Die Kunst Edvard Munchs ist für ihre eindringlichen Darstellungen tiefer menschlicher Gefühle bekannt. Eine ebenso wichtige Rolle spielt in seinen Werken jedoch die Faszination für die Natur, die nun erstmals in einer Ausstellung thematisiert wird. „Munch. Lebenslandschaft” widmet sich den wissenschaftlichen und philosophischen Einflüssen auf sein Werk und erschließt sein Werk als Resonanzraum der heutigen Klimakrise.

Edvard Munch, The Girls on the Bridge, 1902, Oil on canvas, 100 × 102 cm, Private collection​ © Photo: Pyms Gallery, London

Edvard Munch, The Girls on the Bridge, 1902, Oil on canvas, 100 × 102 cm, Private collection​ © Photo: Pyms Gallery, London

Einerseits verstand Edvard Munch die Natur als sich zyklisch erneuernde Kraft, andererseits sah er sie als Spiegel seiner seelischen Zerrissenheit. Munch entwickelte ein pantheistisches Naturverständnis, das er auf die norwegischen Küsten und Wälder projizierte. Die dramatischen Wetterverhältnisse in seinen Gemälden erhalten vor dem Hintergrund der aktuellen Klimakrise eine überraschende Brisanz.
In Edvard Munchs Zeit wandelte sich das Naturverständnis radikal. Unter dem Eindruck neuer Entdeckungen in Biologie, Physik, Medizin und Geologie wurde die Natur nicht mehr als etwas Statisches und Greifbares wahrgenommen, sondern als etwas Dynamisches, das ständig in Bewegung ist. Die Menschen entwickelten ein Bewusstsein für Prozesse, die für das bloße Auge unsichtbar sind – seien es langsame Veränderungen von großer Tragweite wie die Kontinentalverschiebungen und die Entwicklung der Arten oder das nur unter dem Mikroskop sichtbare Gewimmel der Bakterien. Die Grenzen zwischen Mensch und Tier, zwischen Pflanzen und Mineralischem verschoben sich, verschwammen und wurden zum Teil aufgehoben.

Edvard Munch, The Yellow Log, 1912, Oil on canvas, 129.5 × 159.5 cm, Munchmuseet, Oslo

Edvard Munch, The Yellow Log, 1912, Oil on canvas, 129.5 × 159.5 cm, Munchmuseet, Oslo

In vielen Werken setzte Edvard Munch diese lebendige, dynamische und sich wandelnde Natur ins Bild. Unwetter, Eingriffe des Menschen in die Natur sind ebenso Bildthemen wie sich bewegende Erdmassen mit vermenschlichten Zügen. Ineinander verschlungene Körper vereinigen sich mit der Erde. In einigen Bildern ließ Munch Mann und Frau schwerelos durch den Raum schweben. In einem Text beschrieb er dieses Sujet so: „Die Schicksale der Menschen sind wie die Planeten; sie begegnen sich im Raum, um sogleich wieder zu verschwinden.“ Auf diese Weise brachte der Künstler die Triebkräfte und Sehnsüchte des Menschen mit zyklischen, universalen Kräften in Zusammenhang.
Die Ausstellung zeigt rund 90 Werke von internationalen Leihgebern, darunter das Munchmuseet, Oslo, das Museum of Modern Art, New York, das Dallas Museum of Art, die Staatsgalerie Stuttgart, das Museum Folkwang, Essen, und das Von der Heydt-Museum, Wuppertal.
18. November 2023 bis 1. April 2024

Parallel zur Potsdamer Schau widmet sich eine zweite Ausstellung Munch und Berlin: „Edvard Munch. Zauber des Nordens”  in der Berlinischen Galerie (bis 22. Januar 2024). Zum Besuch beider Ausstellungen bieten die Museen ein Kombiticket an. 

www.museum-barberini.de