Die Sammlung Kunst Museum Winterthur spannt den Bogen vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Im Laufe der Zeit verbanden sich bedeutende historische Kollektionen unter einem Dach: die Bestände des 1848 gegründeten Kunstvereins, die Stiftung Oskar Reinhart mit ihrem Schwerpunkt auf der Deutschen Romantik sowie die Spezialsammlungen Jakob Briner und Emil S. Kern, die nebst Werken des Goldenen Zeitalters der niederländischen Malerei auch eine umfassende Miniaturenkollektion beherbergen. Damit wird die Kunstgeschichte beinahe lückenlos vom Barock bis in die Gegenwart erlebbar: von Rembrandt bis Caspar David Friedrich, von Albert Anker und Ferdinand Hodler bis zu den Impressionisten und von Pablo Picasso bis zu Gerhard Richter.
Walter Swennen. Phantom der Malerei
Walter Swennen (*1946 in Brüssel) ist ein eigentlicher „artists’ artist” – ein Maler, der abseits der gängigen Trends für unzählige jüngere Kunstschaffende zur Inspiration wurde. Einem breiteren Publikum ist sein malerisches Schaffen indes noch kaum bekannt, obschon er von internationalen Galerien vertreten wird und sein Werk in Belgien durch zahlreiche Ausstellungen in bedeutenden Museen gefeiert wurde.
Im Ausstellungstitel Das Phantom der Malerei klingt Swennens Überzeugung an, wonach das, was ein Gemälde als Motiv wiedergibt, nie identisch mit dem Bild selbst ist und Motiv und Malerei dennoch untrennbar miteinander verwoben sind. Mit seinem bildskeptischen Ansatz führt Swennen die inhaltlichen Untersuchungen des belgischen Surrealisten René Magritte gleichermassen fort wie die reflexiven Strategien von Marcel Broodthaers. Auf der Suche nach einer Malerei, die jede Form von Eindeutigkeit unterläuft, schöpft Swennen aus einem breiten Motivfundus, der belgische Comic‐Traditionen ebenso umfasst wie philosophische und belletristische Literatur, Enzyklopädien und Werbelogos. Dabei bezieht er sich in seinem Schaffen gleichermassen auf die konstruktive Kunst, den Surrealismus und die Pop‐Art wie auf die Wiederentdeckung der Malerei in den 1980er Jahren, die er mit seiner subtilen Form des „bad painting” und seinem Bild‐ und Sprachwitz massgeblich beförderte.
Die retrospektiv angelegte Präsentation, realisiert in enger Kooperation mit dem Künstler, dem Kunstmuseum Bonn und dem Kunstmuseum Den Haag, ist Swennens erste institutionelle Ausstellung in der Schweiz: Seine raffinierte Malerei ist auf jeden Fall eine Entdeckung.
Bis 24. April 2022
Welt aus den Fugen
9 zeitgenössische Installationen
Klimawandel, Pandemien und unzählige Konflikte führen zu einer grundlegenden Desorientierung, welche die heutige Zeit prägt: Die Welt scheint regelrecht aus den Fugen geraten zu sein. Althergebrachte Erklärungsmuster taugen nicht mehr, um der Komplexität der Gegenwart beizukommen, die zwischen digitaler Kommunikation und radikalem Individualismus, Vergangenheit, Gegenwart und einer ungewissen Zukunft oszilliert. Orientierungslos zwischen Innovation und Tradition wechselnd, befindet sich die westliche Gesellschaft im permanenten Krisenmodus.
Die Kunst reflektiert diese Phänomene und entwickelt dazu ihre eigenen Strategien der Auseinandersetzung. Gerade in raumgreifenden Installationen ist das Publikum mit einer Fülle von Informationen und Ereignissen konfrontiert, welche die Aufnahmefähigkeit zeitgleich strapazieren. Die klare Trennung zwischen Kunstwerk und Publikum löst sich zugunsten multimedialer Räume auf, in denen Internet und Digitalisierung tragende Rollen übernehmen. Installationen werden nicht betrachtet, sondern erlebt; sie setzen einen interaktiven Prozess in Gang, der gleichzeitig vielfältige Denkansätze fördert.
