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Jean (Hans) Egger wurde 1897 in Hüttenberg geboren und wuchs in Klagenfurt auf. Von 1918–22 studierte er Malerei in München. Danach begab er sich auf Reisen nach Holland, Skandinavien und Italien. 1924/25 besuchte er Paris, um sich dort niederzulassen. Schnell konnte er sich als Maler erfolgreich etablieren und wurde zum Porträtisten der Pariser Gesellschaft. Künstlerisch schuf Egger neben Landschaftsbildern vor allem Figürliches. Bemerkenswert sind seine intimen Bildnisse und weiblichen Akte, die von tiefer Psychologie geprägt sind. Die Landschaftsbilder, in denen er momenthafte Natureindrücke interpretierte, die er in Frankreich, Holland, Österreich, Schweden und auf Mallorca – wohin er 1932 aufgrund eines Lungenleidens übersiedelte und bis zu seinem frühen Tod 1934 lebte – gewann, sind in der Manier von Gerstl, van Gogh und Soutine umgesetzt und weisen auf abstrakten Expressionismus und Informel voraus. In einer kurzen aktiven Periode von nur zehn Jahren gelang es Egger, ein eigenständiges, außergewöhnliches Werk zu schaffen. Sehr erfolgreich konnte er seine Arbeiten bereits ab 1926 in Paris und darüber hinaus in Bordeaux und New York ausstellen. 1929 wurde Egger sogar zum „Officier d‘Academie“ ernannt. In Österreich blieb er indes weitestgehend unbemerkt.

Jean (Hans) Egger, Holländische Landschaft, 1923, Aquarell auf Papier, Courtesy Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK, Foto: F. Neumüller

Jean (Hans) Egger, Holländische Landschaft, 1923, Aquarell auf Papier, Courtesy Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK, Foto: F. Neumüller

Die Befreiung der Farbe in seiner Malerei und die Radikalität der Formauflösung machen Jean Egger (1897-1934) zu einem der bedeutendsten Künstler der Zwischenkriegszeit. Die Ausstellung im Museum Moderner Kunst Kärnten und zuvor im Lentos Kunstmuseum folgt den wichtigsten Lebensstationen des österreichischen Ausnahmekünstlers und führt anhand von Bildvergleichen seine bahnbrechenden Innovationen vor Augen, die ihm als Frühvollendeten einen besonderen Platz in der Kunstgeschichte gesichert haben.
Nun, beinahe 30 Jahre nach der letzten großen Retrospektive 1995 im Belvedere, sollen die Ausstellung, in der über 200 Werke versammelt sind, sowie die begleitende Publikation mit Texten von Matthias Boeckl, Cornelia Cabuk, Brigitte Reutner-Doneus, Hemma Schmutz und Christine Wetzlinger-Grundnig die Möglichkeit einer Neubewertung des Kärntner Künstlers bieten, um ihm den gebührenden Rang in der Kunstgeschichte zu sichern.
Jean Egger – eigentlich Hans Egger – wird 1897 in Hüttenberg in Kärnten geboren. Nach dem Studium an der Münchner Akademie der Bildenden Künste unternimmt er mehrere Reisen. Bei einem Malaufenthalt in Sizilien kommt es zu einem wesentlichen künstlerischen Entwicklungssprung: Egger löst den Pinselstrich in beinahe gestischer Weise von der gegenständlichen Darstellung.

Jean Egger, Mädchenakt, vor 1930, Öl auf Leinwand, ALBERTINA, Wien – Familiensammlung Haselsteiner, Foto: ALBERTINA, Wien

Jean Egger, Mädchenakt, vor 1930, Öl auf Leinwand, ALBERTINA, Wien – Familiensammlung Haselsteiner, Foto: ALBERTINA, Wien

Paris (1925–1932)
In Paris, wo er sich ab 1924 für mehrere Jahre niederlässt, knüpft er schnell Kontakte in den hohen Gesellschaftskreisen um Sophie Szeps-Clémenceau, der Schwägerin des französischen Ministerpräsidenten Georges Clémenceau. Ab 1926 stellt Egger regelmäßig in renommierten Pariser Kunstsalons aus. In der Porträtserie seiner Lebensgefährtin Signe Wallin tritt seine sensible Suche nach dem stärksten Ausdruck in der Malerei besonders klar hervor. Ihrer Darstellung liefert er sich in unzähligen Abbildungen ihres Gesichts förmlich aus. Die Bandbreite reicht von einem schwungvoll expressiven Duktus über melancholisch-nachdenkliche Gestaltungen bis hin zu Annäherungen an das Informel oder nahezu manischen, psychisch motivierten Ausbrüchen in das Proto-Existenzialistische. Mit seiner Einzelausstellung in der Pariser Galerie Sloden im Jahr 1930 steht Jean Egger am Höhepunkt seiner Karriere. Während seiner Aufenthalte in der Bretagne und der Normandie malt er dünnflüssige, linear reduzierte oder stark pastose Landschaftsbilder. Werke von Joan Miró, André Masson und Yves Tanguy inspirieren ihn zu beinahe abstrakten Aquarellen.

