In dem bislang unsanierten Pavillonbau der Ostmoderne wird am 10. Juni die 14. OSTRALE und 4. OSTRALE Biennale beginnen. Sie wird unter dem Titel „kammer_flimmern“ bis zum ersten Oktober auf 3.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche 101 Positionen (ca. 350 Werke) zeitgenössischer Kunst präsentieren.
Mit den für die diesjährige Biennale kuratierten Werken will das OSTRALE Zentrum für zeitgenössische Kunst Orientierung in unübersichtlichen Zeiten geben. Die Stiftung Kunst und Musik für Dresden unterstützt die OSTRALE Biennale zum siebten Mal – und wie bereits seit ihrem gut zehnjährigen Bestehen erneut in besonderer Weise. Wie deren Vorstandsvorsitzende Martina de Maizière heute bekanntgab, hat die Stiftung die Kosten für die Entwicklung und Präsentation der Arbeit des Kunstduos ASYNCHROME im Rahmen der Biennale übernommen.
Martina de Maizière Vorstandsvorsitzende der Stiftung Kunst und Musik für Dresden, betont: „Die Entscheidung, die OSTRALE Biennale erneut in der robotron-Kantine zu zeigen, rückt diesen besonderen Ort einmal mehr in unser Bewusstsein. Mit der spektakulären Arbeit an der Fassade des Gebäudes, die auch ein gewisses Geheimnis in sich bergen wird, soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass dies ein Ort für die zeitgenössische bildende Kunst mitten in unserer Stadt ist. Wir freuen uns, dass wir hierfür eine maßgebliche Unterstützung leisten können.”
Das Kunstduo ASYNCHROME (Marleen Leitner, Michael Schitnig, Graz/Wien) beschäftigt sich über das Medium der Zeichnung mit dem „Individuum im Zeitalter des Überwachungskapitalismus“. Der aktuelle Fokus liegt auf dem Körper in der sich schnell entwickelnden Welt des digitalen Zeitalters. Mit dem weithin sichtbaren Werk an der Fassade der robotron-Kantine soll auch deren Wandel zum Kunstort sichtbar gemacht werden.Das Kunstduo war mit eindrucksvollen Werken bereits auf der Ostrale Biennale 2021 vertreten (Teile der Serie „Autopropaganda – or Capital is ab bad Mediator“, 2018, UV-Druck auf Plexiglas). ASYNCHROME hatte bereits während der Pandemie mit der fortlaufenden Serie der „Body Works“ begonnen. Die Arbeit ist inspiriert durch die Soziologie des Körpers – eine junge Teildisziplin der Soziologie –, welche das wechselseitige Verhältnis von Körper und Gesellschaft untersucht. Dabei stehe, so Marleen Leitner stellvertretend für das Kunstduo ASYNCHROME, einerseits das große Ringen um Strukturen, Technologien und Ressourcen, andererseits das Entstehen neuer Allianzen und Abhängigkeiten im Mittelpunkt:
„Gesellschaftliche Werte, Normen, Wissens- und Ideensysteme verlagern sich lokal wie global und nehmen Einfluss auf Menschen, Umgebungen und damit auch auf unsere Körper selbst. Dahingehend wird die Zeichnung wie auch der gesellschaftliche Körper einer Zerreißprobe unterzogen. Das Sujet ist dafür in mehrere Segmente aufgeteilt, die in Verbindung und Spannung zueinanderstehen. Der Schnitt als Element ermöglicht Durchsichten, Ein- und Ausblicke, eine zusätzliche Wahrnehmungsebene nicht nur auf die dahinterliegende Struktur, sondern auch auf die Erzählung und die gezeichneten Körper. Die Installation ringt durch die Teilung mit sich selbst, entwickelt sich über Gerüste und Strukturen weiter und verbindet sich in Körpern miteinander – für eine gemeinsame Zukunft.“
Andrea Hilger, Direktorin des Ostrale Zentrums für zeitgenössische Kunst, ist dankbar für die kontinuierliche Unterstützung der Biennale: „Wir wissen es sehr zu schätzen, dass die Stiftung Kunst und Musik für Dresden uns seit Jahren durch Höhen und Tiefen begleitet. Und wir freuen uns, in Martina de Maizière eine Verbündete zu haben, die unsere Vision einer Verstetigung des zeitgenössischen Ausstellungsgeschehens in einer dafür niedrigschwellig sanierten robotron-Kantine teilt.“
kammer_flimmern
Der Titel der diesjährigen Ausstellung reflektiert den Menschen in einer zunehmend zerrissenen Gesellschaft und die großen Herausforderungen, denen diese sich gegenübersieht, während Desinformationen zunehmen – zugleich ist das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Solidarität größer als je zuvor.
