkomödie inszenieren.
Premiere November 2020

DIE MITWISSER von Philipp Löhle
Begeistert präsentiert Theo seiner Frau Anna die neueste Anschaffung – Herrn Kwant. Diese Person steht ihm nach Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen jederzeit uneingeschränkt zur Verfügung. Herrn Kwants Dienste eröffnen fantastische Möglichkeiten, denn er weiß das Wetter von morgen, was genau vor 100 Jahren geschah, welches Produkt dem Paar den besten Kaffee zubereitet oder wann für ihren Kinderwunsch der ideale Zeitpunkt gekommen ist. Auch seine Arbeit am Institut des allgemeinen Wissens erledigt Theo mit Herrn Kwants Hilfe nun viel effizienter. Bald haben immer mehr Menschen einen solch nützlichen Begleiter. Als Theo jedoch seinetwegen Job und Frau verliert, sieht er die Geschehnisse schlagartig mit neuen Augen. Er ist entschlossen, den Kampf gegen die zunehmende „Kwantifizierung“ aufzunehmen – aber wie wird sein Umfeld darauf reagieren?
Autor Philipp Löhle kreiert in diesem Stück ein analoges Paralleluniversum und treibt rasant und bissig das Thema Big Data und Co. auf die Spitze. Regisseur Marc Becker, der zuletzt „Viel gut essen“ auf die Potsdamer Bühne brachte, inszeniert die aberwitzige Geschichte in der Reithalle.
Premiere Dezember 2020

www.hansottotheater.de