Die Ausstellung vereint Installationen von neun internationalen Kunstschaffenden der jüngeren Generation, u.a. Ed Atkins (* 1982), Julian Charrière (* 1987), Lizzie Fitch / Ryan Trecartin (beide * 1981) und Anne Imhof (* 1978). Alle Installationen befassen sich mit anderen inhaltlichen Aspekten, seien dies künstliche Intelligenz, Ökologie oder Genderfluidität. Sie veranschaulichen, dass gesellschaftliche Fragen nicht mehr gültig beantwortet werden können. Jede für sich bildet einen Kosmos, der vom Zusammenspiel von Zeit und Raum, von unterschiedlichen Objekten und medialen Formaten lebt. Diese innere Dichte wird vom Publikum fortwährend mitproduziert, indem es sie ordnet und situativ zusammensetzt. Zusammen erwecken die neun Installationen das Bild einer aus den Fugen geratenen Welt, in der Ambivalenzen bis zur Schmerzgrenze auszuhalten sind – um sie produktiv zu deuten.
21. Mai bis 14. August 2022
Monica Bonvicini
I don’t like You very Much
Das multimediale künstlerische Schaffen von Monica Bonvicini (*1965 in Venedig) ist von gesellschaftlicher Brisanz; es umfasst neben Skulptur und Installation auch Videos, Performance, Fotografie und Zeichnung. Stets hinterfragt die Künstlerin die gesellschaftlichen Verhältnisse – Machtstrukturen, Geschlechterrollen – und übersetzt diese in prägnante Werke in unterschiedlichsten Medien.
Das Kunst Museum Winterthur richtet der Künstlerin die erste institutionelle Einzelausstellung in der Schweiz aus. Diese rückt einen zentralen Aspekt ihres Schaffens ins Zentrum: die Zeichnung. Seit Mitte der 1980er Jahre realisiert Bonvicini ein umfangreiches zeichnerisches Œuvre: Skizzen, Entwürfe und Konzepte für skulpturale Werke sowie autonome grossformatige Zeichnungen wie die eindrückliche Serie der Hurricanes and Other Catastrophies. Im Kunst Museum Winterthur werden diese Zeichnungen im Dialog mit bestehenden plastischen Werken und neuen Betonskulpturen zu sehen sein.
Monica Bonvicini studierte in Los Angeles und Berlin, wo sie seit vielen Jahren lebt und arbeitet. Ihr Schaffen war seit den 1990er Jahren in zahlreichen Einzel‐ und Gruppenausstellungen zu sehen, u.a. an den Biennalen von São Paulo, Istanbul, Berlin und Venedig, wo sie 1999 den Goldenen Löwen erhielt. 2020 wurde ihr der renommierte Oskar‐Kokoschka‐Preis verliehen, der Österreichische Staatspreis für bildende Kunst.
10. September bis 13. November 2022
Dezemberausstellung: Fokus 2022
Die Dezemberausstellung ist seit mehr als 100 Jahren die umfassendste Plattform für das Kunstschaffen aus Stadt und Region Winterthur. Alle zwei Jahre stellt eine Fachjury aus zahlreichen Bewerbungen eine repräsentative Überblicksausstellung im Kunst Museum Winterthur und in der Kunsthalle Winterthur zusammen. Darüber hinaus bietet die Ausstellung, die von den beiden Institutionen in Kooperation mit der Künstlergruppe Winterthur organisiert wird, Anlass zum gegenseitigen Austausch: Sie wird mit einem grossen Fest eröffnet. Alternierend zur jurierten Ausstellung findet jeweils im Folgejahr im Kunst Museum Winterthur die sogenannte Fokus‐Ausstellung statt. Auch diese konzentriert sich auf das Kunstschaffen Winterthurs und fördert die fruchtbare Auseinandersetzung mit regionaler Kunst. Die Auswahl der Kunstschaffenden erfolgt jedoch nicht auf Bewerbung mit einem Dossier, sondern auf Einladung durch die Kuratorinnen und Kuratoren des Kunst Museum Winterthur. Ebenfalls an die Ausstellung eingeladen wird die Person, welche den Ausstellungspreis der vorhergehenden Dezemberausstellung gewonnen hat. 2022 wird dies erneut der Fall sein. Ziel ist es, in dieser Ausstellung ungewohnte Sichtweisen auf die regionale Kunstszene zu ermöglichen und dabei das Wirken ausgewählter Kunstschaffender zur Diskussion zu stellen – oft verbunden mit einem übergeordneten Thema. Im Gegensatz zur jurierten Dezemberausstellung finden in den Fokus‐Ausstellungen grössere Werkgruppen der Kunstschaffenden Platz. Zudem wird ihnen die Möglichkeit geboten, ortsspezifische Installationen zu realisieren.
Die Dezemberausstellung ist das vielbeachtete Schaufenster für die Künstlerinnen und Künstler der Region. Sie ermöglicht es einem überregionalen Publikum alljährlich, neue Kunstschaffende zu entdecken und abwechslungsreiche Einblicke in die Winterthurer Kunstszene zu gewinnen.
26. November 2022 bis 8. Januar 2023