Die Ausstellung Modigliani. Moderne Blicke versammelt rund 100 Werke. Dabei entfaltet sich ein Dialog zwischen der Kunst Modiglianis und den Gemälden, Zeichnungen, Drucken und Skulpturen von u. a. Gustav Klimt, Jeanne Mammen, Pablo Picasso, Natalja Gontscharowa, Egon Schiele und Paula Modersohn-Becker. Zu den Leihgebern gehören das Israel Museum, Jerusalem, die Phillips Collection, Washington, D.C., die Pinacoteca Agnelli, Turin, und die Nahmad Collection.
Amedeo Modigliani war ein europäischer Künstler im weitesten und innovativsten Sinne. Mit Augenmerk auf das Bild des Menschen, auf das Körperliche und auf selbstbewusste Weiblichkeit, positionierte sich Amedeo Modigliani in einer Zeit der Formauflösung, Abstraktion und Frauenfeindlichkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Vorreiter der Moderne. Seine Portraits und Akte begleiteten und formten während des Ersten Weltkriegs die Entwicklung des Menschenbilds einer jungen Künstlergeneration, die in Paris, Wien, Berlin oder Dresden an der Figuration arbeiteten. Erstmals weitet eine Ausstellung zu Modigliani den Blick über Paris hinaus und betrachtet sein Werk aus einer europäischen Perspektive.
Lange Zeit wurde die Entwicklung der modernen Kunst als ein Weg zur Abstraktion beschrieben. Die Vielzahl der Künstlergruppen, ihre Manifeste, aber auch die Ausstellungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeugen dagegen von einer gleichrangigen Wahrnehmung verschiedener Positionen durch die Zeitgenossen. In ganz Europa gab es Künstlerinnen und Künstler, die parallel zur Neuerung durch den Kubismus und den Expressionismus an der Figuration weiterarbeiteten. Ihre intensive Beschäftigung mit Portrait und Akt provozierte genauso wie die Auflösung der Form.
Erst die Traumata des Ersten Weltkriegs brachten in der europäischen Malerei der 1920er Jahre einen Kult der Kühle hervor. Den später Neue Sachlichkeit genannten Zeitgeist prägten auch Schriftstellerinnen, Modeschöpferinnen und Malerinnen. Mit Kurzhaarfrisur und maskuliner Kleidung waren einige von ihnen modisch ihrer Zeit voraus und lebten die Emanzipation. Die als modern bürgerlich assoziierten Frauen dieser Zeit waren Modigliani bereits im Kreis der Pariser Avantgarde begegnet. Als Kind gefördert von Mutter und Tante, die Sprachen unterrichteten und literarisch beschlagen waren, suchte Modigliani vor und nach dem Ersten Weltkrieg die Nähe intellektueller und musisch gebildeter Frauen, die im Pariser Künstlerleben neue Spielräume ausloteten. Reflexionen dieser Beziehungen übertrug Modigliani auf seine Bilder und portraitierte beide Geschlechter der Pariser Avantgarde als kosmopolitische Künstlerfreunde über Grenzen hinweg. Die stoische Noblesse seiner Portraits nahmen die Neue Sachlichkeit bereits vorweg. Modigliani stellte das neue Menschenbild ohne expressive Tendenzen dar, portraitierte die emanzipierte Frau ohne die kalte Distanz der Neuen Sachlichkeit oder den sezierenden Blick auf die Gesellschaft der Nachkriegszeit. Selbst die Hinweise auf den sozialen Hintergrund der Dargestellten reduzierte Modigliani auf ein Minimum. Seine Frauen- und Aktbildnisse zeigten die selbstbewusste Selbstverständlichkeit einer femme moderne.
27. April bis 18. August 2024
www.museum-barberini.de