Das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung wurde im Juni 2021 als einzigartiger Lern- und Erinnerungsort zum Thema Flucht, Vertreibung und Zwangsmigration vor allem im 20. Jahrhundert in Europa und darüber hinaus eröffnet. Auf mehr als 5.000 Quadratmetern werden eine Ständige Ausstellung, thematische Sonderausstellungen, Bildungs- und Vermittlungsangebote sowie Veranstaltungen geboten. Im Dokumentationszentrum befindet sich auch eine Bibliothek mit Zeitzeugenarchiv. Der Eintritt ist frei.
Ständige Ausstellung. Das Jahrhundert der Flucht
Warum müssen Menschen fliehen oder werden vertrieben? Was erleben Menschen, die fliehen müssen oder vertrieben werden? Welche Erfahrungen machen sie auf ihren Wegen? Was bedeutet der Verlust der Heimat und welche Schwierigkeiten erwarten die Menschen, wenn sie in einem anderen Land Aufnahme finden?
Die Ständige Ausstellung beleuchtet politisch, ethnisch und religiös begründete Zwangsmigrationen im 20. Jahrhundert in Europa und darüber hinaus. Flucht und Vertreibung der Deutschen im und nach dem von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieg bilden dabei den Schwerpunkt der Präsentation.
Eine europäische Geschichte der Zwangsmigrationen
Der erste Teil unserer Ständigen Ausstellung beschäftigt sich mit den Dimensionen von Flucht, Vertreibung und Zwangsmigration aus europäischer Perspektive. Beispiele aus verschiedenen geografischen Kontexten zeigen wiederkehrende Phänomene, die für das Verständnis von Zwangsmigrationen im 20. Jahrhundert und darüber hinaus eine Grundlage bilden.
Vertreibungen sind ein Phänomen der Moderne und erreichen seit Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Größenordnung. Ob vor über 100 Jahren in Armenien, nach dem Zweiten Weltkrieg in Mitteleuropa oder heute in Syrien – Kriege und bewaffnete Konflikte zwingen Millionen Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Zwangsmigrationen bedeuten große Gefahren und schmerzhafte Verluste. Die Erfahrung von Flucht und Vertreibung ändert das Leben der Betroffenen grundlegend. Verlust und Neuanfang prägen die Betroffenen und ihre Nachkommen häufig über Generationen.

Ständige Ausstellung © Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Foto: Markus Gröteke
Flucht und Vertreibung der Deutschen
Der zweite Teil der Ständigen Ausstellung im zweiten Obergeschoss behandelt Flucht und Vertreibung der Deutschen.
Im Zweiten Weltkrieg besetzt das nationalsozialistische Deutschland große Teile Mittel-, Ost- und Südosteuropas und führt dort einen beispiellosen und grausamen Vernichtungskrieg. Millionen Menschen werden ausgebeutet, deportiert, vertrieben und ermordet. Vor diesem Hintergrund beschließen die Alliierten eine Nachkriegsordnung für Europa, die Grenzveränderungen und Bevölkerungsverschiebungen vorsieht. In den letzten Kriegsmonaten fliehen Millionen Deutsche vor der Roten Armee nach Westen. Die meisten Menschen, die in den Ostgebieten des Deutschen Reiches und in Mittel- und Südosteuropa leben, werden nach Kriegsende vertrieben. Insgesamt sind mehr als 14 Millionen Menschen von Flucht und Vertreibung betroffen, mehr als 600.000 Menschen kommen dabei ums Leben. Die Integration von 12,5 Millionen vertriebenen Menschen ist eine grundlegende Herausforderung der beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften. In beiden deutschen Staaten unterscheiden sich die politischen Bedingungen dafür. Die Erinnerung an Flucht und Vertreibung bleibt umstritten.
Sonderausstellung: Textile Erinnerungen
In dieser Galerie-Ausstellung steht die textile Installation der in Russland geborenen und in England und Irland lebenden Künstlerin Varvara Keidan Shavrova im Mittelpunkt. Acht mit Siebdruck gestaltete Filzdecken zeigen Bildmotive aus ihrem Familienalbum. Es handelt sich um eine soziale und performative Installation. Sie können die Decken anfassen oder sich um die Schulter legen.
Dem Kunstwerk werden historische Objekte aus der Sammlung des Dokumentationszentrums gegenübergestellt: Eine Tischdecke aus Ostpreußen, eine Tagesdecke aus Böhmen und ein Tischdeckchen aus Brandenburg. Stoffliches wie Decken, Tischdecken, Taschentücher, Trachten, Mäntel, Umhänge, Schals oder Überwürfe zeugen auf anrührende Weise von schweren Erfahrungen, sind Relikte von Leid und Entbehrung. Sie stehen für den zutiefst menschlichen Wunsch, sich mit etwas Warmem, Vertrautem und Familiärem zu verbinden und dem schmerzlichen Gefühl von Heimatverlust, Einsamkeit und Entwurzelung entgegen zu wirken. Erfahrungen, die Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Emigrierte teilen und an die sich Varvara Keidan Shavrovas Werk richtet.
Bis 16. November 2025
Sonderausstellung: Der Treck
Kurz vor Kriegsende fliehen ab Januar 1945 unzählige Menschen vor der heranrückenden Front nach Westen. Kein Flüchtlingstreck ist fotografisch besser dokumentiert als der aus Lübchen (heute Lubów) in Niederschlesien – festgehalten in eindrucksvollen Fotografien von Hanns Tschira und Martha Maria Schmackeit.
Der einzigartige Fotobestand wird im Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung erstmals vollständig in einer Ausstellung gezeigt. Die Präsentation gibt Einblicke in die bewegende Geschichte einer Flucht und die Entstehung der Bilder.
20. Juni 2025 bis 18. Januar 2026

Sonderausstellung „Der Treck” © Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung
www.flucht-vertreibung-versoehnung.de
ganzjährig, Dienstag bis Sonntag geöffnet