Wer kennt ihn nicht, den Struwwelpeter von Dr. Heinrich Hoffmann, Kinderarzt und Humanist? Als Meisterwerk der „Schwarzen Pädagogik“ spukt er seit 1845 durch alle Kinderzimmer und hat Generationen mit dem brennenden Paulinchen, dem Hanns Guck-in-die-Luft, dem Suppen-Kaspar und ihren Leidensgefährten traumatisiert! Zwei geniale Engländer, Phelim McDermott und Julian Crouch, knöpften sich, gemeinsam mit der Londoner Kultband The Tiger Lillies, den Stoff vor einigen Jahren noch einmal vor. Das Resultat ist eine grotesk-makabre Adaption, in der Hoffmanns Verse mit schwarzem Humor und wilden Bildern noch weiter zugespitzt wurden, gepaart mit einer wilden musikalischen Mischung aus Moritat, Blues und Zirkuskapelle – eben eine echte Junk-Oper. Freuen sie sich auf einen mehrfach preisgekrönten, schrill-humorvollen Abend zwischen poetischem Märchen und pädagogisch völlig unkorrekter Jahrmarkts-Horrorshow!

Bruno Max (Intendant vom Theater zum Fürchten) über „Shockheaded Peter“
Zu Zeiten als man den Hanns Guck-in-die-Luft noch einfach gegen die Wand rennen ließ und der Zappel-Phillipp kein Ritalin sondern eine „g‘sunde Watschen“ bekam, als das Wort „Kinderpsychologe“ noch unbekannt war und die Pädagogik sich noch in den viel zu engen Kinderschuhen befand, schrieb ein wohlmeinender Herr Doktor Hoffmann ein erzieherisches Bilderbuch, dass in Generationen von deutschsprachigen Kindern gruselig-traumatische Erinnerungen weckt: Der Struwwelpeter, mit ihm wurden 150 Jahre lang Kinder vom Zündeln ab- und zum Stillsitzen angehalten. Gottlob sind wir pädagogisch heute ein Eck weiter und sorgen uns mehr um die Seelchen der Kleinen als um ihre Abhärtung gegen die unwägbaren Brutalitäten der unberechenbaren bösen Welt. Vielleicht war diese Welt aber auch einfacher zu überstehen, als man den Kindern simpel erklärte: Du spielst mit Streichhölzern, dann verbrennst du bei lebendigem Leib; du isst deine Suppe nicht, dann wirst du mager und stirbst.
Aber noch schwärzer als die Kinderpsychologie des Doktor Hoffmann ist das Musical (Verzeihung, die „Junk-Oper“) der Tiger Lillies, dieser schrägen, sehr englischen, sehr poetischen Band, die wir life schon zweimal im Stadttheater zu einem Konzert begrüßen durften.

SHOCKHEADED PETER © Theater zum Fürchten

SHOCKHEADED PETER © Theater zum Fürchten

Die vielen kleinen pädagogischen Schauermärchen sind noch weiter ins Fatal-Makabre hinübergezogen, der Rahmen zwischen Zirkus, Cabaret und Panoptikum unterstreicht die nicht wirklich sehr kindgerechte Kernaussage: Ob Suppenkasper, Wüterich, Zappelphillipp, Streichholzpaulinchen: Wenn du nicht brav bist, endet es IMMER auf möglichst bizarre Weise lethal! (Und wenn du doch ausnahmsweise brav bist, womöglich auch.)
Marcus Ganser inszeniert ein Feuerwerk an grotesken Schauermärchen, Bela Fischer steuert die musikalische Leitung und die dazu gehörige entfesselte Band bei, Martyn Jacques, Frontmann der Tiger Lillies, hat rund ein Dutzend bittersüßer Songs in seinem unnachahmlichen Stil bereitgestellt … es wird auf jeden Fall ein verhaltensauffälliger Spaß.
Darf man den klassichen Struwwelpeter als Buch überhaupt noch kaufen, oder wurde er schon „gecancelt“? Bei uns auf jeden Fall live und in allen Farben von giftgrün bis blutrot die Hardcore-Version!
Es spielen: Katrin Fuchs, Teresa Renner, Bettina Soriat; Leopold Dallinger, Georg Hasenzagl, Georg Kusztrich, Musik: Béla Fischer jr., Sigi Finkel, Hartmut Kamm, Robert Pistracher, Fritz Rainer
Premiere: 9. März 2024
Weitere Spieltage: 14., 16., 17., 19., 21. und 23. März 2024
stadttheatermoedling.at

Theater zum Fürchten
Beim Theater zum Fürchten handelt es sich um das größte unabhängige Theaterkonglomerat Österreichs. 1987 von Bruno Max gegründet, bieten die TzF-Theater an mittlerweile vier Spielstätten (Theater Scala mit Scalarama, Stadttheater Mödling und Theater im Bunker) pro Jahr rund zehn hochwertige und extravagante Eigenproduktionen von der Klassik bis zur Moderne. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Werken der angelsächsischen und elisabethanischen Literatur, bei rund einem Drittel handelt es sich um Ur- und Erstaufführungen. Die Produktionen werden meist zwischen dem seit 1995 bestehenden Theater Scala und der seit 1998 bestehenden Schwesterbühne, dem Stadttheater Mödling, geteilt.
www.theaterzumfuerchten.at