Jean Egger, Haus hinter Bäumen, 1928, Öl auf Leinwand, Privatbesitz, Courtesy Galerie Maier, Innsbruck, Foto: Reinhard Haider

Jean Egger, Haus hinter Bäumen, 1928, Öl auf Leinwand, Privatbesitz, Courtesy Galerie Maier, Innsbruck, Foto: Reinhard Haider

In diesen All-over-Kompositionen legt Egger den Fokus auf äußerste Reduktion und formale Auflösung seiner Sujets und treibt damit den Modernitätsanspruch seiner Bilder am weitesten voran. „Egger suchte stets nach dem stärkstmöglichen Ausdruck, den er letztendlich in einer Weiterentwicklung seines mit Chiffren verdichteten Malstils fand. Damit antizipierte er die Kunst der Nachkriegsjahre. Eine ähnliche extreme Enervierung der Kunst taucht erst in den späten 1940er-Jahren bei den Vertretern der Art brut und der COBRA-Gruppe auf: Karel Appel, Asger Jorn und Corneille hätten Jean Egger mit offenen Armen in ihre Künstlergemeinschaft aufgenommen“, so Brigitte Reutner-Doneus, Gesamtkonzept.

Kärnten (1929 und 1931)
1929 kehrt Jean Egger mit seiner Lebensgefährtin Signe Wallin nochmals nach Kärnten zurück. Die Serie von Ansichten der Kirche in St. Martin am Silberberg malte Egger von der Veranda des Schulhauses aus. Die Gemälde unterscheiden sich in Lichtstimmung und Blickwinkel voneinander. Von einem Bild zum nächsten wird sichtbar, wie Egger gegenständliche Details mehr und mehr zugunsten eines optischen Gesamteindrucks zurücklässt. In den Gemälden dieser Serie interpretiert Egger die Kirche als sichtbaren Bestand von Mal zu Mal neu und anders. Die Bilder führen ihn damit in eine neue Phase der Malerei, in der er seiner Verve freien Lauf lassen kann.

Jean (Hans) Egger, Frauenbildnis, um 1923, Öl auf Karton, Courtesy Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK, Foto: F. Neumüller

Jean (Hans) Egger, Frauenbildnis, um 1923, Öl auf Karton, Courtesy Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK, Foto: F. Neumüller

Schweden (1930)
Im Juni 1930 reisen Jean Egger und Signe Wallin zu Signes Schwester Ruth nach Schweden. Die pittoresken, rot gestrichenen Schwedenhäuser scheinen seine Aufmerksamkeit besonders auf sich gezogen zu haben und tauchen in der dort entstandenen Landschaftsserie auf. Er kombiniert sie mit lichten Wiesen, flirrenden Laubbäumen und tiefschwarzen Nadelhölzern. An den Landschaftsbildern wird sichtbar, dass der Künstler den Pinsel wie einen Zeichenstift verwendet. Die Ölgemälde wirken impulsiv und in großer Erregung umgesetzt. Er malt feucht auf feucht, wodurch die Ölfarben auf der Leinwand neue Farbtöne erzeugen und sich die Konturen auflösen. Er kratzt mit dem Pinselstiel in die Farbkomposition, lässt andernorts die bloße Leinwand durchscheinen. Es entsteht ein impulsiver, stark bewegter Bildeindruck, in dem die Formen zu verschwimmen scheinen.

Mallorca (1932–1934)
Für Jean Egger wird Mallorca zur letzten Station seines kurzen Lebens. Bereits 1931 wird er in Wien wegen seines Lungenleidens behandelt. Im Herbst desselben Jahres findet in Wien seine einzige Ausstellung zu Lebzeiten in Österreich statt. 1932 übersiedeln Egger und Wallin in die Ortschaft Pollença im Norden Mallorcas. Das schöne Anwesen wird nach Eggers deutschem Vornamen „Can Hans“ genannt. Jean Egger trifft sich nun mit seinem katalanischen Malerkollegen Joan Miró. Auch enge Pariser Freunde und Freundinnen stellen sich zu Ferienaufenthalten ein. Auf Mallorca verspricht sich Jean Egger die langersehnte Genesung, doch das Gegenteil tritt ein. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends. In Mallorca entstehen seine letzten großen Werke, in denen Egger die blühenden Mandelbäume und die hoch aufragenden Berge in der Nähe seines Hauses festhält. Jean Egger stirbt mit nur 37 Jahren. Er hinterlässt in erster Linie Landschaftsbilder, Porträts und Aktdarstellungen. Die Befreiung der Farbe in seiner Malerei und die Radikalität der Formauflösung machen ihn zu einem der bedeutendsten Künstler der Zwischenkriegszeit.
22. Juni bis 17. September 2023

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