Anna Jermolaewa (1970 Leningrad, SU) ist Preisträgerin des Otto-Breicha-Preises 2021. Sie bezeichnet sich selbst als „Realistin“ und ihre Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ist ebenso kritisch wie abgründig humorvoll.
Nachdem 1989 ein Verfahren wegen antisowjetischer Agitation gegen sie eingeleitet wurde, floh sie nach Wien, wo sie ein Studium der Kunstgeschichte und 2002 ihr Studium an der Akademie der Bildenden Künste Wien abschloss. Seit 2018 ist Jermolaewa Professorin für Experimentelle Gestaltung an der Kunstuniversität Linz. Oft entwickeln sich Jermolaewas Arbeiten aus der Beobachtung alltäglicher Dinge. Seit 1998 macht sie Aufnahmen von Märkten auf aller Welt. Märkte – der Soziologe Max Weber nannte sie „allgemeine Muster des sozialen Handelns“ – sind Mikrokosmen, die für Jermolaewa die Gesellschaft widerspiegeln.
In Salzburg wird erstmals eine Auswahl dieser Bilder gezeigt und in Zusammenhang mit Arbeiten wie „Back to the Silk Routes“ gesetzt: In diesem Video erkundet sie die Schicksale bucharischer Juden, die aus Usbekistan emigriert sind und auf dem Wiener Naschmarkt ihre Waren verkaufen. Jermolaewa fragt danach, was sie an ihrer Heimat vermissen, reist für sie nach Samarkand und bringt ihnen Aufnahmen ihrer Sehnsuchtsorte mit zurück. Themen wie Erinnerung, Entwurzelung und Neubeginn werden unsentimental und detailreich anschaulich gemacht.
Otto-Breicha-Preis für Fotokunst
Seit 1983 vergibt das Museum der Moderne Salzburg alle zwei Jahre einen Preis für Fotokunst. Seit 2007 wird dieser Preis von der Familie Breicha gefördert und als „Otto-Breicha-Preis für Fotokunst – Museum der Moderne Salzburg“ an einen österreichischen oder in Österreich lebenden Fotokünstler verliehen. Der Preis ist nach Otto Breicha, dem Gründungsdirektor der Modernen Galerie und Graphischen Sammlung – Rupertinum, der Vorläuferinstitution des heutigen Museums, benannt. Anna Jermolaewa ist die 18. Trägerin des Preises.
1. Dezember 2023 bis 1. April 2024