Wir sind konfrontiert mit akuten und gewaltigen Fragen, Problemen und Herausforderungen wie der weltweiten sozialen Ungleichheit, dem Schutz unseres Planeten, einer andauernden Pandemie und dem Widerstand gegen Aggressoren. Der Versuch, sich objektive und fundierte Informationen zu diesen Themen zu beschaffen, fühlt sich mitunter an wie der Kampf David gegen Goliath. Medienkompetenz ist ein immer wichtiger werdendes Handwerkszeug unserer Zeit. Kritische Distanz ist unentbehrlich, um Hetze, Propaganda und Falschinformationen entlarven und ihnen Paroli bieten zu können.
Aber was passiert in diesen Zeiten der Ohnmacht und Überforderung mit uns Menschen, mit unserer körperlichen und geistigen Gesundheit? Das soziale Kapital – Vertrauen, Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung und Kompromissfähigkeit – scheint angeschlagen. In diesem Sinne sollten wir alle soziale Kapitalisten sein und Wachstum propagieren.
Vielleicht verbirgt sich in den Spannungen auch eine Chance, denn wenn Strukturen offenliegen, werden die einzelnen Bausteine Stück für Stück sichtbar. Erinnern wir uns an das Konzept der Urhütte – vier Baumstämme und ein paar Äste für das Dach. Dieses archaische Bild bleibt ein Symbol für die Rückkehr zum Kern der Dinge. Es fragt nach Grundsätzen.
Der Mensch bewegt sich stets in einer Sphäre zwischen Wirklichkeit und Illusion – wie auch die Kunst. Welche Wahrnehmungen spiegelt uns die kreative Unruhe der zeitgenössischen Kunst wider? Welche Möglichkeiten für eine zukunftsfähige Gemeinschaft werden diskutiert? Zeigen uns die Bausteine, die wir vielleicht entdecken, was uns spaltet oder was uns eint? Kunstwerke sind wie Spuren und erweitern unser Erfahrungswissen. Sie können uns helfen, besser zu verstehen. Kreativität als Ressource wächst bei intensivem Gebrauch, anstatt zu schwinden – das kann nur ein Mehrwert sein.
O23 erneut in der robotron-Kantine
Der typische Pavillonbau der siebziger Jahre wurde zwischen 1969 und 1972 vom Architektenkollektiv Herbert Zimmer, Peter Schramm und Siegfried Thiel errichtet. Als einer der letzten noch verbliebenen Einzelbauten in Dresden steht die robotron-Kantine exemplarisch für modernes Bauen in der DDR. Sie bietet ideale Voraussetzungen für die Präsentation zeitgenössischer Künste im Zentrum Dresdens.
Seit dem Frühjahr 2021 haben die OSTRALE – Zentrum für zeitgenössische Kunst – und das Kunsthaus Dresden – Städtische Galerie für Gegenwartskunst als Einrichtung der Museen der Stadt Dresden erfolgreich Ausstellungen und Kulturveranstaltungen in der robotron-Kantine durchgeführt.
10. Juni bis 1. Oktober 2023, Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 19 Uhr
www.ostrale.de