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Crying in Public ist die erste Einzelausstellung des portugiesischen Künstlers Pedro Barateiro in einer deutschen Institution. In seinen Werken – darunter Skulpturen, Zeichnungen, Filme, Texte und Performances – befragt er die Mechanismen und Strukturen post-kapitalistischer Gesellschaften.

Für Barateiro liegt der Ausgangspunkt der Entfremdung im Beginn der modernen Gesellschaft und der europäischen Kultur. Letztere beruht insbesondere auf der landwirtschaftlichen Beherrschung der Natur sowie einer jahrhundertelangen territorialen Ausweitung. Damit verbunden taucht exemplarisch der Wind als Element, das einerseits für Freiheit, Bewegung, Wandel steht und andererseits für Eroberung und Unterdrückung, in verschiedenen seiner Werke auf.

Pedro Barateiro: Crying in Public. Installationsansicht Kunsthalle Münster 2023. Courtesy the artist und Galeria Folomena Soares, Lissabon. Foto: Volker Renner

Pedro Barateiro: Crying in Public. Installationsansicht Kunsthalle Münster 2023. Courtesy the artist und Galeria Folomena Soares, Lissabon. Foto: Volker Renner

Denn die Fähigkeit, Wind und Wasserströmungen zu manipulieren sowie Navigationsinstrumente zu entwickeln, brachte eine Gruppe von weißen Menschen dazu, sich über andere zu erheben, Genozide zu rechtfertigen, ganze Menschengruppen zu versklaven und durch bloße Anwesenheit zu verseuchen. Alles unter dem hehren Ziel, diese zu „zivilisieren“. Befreit von der Religion, trugen die Entwicklung der Wissenschaft sowie die auf den Menschen ausgerichteten Mythen (oder multiplen Fiktionen) dazu bei, die Idee des privaten subjektiven Kapitals als ultimative Form der Emanzipation des menschlichen Körpers und Geistes zu verbreiten. Ausbeutung und Unterdrückung ebenso wie Abhängigkeit nahmen ihren Lauf, führten zu einer zunehmenden Entfremdung. Die Kultur des Unternehmertums, die das kapitalistische System geprägt hat, nährt die Idee, dass das Individuum selbst dafür verantwortlich ist, seinen Weg zu gehen und dabei gegen alles und jeden zu kämpfen. Es wurde ein System des Wettbewerbs genährt, welches nur der abstrakten Kapitalproduktion zugutekommt, sich ansonsten aber durch Kälte und Gleichgültigkeit gegenüber dem Anderen auszeichnet. Der Zusammenprall des Selbst mit der Umwelt ist in diesem Szenario unvermeidlich.
Zur Dekolonisation unserer Körper und Köpfe nutzt Barateiro die Poesie als Werkzeug. Auf sehr feine und leise Art wird hier einer Anästhesie entgegengewirkt, die Empfindungslosigkeit aufgebrochen und jenes Moment in eine Form übersetzt.
bis 1. Oktober 2023

www.kunsthallemuenster.de