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Das Schmuckmuseum Pforzheim ist weltweit das einzige Museum in öffentlicher Hand, das sich ausschließlich dem Schmuck widmet. Seine Sammlungen umfassen tausende von historischen und modernen Schmucksstücken: Originale aus fünf Jahrtausenden, von der Ur- und Frühgeschichte bis zur Gegenwart. Schwerpunkte liegen auf Kleinodien der griechischen und etruskischen Antike, der Renaissance und des Barocks. Herausragend sind die Preziosen aus der Zeit von Art Nouveau und Jugendstil sowie die einzigartige Kollektion moderner Schmuckkunst ab 1960.
Die ethnografische Sammlung Herion gibt Einblick in die schmückenden Ausdrucksformen außereuropäischer Gesellschaften, und kunstvolle Taschenuhren aus der Sammlung des Pforzheimer Uhrenfabrikanten Philipp Weber, eine Dauerleihgabe der Sparkasse Pforzheim Calw, dokumentieren Uhrmacher- und Goldschmiedekunst vom 17. bis ins 19. Jahrhundert. Auch eine umfassende Ringsammlung sowie Abteilung über die Geschichte der Pforzheimer Schmuckindustrie ist zu sehen.
Neben der Dauerausstellung mit Schmuckkunst aus fünf Jahrtausenden sind jedes Jahr drei bis vier Sonderausstellungen zu sehen. Sie beleuchten unterschiedliche Facetten des Themas Schmuck und geben die Möglichkeit, das Museum immer wieder neu zu entdecken.

Zart wie Eisen – Schmuck aus einer Privatsammlung
In der Zeit vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war mit dem sogenannten Eisenschmuck eine besondere Art von Preziosen beliebt: kunstvoll und filigran wie Spitze, jedoch aus Eisen gegossene Colliers, Armbänder, Ohrgehänge und Broschen oder auch Ringe. Sein schlichtes Material, die klare Formensprache und der etwas spröde Charakter spiegeln die Werte der damaligen Gesellschaft: Beständigkeit, Bescheidenheit und Zurückhaltung. Dem Geschmack der Zeit entsprechend, finden sich Elemente aus der gotischen Architektur oder florale Ornamente aus der Antike wie Akanthus, Palmette und Weinblatt.

Neben Berlin – woher die Bezeichnung „fer de Berlin“ stammt – war Gleiwitz eine der wichtigen Gießereien. Anfangs handelte es sich bei Eisenschmuck in erster Linie um Trauerschmuck, und preußische Frauen trugen nach dem Tod ihrer Königin oft Luisenanhänger oder -broschen. Während der Befreiungskriege wurde das Tragen von Eisenschmuck immer mehr zu einer politischen Aussage oder patriotischen Mode, und er wurde „für die Rettung des Vaterlands“ angelegt. Dies hatte seinen Ursprung in einem Appell der Prinzessin Marianne von Preußen im Jahr 1813, Goldschmuck gegen solchen aus Eisen einzutauschen. Neben diesem politischen Hintergrund war auch der Stand der technischen Entwicklung entscheidend, um solch anspruchsvolle Entwürfe umzusetzen. Diese stammten unter anderem vom damaligen Hofbaumeister Karl Friedrich Schinkel. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs kamen Schmuckstücke mit der Aufschrift „Gold gab ich für Eisen” abermals in Mode. Die Exponate der Ausstellung stammen aus der Sammlung Klaus-Peter und Judith Thomé.
bis 6. Februar 2022

Was ist Schmuck?
 Kreuz und quer durch die Sammlungen des Schmuckmuseums
Ein achteckiges Amulettkästchen in Silber und Türkis, scheinbar aus zwei sich kreuzenden Quadraten gebildet – es nennt sich Ga’u und wurde im 20. Jahrhundert in Lhasa gefertigt. Ihm zur Seite eine blaue Brosche ähnlicher Größe aus feinmaschigem blauem Stahlgewebe und Silber von Than Truc Nguyen, die 2012 in Berlin entstanden ist. Die zwei Objekte haben Gemeinsamkeiten in Farbe und Form; beide haben einen blauen Farbton und eine geometrische Grundstruktur. In der Aussage jedoch unterscheiden sie sich: Hier ein Amulettkästchen, das ursprünglich von Tibeterinnen der Aristokratie getragen wurde und sowohl Böses abwehren als auch Schützendes heraufbeschwören soll; dort zeitgenössischer Schmuck, dessen Moiré-Effekt mit Schein und Sein spielt und je nach Lichteinfall den Anschein eines glänzenden Edelsteins erweckt. Diese Zusammenstellung mag ungewohnt sein und erstaunen, sie lädt jedoch dazu ein, die einzelnen Objekte in ihrer Eigenart zunächst auf sich wirken zu lassen. »Wir präsentieren die Objekte anhand übergreifender Gestaltungsprinzipien«, erläutert Museumsleiterin Cornelie Holzach. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, über vermeintliche Grenzen wie Kultur, Region oder Epoche hinweg, stehen im Fokus der Neupräsentation des Nachlasses Herion, die ab Anfang Dezember 2021 im Schmuckmuseum Pforzheim zu sehen sein wird.

Halsschmuck »Kina«, Perlmutt mit Rotholzpulver, Textil, Mendi, Papua Neuguinea, 20. Jh., Sammlung Eva und Peter Herion im Schmuckmuseum Pforzheim, Foto Petra Jaschke.
Lunula-Anhänger, Gold, Granat, Nabatäisch-hellenistisch, 2. bis 1. Jh. v. Chr., Schmuckmuseum Pforzheim, Schenkung von ISSP, Foto Nick Bürgin

Die ethnografische Sammlung „Eva und Peter Herion” war zunächst eine Dauerleihgabe und gehört nun zum Bestand des Museums. Einst als wechselnde Ausstellung konzipiert, wird sie nun mit einem grundsätzlich neuen Ansatz umgestaltet. Die seit einigen Jahren geführte Diskussion über den Umgang mit ethnografischen Artefakten macht eine neue Sichtweise auch auf den außereuropäischen Schmuck notwendig. Wesentlich ist dabei, die Objekte aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Der kulturelle und historische Kontext ist ebenso von Bedeutung wie der künstlerische Anspruch oder die globale Schmuckgeschichte. Objekte aus allen Sammlungsbereichen, ob historisch, zeitgenössisch oder ethnografisch, werden daher in Dialog miteinander gebracht. »Wir zeigen die ethnografischen Objekte nicht mehr in dem ihnen lange Zeit zugeteilten Kontext, also als etwas, das unserer abendländischen Kultur als etwas Fremdes gegenübersteht, sondern binden sie ein in das übergeordnete Thema ›Phänomen Schmuck‹«, führt die Schmuckexpertin aus. Besuchern bietet dies die Möglichkeit, in einer Zusammenschau sehr viel unterschiedlichen Schmuck auf sich wirken zu lassen, der nicht nach bisher üblichen Kriterien kategorisiert ist. So lassen sich vielfältige, neue Perspektiven kennenlernen oder auch selbst entwickeln.
Eröffnung der Neupräsentation des ethnografischen Nachlasses Herion

5. Dezember 2021, 11.30 Uhr

www.schmuckmuseum.de/