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Ein gesellschaftspolitisches Museum – so könnte man das Felix-Nussbaum-Haus im MQ4 auch bezeichnen. Das Werk des Osnabrücker Malers Felix Nussbaum steht in einem einzigartigen Bezug zum Projekt des Museumsquartiers als Friedenslabor: Es gemahnt an den Holocaust. Nussbaums Bilder behandeln Flucht, Vertreibung, Krieg. Sie fragen nach kultureller und religiöser Identität – Themen, die höchst aktuell sind und für ein friedliches Miteinander immer wieder gesellschaftlich neu verhandelt werden müssen.
In Wechselausstellungen greift das Felix Nussbaum Haus diese Themen auf, befragen Nussbaums Werk immer wieder neu und bringt es in einen Dialog mit anderen, zeitgenössischen Künstlerpositionen. Das vom amerikanischen Architekten Daniel Libeskind entworfenen Gebäude schafft für diese Auseinandersetzungen einen intensiven räumlichen Kontext.
Nussbaums Werke, Libeskinds Architektur, wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungsformate wie die jiddische Musikreihe, Lesungen und Zeitzeugengespräche machen das Felix-Nussbaum-Haus zu einem Museums-Ort mit entschiedener friedensthematischer Haltung: gegen Unterdrückung und Gewalt, für Menschenwürde, Versöhnung und ein friedliches Miteinander.

Dauerausstellung
„Wenn ich untergehe – lasst meine Bilder nicht sterben“: Wie kein anderer Künstler der ersten Jahrhunderthälfte hat der 1904 in Osnabrück geborene und 1944 in Auschwitz ermordete Maler Felix Nussbaum alle Erfahrungen der Jahrzehnte nach dem Ersten Weltkrieg in seinen Bildern festgehalten und als Teil seiner eigenen Situationen reflektiert, in die der Künstler als Jude durch die rassistische Ideologie des nationalsozialistischen Deutschland hineingestoßen wurde.
Kein Betroffener hat den „Holocaust” der Juden in Europa künstlerisch dokumentiert wie Nussbaum. Für ihn wurde in seiner aussichtslosen Situation Malerei zur Widerstandshandlung, da sie ihm seine menschliche Würde erhielt und ihm lange Zeit die Kraft zum Überleben gab. Er war Protokollant dieser Zeit und wurde ihr Opfer.
Einzigartiger Ausstellungsort Nussbaums Werke ist das 1998 vom amerikanischen Architekten Daniel Libeskind entworfene Museum. Das Konzept des Hauses schafft einen räumlichen Kontext, in dem die tragische Verknüpfung von Leben und Schaffen des in Osnabrück geborenen Künstlers zum alles bestimmenden Eindruck wird. Das Felix-Nussbaum-Haus hat es sich zur Aufgabe gemacht, das historisch und künstlerisch wertvolle Erbe Felix Nussbaums zu bewahren und der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Sonderausstellung: Johanna Diehl: Taubes Geäst
In der Reihe Gegenwärtig. Zeitgenössische Künstler begegnen Felix Nussbaum
Für die Ausstellungsreihe „Gegenwärtig“ im Felix-Nussbaum-Haus dringt Johanna Diehl tief in das Leben und Werk Felix Nussbaums ein. Die vielfach ausgezeichnete Fotokünstlerin begibt sich auf Nussbaums Spuren während des Exils und der Flucht und untersucht, in welcher Gestalt sein vom Widerstand geprägtes Werk heute noch präsent ist. Auf seinen Gemälden interessiert sich Diehl dabei besonders für die Dinge, die sich außerhalb des Bildzentrums, am Rand, gewissermaßen in den „Falten“ des Bildes befinden. In ihren für die Ausstellung entstandenen fotografischen und filmischen Arbeiten konzentriert sich die Künstlerin u.a. auf die gestutzten Bäume aus Nussbaums Werk, die symbolisch mitunter für das frühzeitig Um-die-eigene-Existenz-gebracht-werden stehen. „Oft im Hintergrund, scheinen die gestutzten, verkürzten, eingegangenen und gekrümmten Hölzer von den ungeheuren Vorgängen einer Welt im Krieg und von existentieller Bedrohung zu erzählen“ (Johanna Diehl). Auch richtet Diehl ihren Blick auf die beschädigten Musikinstrumente in seinen Bildern, wie Lauten und Geigen, und beschäftigt sich mit der darin spürbaren Vorahnung des Verlusts des Lebens und des Zerfalls Europas. Darüber hinaus hat Johanna Diehl in Zusammenarbeit mit dem bildenden Künstler und Konzertschlagzeuger Raphael Sbrzesny zwei Filmarbeiten realisiert, in denen der renommierte Lauten-Virtuose Joachim Held Fragmente einer Partitur aus Nussbaums Malerei aufführt, und Raphael Sbrzesny eine raumgreifende Installation aus Bäumen und Zweigen zum Klingen bringt. In den eigens für die Ausstellung Taubes Geäst entstandenen Arbeiten tritt die geheimnisvolle Symbolik Nussbaums auf diese Weise neu in den Vordergrund. Mit einer großen Sensibilität den Blick zu richten auf das, was nicht im Fokus steht, charakterisiert Diehls künstlerisches Vorgehen. Hier, in den Zwischenräumen, sucht sie das Eigentliche unter Bezugnahme auf Walter Benjamins Passagenwerk: „In den Falten der Geschichte befindet sich das Eigentliche, im Subjektiven, Alltäglichen, also in dem Nicht-in-den-offiziellen-Geschichtsbüchern-Verzeichneten“ (Johanna Diehl).
31. Januar bis 14. November 2021

www.museumsquartier-osnabrueck.de