Die Wiener Albertina ist eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt im Palais Erzherzog Albrecht (auch bekannt als Albrechtspalais), einer historischen Residenz der Habsburger im 1. Wiener Gemeindebezirk, gleich neben der Hofburg. Der prägnante Name Albertina bezieht sich auf den Gründer der Sammlung: Albert Casimir Herzog von Sachsen-Teschen, seines Zeichens Schwiegersohn von Kaiserin Maria Theresia. Zu den dauerhaft ausgestellten Werken in der Albertina gesellen sich Werke bedeutender Künstler, die in verschiedener Wechselausstellungen gezeigt werden.
Die Albertina beherbergt alle großen Künstler der modernen und zeitgenössischen Kunstgeschichte. Vom französischen Impressionismus und Fauvismus über Werke der expressionistischen Künstlergruppen und der russischen Avantgarde bis hin zu zahlreichen Meisterwerken von Picasso sind alle bahnbrechenden Ideen der Kunst der Moderne und Gegenwart in der Albertina zu Hause.
Ein wahres Panorama der Kunst bietet die grafische Sammlung: 1776 von Herzog Albert von Sachsen-Teschen begründet, umfasst sie heute über eine Million Zeichnungen und Druckgrafiken von der Spätgotik bis zur Gegenwart. Von Michelangelo und Dürer bis zu Rembrandt und Rubens, von Klimt und Schiele über Picasso bis Richter und Lassnig – die Sammlung gibt einen reichen Überblick über 600 Jahre Kunstgeschichte.
Die Fotosammlung der Albertina ist heute die bedeutendste und größte Sammlung künstlerischer Fotografie Österreichs. Rund 100 000 fotohistorische Schätze zeichnen die bedeutendsten fotografischen Entwicklungen nach und führen in verschiedene Genres wie Porträt-, Architektur-, Landschaftsfotografie und Street Photography von den Anfängen des Mediums bis hin zur Gegenwart ein. Die fotografischen Meisterwerke der Albertina werden in wechselnden Präsentationen in den Galleries for Photography gezeigt.
Ob barocke Stadtansichten, prachtvolle Bauten der Renaissance oder architektonische Ensembles wie die Wiener Ringstraße: Die Architektursammlung der Albertina bietet mit über 40.000 Plänen, Studien und Modellen einen faszinierenden Überblick über das Genre der Architekturzeichnung. Von der Spätgotik bis hin zur Architektur der Gegenwart sind bedeutende Arbeiten von Bernini, Borromini, Hansen, Wagner, Loos, Hollein, Hadid u.v.m. vertreten.
Rund 100 Jahre war das Museum Residenz habsburgischer Erzherzöge und Erzherzoginnen. Von dieser Zeit zeugen 20 kostbar ausgestattete und aufwendig restaurierte Prunkräume, die mit wertvollen Wandbespannungen, Kronleuchtern, Kaminen, erlesenen Intarsien und edlen Möbeln in das prachtvolle Reich des Klassizismus entführen.
Modigliani – Picasso. Revolution des Primitivismus
Er war zeitlebens von Armut, Schicksalsschlägen, Drogenexzessen und schwerer Krankheit gebeutelt, konnte nur mit seiner Kunst für Miete und das Nötigste zum Überleben aufkommen. Heute zählt der 1920 im Alter von nur 35 Jahren verstorbene Künstler aus Livorno, Amadeo Modigliani, zu den teuersten Künstlern der Geschichte, dessen Bilder dreistellige Millionenbeträge erzielen.
Die Wiener Albertina würdigt Amedeo Modigliani (1884-1920) anlässlich seines 100. Todestages mit einer spektakulären, ca. 125 Objekte aus drei Kontinenten umfassenden Retrospektive. Die ursprünglich für das Jubiläumsjahr 2020 geplante Schau wurde aufgrund ihrer Wichtigkeit und der Pandemie verschoben: Nun wird dieser faszinierende, kraftvolle Künstler erstmals auch in Österreich gezeigt. Die Ausstellung vereint Hauptwerke aus den renommiertesten Museen und Privatsammlungen von den USA bis Singapur, von Großbritannien bis Russland mit größeren Konvoluten aus dem Musée Picasso, Paris, und der Sammlung Jonas Netter, der ein großer Förderer Modiglianis zu seinen Lebzeiten war. Sie wird den Künstler innerhalb eines einzigartigen Kreises von Avantgardemalern verorten und ihn gleichzeitig im Zentrum dessen positionieren, was als die Revolution des Primitivismus bezeichnet werden kann.
Das Leben Modiglianis, des früh gescheiterten Malers und Bildhauers, lässt sich an Dramatik kaum überbieten: Bereits im Alter von von elf Jahren litt Modigliani an einer schweren Rippenfellentzündung. Mit 14 Jahren, 1898 erkrankte er an Typhus, einer seinerzeit als tödlich geltenden Krankheit. Später litt er an chronischer Tuberkulose, die den nur 35-Jährigen letztlich das Leben kostete. Zwei Tage später nahm sich seine im achten Monat schwangere Verlobte, Jeanne Hébuterne, das Leben.
Archaik und Avantgarde
Modigliani bezog sich in seinen Werken oft auf die Renaissance, griff aber auch afrikanische, primitivistische Kunst auf. Gerade auf diese lebenslange Auseinandersetzung mit der Kunst des Primitivismus legt die einzigartige Schau der ALBERTINA besonderes Augenmerk: Dem Œuvre Modiglianis werden Werke seiner Gegenspieler Pablo Picasso, Constantin Brâncuşi und André Derain sowie Artefakte sogenannter „primitiver“ – prähistorischer, archaischer oder außereuropäischer – Kulturen gegenübergestellt.
Modiglianis legenden-umwobenes Leben und sein künstlerischer Grenzgang nehmen in der Kunstgeschichte eine besondere Rolle ein: Und das ohne dass er im strengen Sinne Wegbereiter oder Vorreiter gewesen wäre. Er befand sich inmitten des Pariser Montmartre mit den Größen seiner Zeit in Austausch und hinterlässt uns eindrucksvolle Porträts von Picasso, Matisse oder Diego Rivera – und doch blieb er zeitlebens unerkannt. Auch Skandale um seine vorgeblich pornografischen Bilder hemmten den Erfolg. Der italienische Künstler blieb stilistisch stets ein Außenseiter und Einzelgänger, der seine eigene Kunst verfolgte. Und doch stellt sein bis heute avantgardistischer Brückenschlag zwischen moderner Kunst und Jahrhunderte zurückliegenden Epochen einen herausragenden, völlig individuellen Beitrag in der Kunstgeschichte dar.
17. September 2021 bis 9. Jänner 2022