Der irische Autor Samuel Beckett gehört neben Eugène Ionesco zu den bekanntesten und einflussreichsten Vertretern des absurden Theaters. Diese völlig neue Theaterform entstand unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. In Stücken wie „Warten auf Godot“, „Endspiel“ oder „Die Nashörner“ werden Sinn- und Lebensfragen der Menschen in einer desillusionierten und hoffnungslosen Welt radikal neu verhandelt.
Becketts 1958 uraufgeführtes Stück „Das letzte Band“ erzählt von der unheimlichen Präsenz längst vergangener Erfahrungen und Eindrücken in unserer Gegenwart. Immer wieder fragt sich das alte Ich, wie es zu dem geworden ist, was es heute ist. Sind wir nicht alle eine Zusammensetzung aus einzelnen Erinnerungsstücken und steckt nicht in uns allen eine unstillbare Sehnsucht nach längst vergangenen Erinnerungen? Wie gerne würden auch wir unseren alten Ichs lauschen und Erinnerungen wieder lebendig werden lassen. Der große Erinnerungsschriftsteller Marcel Proust hat einmal gesagt: „Die Vergangenheit entflieht nicht, sie bleibt und verharrt bewegungslos.“
Krapp, ein neunundsechzigjähriger erfolgloser Schriftsteller, entdeckt in seinem Tonbandarchiv eine Aufnahme, die er einst als Neununddreißigjähriger besprochen hat und hört nun seinem jüngeren Ich zu. Doch selbst dieses jüngere Ich lauschte damals bereits dem zehn Jahre jüngeren Schriftsteller. Die Aufnahme verwandelt sich sukzessive in eine unaufhaltsame Zeitenspirale, denn Krapp steigt immer tiefer in den Brunnen seiner eigenen Vergangenheit hinab.
Premiere 19. Mai 2023
weitere Aufführungen: 21. Mai, 10. und 11. Juni 2023