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Anlässlich der Erwerbung der nur in wenigen Exemplaren gegossenen und erhaltenen Plastik „Phryne“ aus dem Jahr 1925 zeigt das Museum VILLA STUCK in den Historischen Räumen seine Sammlung von Plastiken von Franz von Stuck in einer Neupräsentation.

Augen – Blicke – Perspektive: Nähe und Schönheit des Details erlebt man bei keinem anderen Kunstwerk so intensiv wie bei der Skulptur. Dazu bedarf es nicht der Größe des Objekts, sondern der Auseinandersetzung, Empathie und Einfühlung des Betrachters. Sie erfordert Hinwendung und Hinsehen. Die Bildhauerei gehört zu den spannendsten Kapiteln in der künstlerischen Entwicklung Franz von Stucks. Seit dem Rom-Aufenthalt bei seinem Kollegen Max Klinger 1890 vermuteten Stucks frühe Zeitgenossen in der „Form“, die ihm laut eigener Aussage „über alles geht“, sein eigentliches Metier und seine größte Begabung. Der 27-Jährige ist endgültig „Plastiker“. Die Entstehungszeit seiner Skulpturen umfasst den Zeitraum von 1890 bis 1925. Auf Kraft und Dynamik der klassizistischen Frühwerke folgen selbstbewusst statische Frauenfiguren bis hin zum Entwurf für ein monumentales Beethoven-Denkmal. Phryne, eine antike Hetäre, gilt als ideale Verkörperung der Schönheit. Ihre Klugheit und ihr weibliches Selbstbewusstsein, das selbst Götter herausfordert, entspricht dem positiven, oftmals kämpferischen Frauenbild des Künstlers. Stuck setzt in der Darstellung auf absolute Symmetrie und explizite Betonung der Vorderansicht, die Verbindung von archaischer Strenge und moderner Reduktion.
Stucks Skulpturen stehen in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Bronzetechnik, die im 19. Jahrhundert eine einzigartige Blüte erlebt und vollendet fein durchgearbeitete Kompositionen hervorbringt. Einer der namhaftesten Gießer, Cosmas Leyrer, fertigt sie in München. Die Statuetten werden in teils handverlesener, teils hoher Auflage für Ausstellungen in Europa und Amerika, Sammler und den freien Kunstmarkt produziert.
Ort für die Neupräsentation von Stucks Skulpturen sind die Historischen Räume des Künstlerhauses, die eine reiche skulpturale Ausstattung besitzen – vom Vestibül bis zum Künstleratelier mit dem Altar der Sünde, der als Weihestätte der Kunst stets End- und Höhepunkt eines Besuchs beim Künstler war. Der Weg des einstigen Gastes und heutigen Besuchers entspricht einem Spaziergang durch die Kunst- und Entwicklungsgeschichte der Antike von der Archaik über Assyrien und Pompeji bis in die byzantinische Zeit. Stuck formt aus den Abgüssen berühmter Reliefs und Figuren Rauminszenierungen und ein Bildprogramm, das seinen geistigen Kosmos widerspiegelt – nicht mit zufällig angebotenen Originalen, sondern mit ausgewählten Antikenkopien aus den bedeutendsten Sammlungen Europas. Appliquen etruskischer Löwenköpfe und korinthischer Koren aus feuervergoldeter Bronze schmücken selbst das einzigartige Ensemble von Möbeln, das auf der Pariser Weltausstellung 1900 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde.
bis 25. Oktober 2020
www.villastuck.de