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Theater ist Ort der Unterhaltung und der Auseinandersetzung, der Verzauberung, der Utopien und der Identitätsstiftung, ist Ort der Wahrnehmung gesellschaftspolitischer Zusammenhänge und Zukunftswerkstatt. Theater ist Ort der Suche nach Werten und Orientierung und Spiegel seiner Zeit und natürlich ist Theater immer Ort des gemeinschaftlichen Erlebnisses.
Das Theater der Stadt Münster ist alles in einem! Als größte und traditionsreichste Kultureinrichtung Münsters sieht das Theater Münster mit seinen fünf Sparten – Musiktheater, Schauspiel, Tanztheater, Konzert und Jungem Theater – die Vermittlung dieser Vielfalt an ein breites Publikum als seine zentrale Aufgabe.
In jeder Spielzeit stehen im Großen Haus, im variablen Kleinen Haus und in der neuen Spielstätte U2 rund 30 Premieren und 600 Vorstellungen auf dem Spielplan. Sie bilden ein breit gefächertes Programm aus Bekanntem und Neuem – angefangen von den großen Klassikern bis hin zu Ur- und Erstaufführungen.

Wer hat meinen Vater umgebracht nach dem Roman von Édouard Louis
Mit seinem dritten Roman „Wer hat meinen Vater umgebracht” setzt Édouard Louis das autobiographische Schreiben fort und schließt eine Klammer um die Familienerzählung seines Erstlingswerks Das Ende von Eddy. Aufgewachsen in der nordfranzösischen Provinz, berichtet er von einem Leben gefangen in brutalen Verhältnissen, der Entdeckung seiner Homosexualität und dem Wunsch, das enge, ihn umgebende Milieu zu verlassen – was schließlich zum Bruch mit der eigenen Familie führt. In WER HAT MEINEN VATER UMGEBRACHT kehrt der mittlerweile in Paris lebende Autor zu seinen Wurzeln zurück und versucht das eigene Verhältnis zum Vater aufzuarbeiten. Dessen Gesundheitszustand ist erschreckend desolat ebenso wie das politische System Frankreichs, was Louis zum Anlass nimmt, beides miteinander in Bezug zu setzen und zu dem Schluss zu kommen, dass die regierenden Eliten der letzten Jahrzehnte seinem Vater mit ihren neoliberalen Politiken und dem damit einhergehenden Sozialabbau buchstäblich das Rückgrat gebrochen hätten. Louis’ Abrechnung mit den französischen Präsidenten und die gleichzeitige Aussöhnung mit seiner Familie ist eine provozierende Attacke gegen das politische System und ein aufwühlendes Vater-Sohn Drama.
20. März und 15. Mai 2021

Die Möwe von Anton Tschechow
Die Möwe, entstanden 1895, ist ein tragikomischer Unglücksreigen. Keine der Figuren der kleinen Sommergesellschaft, die Tschechow irgendwo in der russischen Provinz versammelt, fühlt sich in der richtigen (Lebens-)Rolle. Polina, die Frau des Gutsverwalters, liebt den Arzt Dorn, kann sich jedoch nicht aus ihrer unglücklichen Ehe befreien. Mascha, ihre Tochter, liebt Konstantin abgöttisch, doch sie heiratet den Lehrer Medwedenko. Konstantin, Sohn der Schauspielerin Arkadina, liebt Nina, eine junge Frau vom anderen Ufer des Sees. Nina wiederum liebt Trigorin, den erfolgreichen Schriftsteller, der mit Arkadina zusammen ist und Arkadina schließlich, liebt nur sich selbst. Bei der Aufführung eines Theaterstücks, das Konstantin geschrieben hat und das von Nina gespielt wird, kommt es zum Eklat, denn Arkadina verspottet aus Neid und Missgunst das Stück ihres Sohnes. In einem Anfall von Wut schießt Konstantin eine Möwe vom Himmel und legt sie Nina zu Füßen. Zwei Jahre später trifft sich die ganze Gesellschaft wieder. Die Möwe steht jetzt ausgestopft im Arbeitszimmer von Konstantin, der ein anerkannter Schriftsteller geworden ist. Auch Nina hat sich ihren Traum erfüllt, doch sie spielt nur in der Provinz und ein Kind von Trigorin hat sie verloren. Als sie schließlich bei Konstantin erscheint, sieht er es als Zeichen für die Erfüllung seiner großen Sehnsucht, doch das ist ein tragischer Irrtum.
Anton Tschechow ist ein einzigartiger Menschenbeobachter. Seine Figuren verzweifeln und scheitern so systematisch, dass es schon wieder komisch ist. Seine Modernität zeigt sich besonders in seinen scharfen Gesellschaftsanalysen. Mit DIE MÖWE zeichnet er das morbide Porträt einer zukunftslosen Welt, die voll Überdruss und Selbstmitleid nur noch um sich selbst kreist.
Premiere 17. April 2021
weitere Aufführungen: 18 und 30. April; 2., 10., 11., 26. und 28. Mai; 4. und 16. Juni 2021

Bruder Eichmann von Heinar Kipphardt
Mit neuen Analogie-Szenen von Lukas Hammerstein
Bruder Eichmann ist das letzte Stück von Heinar Kipphardt und zählt zu den bedeutendsten Texten des Dokumentartheaters, die sich mit der Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus auseinandersetzen. Heinar Kipphardt rekonstruiert darin die Verhöre, die mit Adolf Eichmann bis zu seiner Hinrichtung 1962 in Israel geführt wurden, seine Biografie, sowie den von ihm mitorganisierten Völkermord an den Juden. Das Stück zeigt die Entwicklung eines gewöhnlichen jungen Mannes zu einer Figur, die ihr Gewissen an die nächst höhere Instanz delegiert und sich immer nur als ein Rädchen im Getriebe begreift. Brisant an Kipphardts Stück waren darüber hinaus die sogenannten Analogie-Szenen, in denen der Autor diese »Eichmann-Haltung« verstörend mit der Gegenwart in Verbindung brachte. Kipphardt war der erste, der nicht nur auf die bösen Väter zeigte, sondern auf den Eichmann »in uns«.
Die Frage, die 1983 zum Skandal führte, ob mit der Gleichsetzung des Holocaust und anderen Verbrechen eine Banalisierung einhergehe, birgt heute nicht weniger Sprengkraft. In Zeiten von Geschichtsvergessenheit und gefährlich zunehmender rechtsradikaler und antisemitischer Tendenzen in Deutschland, stellen wir Kipphardts Text erneut zur Diskussion. Der Politikjournalist, Prosa- und Theaterautor Lukas Hammerstein wird für die Inszenierung am Theater Münster die umstrittenen Analogie-Szenen neu schreiben.
Premiere 6. Mai 2021
weitere Aufführungen: 9., 13. und 29. Mai; 23. und 25. Juni; 2. und 3. Juli 2021

www.theater-muenster.com