Der Mittelmeerraum wird heute weitgehend als Teil des universellen Erbes wahrgenommen, das man gerne mit allen seinen Bewohnern und darüber hinaus teilen würde. Woher und von wem stammt diese Idee? Wie wurde sie geprägt und von wem wurde sie überbracht? Wie wurde sie nach und nach „erfunden“? Wie gültig ist sie heute? Das sind die großen Fragen, die die neue semipermanente Ausstellung im Mucem aufwirft, die an die im November 2017 eröffnete Ausstellung „Connectivités“ anschließt. 

Die Ausstellung befasst sich mit der Frage, wie der Mittelmeerraum als Teil des Kulturerbes konstruiert wurde: Naturerbe, künstlerisches Erbe und völkerkundliches Erbe – drei Ansätze, deren Entstehung zeitlich vergleichbar ist. Sie will zeigen, wie Museen das Thema Mittelmeer inszeniert haben. Die naturwissenschaftlichen Museen wurden um die Produkte bereichert, die die großen militärischen und später wissenschaftlichen Eroberungszüge zusammengetragen haben. In den Museen der Schönen Künste wurden im Zuge der „Grand Tour“ zuerst die Zivilisationen der Vergangenheit zur Schau gestellt, dann die Bilder eines erdichteten Morgenlands, die ein verfälschtes Mittelmeerbild enstehen ließen. Die Völkerkundemuseen, die zu der Zeit entstanden, als die Kolonialisierung des südlichen und östlichen Mittelmeerraums durch die europäischen Staaten einsetzte, befassten sich ihrerseits mit Gesellschaften, die weit entfernt waren, sei es geografisch oder in der Wahrnehmung kultureller Unterschiede. Das aufrichtige wissenschaftliche und menschliche Interesse am Anderen ist dort manchmal nur schwer von den Interessen und Unternehmungen der Kolonialmächte zu unterscheiden.

James Robertson, Les Cariatides de l'Erechteion, Athènes, 1853, tirage photographique, 30,8 x 26 cm, Mucem, inv. 2023.14.1 © Mucem

James Robertson, Les Cariatides de l’Erechteion, Athènes, 1853, tirage photographique, 30,8 x 26 cm, Mucem, inv. 2023.14.1 © Mucem

Die Ausstellung wird das Mucem und seine Identität in einer historischen und disziplinären Dynamik präsentieren und seine Gründungssammlungen in ihren Beziehungen zu anderen Bereichen einordnen, um seine Herkunft, aber auch seine Einzigartigkeit in der Museumslandschaft zu zeigen. Es werden etwa 300 Werke (Gemälde, Skulpturen, Kunstgegenstände, Grafiken, Möbel, Alltagsgegenstände, Kostüme usw.) gezeigt, die hauptsächlich aus den Sammlungen des Mucem und aus großen französischen Sammlungen stammen.
5. Juni 2024 bis 31. Dezember 2026

www.mucem.org