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22.300 Objekte – Malerei vom Expressionismus bis in die Gegenwart, Skulpturen und Fotografien sowie Plakate aus aller Welt – werden hier aufbewahrt und präsentiert. Seit Mai 2008 ist inmitten der spannungsvollen Architektur moderne Kunst zu erleben. Seit dem 1. Juli 2017 bilden das dkw. Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus und das Museum Junge Kunst Frankfurt (Oder) gemeinsam das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst.

Crazy. Leben mit psychischen Erkrankungen
Deutschlandweit erkrankt mehr als jeder vierte Erwachsene im Laufe seines Lebens an einer psychischen Störung. Am häufigsten treten Angstzustände, Depressionen und Abhängigkeitserkrankungen auf. Für die knapp 18 Millionen Betroffenen und ihr soziales Umfeld hat dies oft massive Einschränkungen in allen Lebensbereichen zur Folge.
Obwohl psychische Erkrankungen einen Großteil der Bevölkerung betreffen, sind sie oftmals mit Stigmata behaftet und werden tabuisiert. Über das Leben mit psychischen Erkrankungen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen gibt es unklare Vorstellungen; individuelle Krankheitsbilder verunsichern Außenstehende. So gelingt es kaum, Betroffenen in ihrer Welt nahe zu kommen.
Die Ausstellung präsentiert Arbeiten von fünf international renommierten Fotografinnen und Fotografen. Sie haben sich aus ganz persönlichen Gründen mit dem Thema auseinandergesetzt:
Die spanische Fotografin Laia Abril beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Weiblichkeit und Körperbild. Ihre international prämierte Serie The Epilogue erzählt die Geschichte der Familie Robinson, die ihre jüngste Tochter durch Bulimie verlor.
In Gärtners Reise dokumentiert die Berliner Fotografin Sibylle Fendt die letzte Reise des Ehepaars Lothar und Elke Gärtner – bei der zwei Jahre zuvor Demenz diagnostiziert wurde – durch das Baltikum. Ihr Leben lang hatten sie als begeisterte Camper Europa im Wohnwagen bereist.Sibylle Fendt ist Mitglied der Agentur OSTKREUZ.
Die Fotografin Nora Klein aus Erfurt beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Krankheit Depression. Gemeinsam mit Betroffenen versuchte sie in ihrer Serie Mal gut, mehr schlecht. die Erkrankung in Bilder zu übersetzen. Gemeinsam mit dem Psychiater und Neurowissenschaftler Leonhard Schilbach entwickelte die Fotografin Herlinde Koelbl das Projekt Psychische Erkrankungen im Blick. Sie porträtierte Patienten einer psychiatrischen Klinik und Mitarbeiter des dortigen Behandlungsteams
Der Brite Louis Quail zeigt in seiner intimen fotografischen Annäherung Big Brother das Leben seines Bruders mit Schizophrenie. Die Serie ist mit dem Renaissance Photography Prize 2017 ausgezeichnet.
Die New Yorker Fotografin Melissa Spitz widmet ihre Arbeit You Have Nothing to Worry About dem Gefühlsleben ihrer schwer psychisch erkrankten Mutter. Die Fotografien sind über einen Zeitraum von zehn Jahren entstanden und zeigen Spitz´ Mutter in verschiedenen Stadien der Erkrankung − in ihren Hoch- und Tiefphasen.
Für die Fotoserie VOGELFREI begleitete Stephanie Steinkopf über einen längeren Zeitraum obdachlose Frauen in Berlin, von denen die meisten psychisch erkrankt sind.
27. Juni bis 30. August 2020

