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Im Haus der Kunst begreift man die Künste als eine Form der Mitgestaltung, eine notwendige Kraft, die nach oben führt, und als eine Möglichkeit die historische Dimension im Zeitgenössischen zu finden.
Das Ausstellungsprogramm für 2021 wächst aus dieser anderen Art des Wahrnehmens, Produzierens und Ausstellens von Kunst. Mann stellt Fragen nicht nur nach künstlerischen und kulturellen, sondern auch nach sozialen Strukturen und wagt sich mit seiner Vorstellungskraft noch in Bereiche jenseits dieser Strukturen. So strecken sich die Triebe des Gewächses hoch und weit hinaus, über die Grenzen von Geschichten, Nationen und Geschlechtern hinweg.
Körper im Raum sowie die Energie, die aus Zusammensein, Zusammenhalt, Teilhabe und Fürsorge entsteht – daraus nährt sich das transformative Potenzial des Programms im Haus der Kunst. Man beobachtet aufmerksam die Verschränkung von sprachlichem Ausdruck mit radikalem gesellschaftlichen Wandel und freut sich an der Flüchtigkeit emanzipatorischer Ausdrucksmöglichkeiten wie Performance, Tanz und Klang. Vor allem Musik bildet eine verbindende Klammer und lässt intensive Augenblicke entstehen, in denen man sich als Gemeinschaft wahrnimmt.
Ein Prozess des Verschraubens und Verdrehens, des Komponierens und Überarbeitens wird sich durch das gesamte kommende Jahr ziehen. Er wird darauf hinwirken, die Grenzen zwischen inneren und äußeren Räumen aufzulösen und Hierarchien und Stereotypen abzumildern.

Phyllida Barlow. frontier
Mit dieser großen Retrospektive zum Werk der britischen Bildhauerin Phyllida Barlow (geb. 1944) eröffnet das Haus der Kunst 2021 eine Reihe von Ausstellungen im repräsentativen Ostflügel des Hauses, die zeitgenössischen weiblichen Stimmen in der Kunst gewidmet sind.
Die skulpturalen Gebilde von Phyllida Barlow sind sperrig und nicht einfach zu erfassen: Bauholz, Pappkarton, Zement, Lehm, Kunststoffrohre und bunte Textilien türmen sich, breiten sich aus, versperren den Weg. Der Blick wandert über diese Landschaften aus Alltagsmaterialen, weiß nicht woran er sich festhalten soll, schweift in die Höhe, um die enormen Dimensionen zu begreifen. Barlows Arbeiten sind eine ständige Herausforderung, sie erobern sich den Raum, als führten sie ein Eigenleben. Sie fordern die Betrachter*innen auf, Räume zu erkunden, Volumina wahrzunehmen, die Sprache der Architektur zu hören.
Obwohl sich ihre Werke als wenig geeignet für den Kunstmarkt erwiesen, ist Barlow bis heute radikal und unbestechlich bei ihrer künstlerischen Ausdrucksform geblieben. „frontier“ bietet nun zum ersten Mal die Gelegenheit, die ganze Bandbreite von Barlows bemerkenswerten Beiträgen zu Debatten über die Grenzen und Schwellen der skulpturalen Praxis kennenzulernen. Mit dieser umfassenden Ausstellung, in der große Auftragsarbeiten, monumentale Skulpturen aus vielen wegweisenden Ausstellungen der letzten zwei Jahrzehnte sowie eine große Vielfalt von Zeichnungen gezeigt werden, unterstreicht „frontier“ Barlows Schlüsselrolle in einem traditionell männlich dominierten Medium. Die Ausstellung zeugt von Barlows lebenslanger intensiver Beschäftigung mit den formalen und materiellen Eigenheiten der Skulptur und veranschaulicht, wie ihre Arbeit die Beziehung der Skulptur zu den Objektstrukturen der Welt kontinuierlich in Frage stellt.
10. März bis 25. Juli 2021

