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Er ist wohl der international bedeutendste deutsche Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine Lebensgeschichte ist atemberaubend, seine Vielfalt, sich künstlerisch auszudrücken, außergewöhnlich, ja genial. Mit über 80 Arbeiten, darunter Lithografien, Radierungen, Frottagen, Collagen und Skulpturen, spannt die Gmünder Schau einen Bogen von den 1920er- bis in die 1970er-Jahre und lädt die Besucher:innen damit erstmals im Süden Österreichs ein, in die fantasievollen Bildwelten von Max Ernst (1891-1976) einzutauchen. Ergänzt wird die Ausstellung durch eindrucksvolle Fotografien des großen Künstlerfotografen Edward Quinn, den eine tiefe Freundschaft mit Max Ernst verband und der noch zu Lebzeiten des Künstlers eine umfangreiche Biografie von Max Ernst veröffentlichte.

Max Ernst. Der Name ist Programm. Kein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts hat sich einer solchen künstlerischen Ausdrucksvielfalt bedient, wie er. Der 1891 in Brühl bei Köln geborene Max Ernst suchte seine Bestimmung zunächst in der Auseinandersetzung mit Philosophie, Philologie und Psychologie. Nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs, in dem er als Soldat das sinnlose Sterben einer ganzen Generation junger Männer miterleben musste, gründete er, als künstlerische Reaktion darauf, gemeinsam mit Hans Arp und Theodor Baargeld die Kölner Dada-Gruppe. Aus Max Ernst wurde Dada-Max. Nach einer gescheiterten Ehe mit der jüdischen Kunsthistorikerin Luise Straus verlegte er ab den 1920-er Jahren seinen Lebensmittelpunkt nach Paris, Deutschland war ihm zu „eng“ geworden.

Max Ernst, Vögel in Gefahr, Buch mit acht Aquatintaradierungen, 1975 (©Bildrecht, Wien 2022)

Max Ernst, Vögel in Gefahr, Buch mit acht Aquatintaradierungen, 1975 (©Bildrecht, Wien 2022)

Gemeinsam mit Paul Éluard und André Breton wurde er zu einem wesentlichen Wegbereiter des Surrealismus und damit einer geistigen Bewegung, die sich als Lebenshaltung und Lebenskunst gegen tradierte Normen richtete und ihren Ausdruck in Literatur, Kunst und Film fand. Traumhaftes, Unbewusstes, Phantastisches, ja Absurdes kennzeichnen ab da Max Ernsts künstlerische Arbeit. Und wenn auch in seinem Werk, im Unterschied zu den anderen großen Künstler:innen seiner Zeit, keine homogene, einheitliche Handschrift zu erkennen ist, so ist es gerade die ungeheure Vielfalt an Ausdrucksformen, derer er sich bediente, die für sein Werk prägend ist. Zeitlebens experimentierte der Künstler mit den unterschiedlichsten Materialien und Techniken. Er gilt als Erfinder der Frottage (Abreibetechnik) und der Grattage (Abkratzungen) und erfand für sich die Technik Decalcomanie (Abklatschtechnik) neu. Sein umfangreiches Werk umfasst Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Collagen. Daneben schuf er Mappenwerke mit Gedichten, Collageromane und Malerbücher.
So wie auch Picasso sein Alter Ego in Form eines (mythologischen) Stieres auf die Leinwand bannte, bediente sich Max Ernst eines Alter Egos namens Loplop: Ein Vogel, stets auf zwei Beinen stehend, den Rumpf wie eine Staffelei als Präsentationsfläche für unterschiedlichste Motive zeigend, zieht sich der treue Loplop in unterschiedlichsten Techniken und Varianten durch das Werk von Max Ernst.
So vielfältig wie sein Werk gestaltete sich auch sein Lebensweg. Zahlreiche Künstlerinnen, wie Gala Éluard, die spätere Frau von Dalí, oder die britisch-mexikanische Malerin Leonora Carrington werden zu seinen Weggefährtinnen. Verfolgt durch die Nationalsozialisten als „entarteter“ Künstler, gelingt ihm 1943 die Ausreise nach New York, auch mit Hilfe der bekannten Kunstmäzenin Peggy Guggenheim, mit der ihn eine kurzzeitige Ehe verband. Als Kurator einer Ausstellung über US-Künstlerinnen in New York lernte er die amerikanische Malerin Dorothea Tanning kennen, die er 1946 ehelichte und mit der er zunächst abgeschieden in Arizona lebte. 1953 kehrte das Paar nach Frankreich zurück. Ab 1969 bis zu seinem Tod im Jahr 1976 lebten beide in einer großen Villa in Seillans in der Provence.
6. Mai bis 1. Oktober 2023

www.künstlerstadt-gmünd.at