Der gesetzlose Irrenhausschuppen
Die Sammlung Prinzhorn in Heidelberg zählt zu den bedeutendsten Kollektionen mit Werken der Outsider-Art weltweit. Ihr Kernbestand geht auf die Sammeltätigkeit des Kunsthistorikers und Psychiaters Hans Prinzhorn zurück. Im Jahr 1919 startete dieser eine Anfrage an psychiatrische Kliniken, Anstalten und Sanatorien im deutschsprachigen Raum, mit der Bitte, Kunstwerke, die von Patienten geschaffen wurden, an die Heidelberger Universitätsklinik zu senden. Innerhalb von zwei Jahren trafen dort über 5.000 Arbeiten ein. Prinzhorn sichtete und ordnete das Material und gab sein Buch „Bildnerei der Geisteskranken“ heraus. Diese Publikation nahm enormen Einfluss auf die Kunst im 20. Jahrhundert. Zahlreiche Künstler, wie etwa Paul Klee, Adolf Hölzel und die Surrealisten in Paris ließen sich davon inspirieren.
Die Landes-Irren-Anstalt in Eberswalde (heute: Martin-Gropius-Krankenhaus) hatte umfangreiches Material nach Heidelberg gesandt. Vor allem die Arbeiten des Uhrmachermeisters Heinrich Herrmann Mebes faszinieren durch ihre surreal anmutenden phantasievollen Bildfindungen. Aus der Nähe von Spremberg stammte Victor von Oertzen, der in der Klinik von Sorau (Zary) untergebracht war. Der Künstler beginnt erst in der Klinik zu zeichnen. Es entstehen expressive ausdruckstarke Bilder, in denen von Oertzen frei mit Linien, Formen und Farben umgeht.
100 Jahre nachdem die Werke aus den Brandenburger Kliniken (in den überwiegenden Fällen sicherlich ohne die Zustimmung ihrer Urheber) nach Heidelberg gesandt wurden, kehren sie nun wieder nach Brandenburg zurück. Die Ausstellung im BLMK dokumentiert das große kreative Potenzial, das in diesen Bildern steckt. Sie wurden unter besonderen Entstehungsbedingungen geschaffen und berühren noch heute durch ihre existenzielle Tiefe und Intensität.
12. September bis 22. November 2020

Liebe, Hass und Einsamkeit. Emotionen in der Kunst
Parallel zu der Ausstellung „Der gesetzlose Irrenhausschuppen” präsentiert das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst im Dieselkraftwerk Cottbus Werke aus der eigenen Sammlung, die die Darstellung von emotionalen Ausnahmezuständen zum Inhalt haben.
In der bildenden Kunst ist die menschliche Figur das zentrale Thema. Seit je her stellen Künstlerinnen und Künstler den Menschen in all seiner Vielschichtigkeit dar. Große Gefühle wie Euphorie, Ekstase, Wut und Trauer lassen sich mit den Mitteln der Kunst für den Betrachter erlebbar machen. Es ist nicht nur das figurative Motiv, das diese Inhalte transportiert, sondern auch deren formale Umsetzung.
Farben, Formen und Linien stellen die Ausdrucksträger dar, die ganz unmittelbar und oft unbewusst im Bild ihre Wirkung entfalten. Gerade die Kunst der 1980-Jahre in ihrer expressiven Formen- und Farbsprache hält in diesem Kontext eindrucksvolle Beispiele bereit. Jenseits des staatlich verordneten, positiven und optimistischen Menschenbildes des sozialistischen Realismus werden Menschen in aller ihrer Verletzlichkeit sensibel dargestellt. Zum einen ist es eine stille Melancholie, die in den Werken zum Ausdruck gebracht wird, zum anderen angestaute Wut und Aggression. Aber nicht nur diese eher negativ konnotierten Gefühle, sondern Emotionen wie Freude und Ausgelassenheit als Ausnahmezustände, wie etwa in den karnevalesken Szenen von Dieter Zimmermann, spielen in der Schau eine Rolle. Die Figur des Narren und das Motiv der Maskierung sind in diesem Kontext zu nennen. Durch sie kommt es zu einer Hinterfragung gesellschaftlicher Verhältnisse mit Mitteln des Grotesken.
Beide der im Dieselkraftwerk Cottbus gezeigten Ausstellungen thematisieren damit Grenzbereiche menschlicher Erfahrung und führen die Brüchigkeit unseres rationalen Welt- und Menschenbildes vor Augen. Im besten Falle tragen sie damit zum besseren Verständnis unserer eigenen Existenz bei.
12. September bis 22. November 2020

www.blmk.de