Felix Brenner, Andreas Maus, KarHang Mui
euward8 der Augustinum Stiftung im Haus der Kunst
Das Haus der Kunst heißt in 2021 die Gewinner des euward European Art Award für Malerei und Grafik willkommen. Seit 2000 verleiht die Augustinum Stiftung alle drei Jahre den euward mit dem Ziel, Künstler*innen im Kontext von geistiger Behinderung innerhalb des Ausstellungsbetriebs und in der Gesellschaft verstärkt zu Anerkennung zu verhelfen.
Der Schweizer Künstler Felix Brenner (* 1955) verarbeitet seine großformatige Malerei mit grafischen Einzelblättern, Zeichnungen und Lithografien zu wandfüllenden Bild-Installationen. Er performt, produziert Videos, veröffentlicht Sendungen auf Mix-Cloud, er verfasst vielbändige „Dossiers“ und ethnobotanische Studien. In der aktuellen Ausstellung zeigt sich dieses multimediale Schaffen auch in seiner thematischen Vielfalt. Ausnahmslos biografisch verstanden, bearbeitet der Künstler in den symbolisch aufgeladenen Bildern sein Leben als eine Art Assemblage von Ereignissen.
Andreas Maus (* 1964) lebt in Pulheim und arbeitet in Köln. Er erzählt mit Bleistiftund Kugelschreiberzeichnungen von menschlichen Abgründen, Leid, Verfolgung und Folter in allen Phasen der jüngeren deutschen Geschichte. Und er spürt ihnen bis in die Gegenwart der Neo-Nazis nach. In seinen tagebuchartigen Künstlerbüchern reflektiert er mit einer Kombination von Wort und Bild den langen Weg von Exklusion und ihren Folgen.
In den pulsierend expressiven und detailreichen Farbstiftzeichnungen des in den Niederlanden lebenden KarHang Mui mit Wurzeln in Hongkong (* 1989) verbinden sich Natur und Kultur. Die Unterscheidung zwischen Landschaft und Architektur, Abstraktion und Figuration, Wirklichkeit und Transzendenz scheinen zu verschwimmen. Die Darstellung fantastischer Traumwelten ist überall von der feinen Textur der Strichführung durchzogen.
30. April bis 27. Juni 2021

Kunstwerk (ohne Titel) von KarHang Mui, einem der Preisträger des euward8. © Augustinum / Barbara Donaubauer

Kunstwerk (ohne Titel) von KarHang Mui, einem der Preisträger des euward8. © Augustinum / Barbara Donaubauer

Sweat
Die Gruppenausstellung „Sweat“ ist das Ergebnis von zwei Jahren intensiver Recherche. Sie widmet sich dem Phänomen von Körpern, die gemeinsam agieren und ihre Gegenwart gestalten. Der Schweißausbruch angesichts gewaltsamer Versuche, den menschlichen Körper zu kontrollieren, steht für eine künstlerische Strategie des Widerstands.
Wir sind mehr denn je Zeugen des globalen Maßstabs systemischer Ungerechtigkeit, aber auch der enormen Kräfte sich transnational formierender Widerstandsbewegungen. Die Ausstellung versammelt mehr als 20 künstlerische Stimmen, deren Werke an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten und angesichts verschiedener Bedingungen des sozialen und politischen Druckes entstanden sind.
Dieser Dialog zwischen Arbeiten der jüngsten Gegenwart mit bahnbrechenden Positionen der 1970er- und 1980er-Jahre, die feministische und postkoloniale Unabhängigkeitsbewegungen in Kunst und Gesellschaft mobilisiert haben, eröffnet zugleich historische Perspektiven auf künstlerische Formensprachen, die eng mit sozialem Wandel verflochten sind.
Verschiedenen Politiken der Feindschaft und des Ausschlusses stellt „Sweat“ die erfindungsreiche Poesie des Vergnügens und der Mehrstimmigkeit entgegen, die lustvolle Akte der Selbstbestimmung darstellen und überhörten Geschichten Körper und Stimme verleihen.
Dafür bedienen sich die Künstler neuer, dynamischer Medien wie Tanz und Film, die von ephemeren sozialen Choreografien zeugen, sowie kollektiver, archivierender Produktionsformen. Durch Praktiken des Sammelns, Recycelns und Sampelns werden Welten als bewegliche Assemblagen verstanden.
11. Juni 2021 bis 9. Januar 2022

Daniel Lind-Ramos „Con-junto (The Ensemble)”, 2015, Photo: Pierre Le Hors

Daniel Lind-Ramos „Con-junto (The Ensemble)”, 2015, Photo: Pierre Le Hors

www.hausderkunst.de