Dieser Inhalt wurde archiviert. Er ist eventuell nicht mehr relevant.

Ausstellungen sind für Künstlerinnen und Künstler und ihre Werke ganz allgemein Bühnen ihrer öffentlichen Präsenz und Existenz. ON STAGE – Kunst als Bühne zeigt Arbeiten seit der Zeit um 1960, in denen explizit Darstellungen des Bühnenhaften und des Rollenspielens zu sehen sind. Die ca. 150 Werke und Werkserien stammen vorwiegend aus der mumok Sammlung.

Hermann Nitsch, 1. Aktion, 1962 (2008), S/W Fotografie / b/w photograph, mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Schenkung des Künstlers/Donation of the artist 2007 © Bildrecht, Wien 2022

Hermann Nitsch, 1. Aktion, 1962 (2008), S/W Fotografie / b/w photograph, mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Schenkung des Künstlers/Donation of the artist 2007 © Bildrecht, Wien 2022

Hierarchien und Widerstand
Abweichend von traditionellen Formen der Kunst und des Theaters bzw. in bewusstem Gegensatz dazu entwickelten sich im Rahmen eines künstlerischen und gesellschaftlichen Aufbruchs um 1960 neue performative und aktionistische Kunstformen – häufig vor Publikum. Der Wiener Aktionismus, etwa im Orgien Mysterien Theater von Hermann Nitsch, zählt ebenso dazu, wie das literarische cabaret der Wiener Gruppe, das in der Tradition des dadaistischen Theaters steht oder die Fluxus-Bewegung mit ihrem medialen Crossover. Den männerdominierten Kunstrichtungen gegenüber etablierte sich eine feministische Szene, in der die Auswirkungen einer patriarchalen Gesellschaft auf geschlechtliche Rollenbilder in Frage gestellt wurden. Künstlerinnen wie VALIE EXPORT, Marina Abramovic, Gina Pane oder KwieKulik setzten sich dabei z.T. schmerzhaften Prozeduren aus oder verwendeten metaphorische Bilder und Handlungen, um das Spannungsfeld von Macht und Ohnmacht auszuloten. Neuere Positionen, wie jene von Carola Dertnig oder der Aktivistinnengruppe MATHILDA verweisen auf machistische Tendenzen im Umfeld des Wiener Aktionismus.

Destiny Deacon, Last Laughs, 1997/2004, 100 cm x 120 cm, Lightjet-Druck von Polaroid, mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben / acquired in 2006 © Bildrecht, Wien 2023

Destiny Deacon, Last Laughs, 1997/2004, 100 cm x 120 cm, Lightjet-Druck von Polaroid, mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben / acquired in 2006 © Bildrecht, Wien 2023

Identitätsspiele und Geschlechterrollen
Wenn Cindy Sherman in immer andere Rollen schlüpft, um das Flüchtige, Wechselhafte und Medienbestimmte von Identität zu thematisieren, oder wenn Nan Goldin, Jakob Lena Knebl / Ashley Hans Scheirl, Shadafarin Ghadirian, Sanja Ivekovic oder Wolfgang Tillmans gegen die Konventionen geschlechtlicher Rollenbilder auftreten, berühren sie existenzielle Fragen, in denen sich Politisches und Privates vermengen. In den Arbeiten von Destiny Deacon oder Kara Walker wird die Wirkungsgeschichte rassistischer und kolonialistischer Vergangenheit in der Gegenwart sichtbar. Absalon, Tom Burr, Gilbert & George, Bruno Gironcoli, Maria Lassnig, Ingeborg Strobl oder Tobias Pils wiederum konfrontieren und inszenieren das Körperliche und Individuelle mit existenzieller Abgründigkeit.

Kunstszene und Figurentheater
Auf einem großformatigen Gemälde von Jörg Immendorff sind Künstler und Akteure des Kunstbetriebs seit der Moderne in einem Gruppenporträt zu sehen, das die Kunstgeschichte als einen Prozess der Evaluierung darstellt. Künstlerinnen wie Anna Artaker, DIE DAMEN oder Katrin Plavčak machen in ihren Arbeiten auf gesellschaftliche Hierarchien und deren Folgen für Präsenz und Absenz in der Kunstgeschichte aufmerksam. Mit schwebenden Figurenbildern zentraler Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Philosophie entwirft Anna Boghiguian ein weltgeschichtliches Figurentheater, das von revolutionären Umwälzungen aber auch von Macht und Zerstörung zeugt. Jeroen de Rijke/Willem de Rooij beleuchten in einem filmischen Bühnenstück ein Szenario der Upperclass beim Smalltalk, in dem sexuelle, kolonialistische und kapitalistische Begierden hervorbrechen.

Rudolf Schwarzkogler, 1. Aktion „Hochzeit“, Malaktion am 6.2.1965 (mit Anna Brus), 1965, Farbfotografie von Walter Kindler, mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1984 © mumok

Rudolf Schwarzkogler, 1. Aktion „Hochzeit“, Malaktion am 6.2.1965 (mit Anna Brus), 1965, Farbfotografie von Walter Kindler, mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Österreichischen Ludwig-Stiftung seit 1984 © mumok

Betrachter als Akteure
Im Zuge der Sensibilisierung für Wahrnehmungstheorien gewinnt die Rolle der Betrachter als künstlerisches Motiv seit den 1960er-Jahren verstärkt an Bedeutung. Zahlreiche Kunstwerke bieten den Betrachtern eine Bühne, auf der Werk- und Selbstwahrnehmung ineinander gleiten. Bezeichnend dafür sind die Spiegelarbeiten von Michelangelo Pistoletto, in denen man sich selbst erblickt oder die Installation Autofokusfalle von Michael Schuster, worin Besucher von einer automatischen Kamera fotografiert und zum ausstellbaren Fotomotiv werden. Auch die Fotografien von Thomas Struth machen Museumsbesucher*innen und ihre Schauerlebnisse in Kirchen und Museen zum eigentlichen Inhalt des Werks.

In Concert
Zur bühnenaffinen Kunst zählen auch Arbeiten, in deren Zentrum Musik in unterschiedlichsten Motiven und Aufführungsformen steht. Von Kompositionen der Wiener Gruppe über Fluxuswerke von Nam June Paik oder Katalin Ladiks experimentelle Gesangperformances spannt sich ein Bogen bis in die Gegenwart zu Mathias Polednas filmischer Inszenierung eines historischen Tonstudios oder Cosima von Bonins Bühnenarrangement, das sich auf die Hippie-Szene und deren Stimmungsschwankungen zwischen Party und Breakdown bezieht. Kevin Jerome Everson und Claudrena N. Harold verweisen in Black Bus Stop auf die im Studentenmilieu durch Tanz und Gesang vermittelte Geschichte und kulturelle Identität von Afroamerikanern.

15. März 2023 bis 14. Jänner 2024

www.mumok.at