Reisen verschiebt und weitet den Horizont. Absichtsvolles Reisen kann diesen Effekt bewusst herbeiführen und verstärken. Dessen waren sich schon die englischen „Grand-Touristen“ vor 400 und mehr Jahren bewusst. Die deutschen Kavaliere haben es ihnen gleichgetan und bei Bürgern und Bürgerinnen den Ehrgeiz geweckt, ebenfalls dem eigenen Bildungshunger und der Abenteuerlust Genüge zu tun.

Nach Monumenten, Landschaften und Berühmtheiten rückte nach und nach auch die Musik ins Zentrum des Interesses. Der wohl bedeutendste „Grand-Tourist“ in Sachen Musik war der Engländer Charles Burney, der sich 1770 und 1772 von London aus auf den Weg machte, um das Musikleben des Kontinents zu erforschen – darunter auch das von Berlin und Potsdam. Seine Reisen vermitteln uns ein lebendiges Bild des musikalischen Treibens seiner Zeit. Diese Etappen werden beim Eröffnungskonzert mit dem Countertenor Max Emanuel Cencic und dem {oh!} Orkiestra, vom Ensemble Diderot sowie am Abschlusswochenende von Apollo’s Cabinet musikalisch nachgezeichnet. Musikmetropolen wie London, Paris, Wien oder Venedig werden vom Kammerorchester Basel mit Sandrine Piau unter der Leitung von Giovanni Antonini, vom Ensemble a nocte temporis und von Micrologus eindrucksvoll porträtiert.

Die Städte und Landschaften Italiens galten als Inbegriff kultureller Sehnsüchte – Rom und Neapel als Höhepunkte jeder Grand Tour. Das Open-Air-Konzert am Alten Markt mit Stars wie Giulia Semenzato, Dorothee Oberlinger, Evgeni Sviridov und Avi Avital lädt – wie auch Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ mit Shunske Sato und dem European Union Baroque Orchestra – schon am Eröffnungswochenende in das „Land, wo die Zitronen blühn“. Exotische Reize und fremde Düfte prägen auch die Oper „Orlando generoso“ von Agostino Steffani unter der musikalischen Leitung von Dorothee Oberlinger sowie das Open-Air-Konzert „Indian Swan Lake“ vor dem Orangerieschloss Sanssouci.

Tomasz Ritter © M. Kolodziejczyk

Tomasz Ritter © M. Kolodziejczyk

Reisende aus verschiedenen Jahrhunderten kommen durch Per-Sonat, das Vokalensemble SLIXS oder das B’Rock Orchestra & Vocal Consort zu Wort. Auch emotionale Aspekte des Reisens stehen im Fokus – etwa der Abschiedsschmerz der Dido in Galuppis Oper „Didone abbandonata“ in einer konzertanten Aufführung im Nikolaisaal Potsdam. Themen wie freiwillige oder erzwungene Ausreisen – etwa bei Alexander von Humboldt, bei Vertriebenen wie Georg Kreisler oder bei Verschollenen aus Hameln – fließen ebenfalls ein.

Zwei Wochen lang wird Potsdam zum Ausgangspunkt musikalischer Reisen, die neue Horizonte eröffnen – von Alter Musik bis zu Chansons, von Konzerten und Opern für Musikliebhaber bis hin zu Mitmachprogrammen für Kinder. Bei den „Grand Tours“ durch die Potsdamer Kulturlandschaft spielt auch nachhaltiges Reisen eine Rolle – beim traditionellen Fahrradkonzert, einem Wanderkonzert oder – für besonders sportliche Kulturbegeisterte – bei einer wahren Marathon-Führung durch den Park Sanssouci. In jedem Fall ein stimmungsvoller Auftakt für einen erfüllten Sommer!
13. bis 29. Juni 2025

www.musikfestspiele-potsdam.de