Dieser Inhalt wurde archiviert. Er ist eventuell nicht mehr relevant.

Das Thalia Theater Hamburg hat für die Spielzeit 2021/22 neunzehn Premieren angekündigt, elf im großen Haus und acht im Thalia Gauß in Altona. Darunter finden sich vier Uraufführungen und zwei Erstaufführungen, weiters werden acht Produktionen der letzten Saison nachgeholt. Hier ein paar der Highlights für 2021/22:

Die Wildente oder Kampf um die Wahrheit frei nach Henrik Ibsen
Die Sehnsucht nach Wahrheiten wird in unserer Gegenwart immer größer. Je weniger es verlässliche Fakten zu geben scheint, umso drängender werden sie eingefordert. Nicht selten verkommen sie damit zum Handelsgut politischer und gesellschaftlicher Interessen. Polemik, Verdrehungen, Populismus und Lügen bestimmen den Kampf um das Wahre und Richtige. Politische Wahrheiten, wissenschaftliche Wahrheiten, persönliche Wahrheiten – sie alle konkurrieren miteinander und führen zu Verwerfungen und Verunsicherung in der Bevölkerung. Wem sollen wir noch glauben?
Premiere am 9. November 2021
weitere Aufführungen am 28. November 2021, 18. und 27. Dezember 2021 sowie am 11. Februar 2022

Die Wildente oder Kampf um die Wahrheit, Foto: Armin Smailovic

Die Wildente oder Kampf um die Wahrheit, Foto: Armin Smailovic

Eurotrash von Christian Kracht
Also, mit dem Rollator, mothers little helpers und einigen Whiskey-Flaschen im Gepäck begibt sich der Erzähler auf einen skurrilen Road-Trip mit seiner exzentrischen Mutter. Mit dem Taxi lässt sich das ungleiche Paar quer durch die Schweiz fahren, immer auf der Flucht vor der Einsamkeit, raus aus einem durch Geld vergifteten Leben. Auf dem Rücksitz eine Plastiktüte mit obszön viel Geld – 600.000 Franken in Scheinen, von der Mutter höchstpersönlich bei ihrer Züricher Privatbank abgehoben.Von der wohlstandsverwahrlosten Wohnung am Zürichsee über das Chalet in Gstaad geht es rasant in die Untiefen der persönlichen und kollektiven Vergangenheit. Immer angetrieben von dem glühenden Wunsch, die schmutzigen Aktiengewinne aus der Waffenindustrie durch Verschleudern und Verschenken so schnell wie möglich loszuwerden. Eine letzte gemeinsame Reise, die Mutter und Sohn in einer Weise zusammenbringt, wie das Leben es nicht geschafft hat. Mitten hinein in die dunklen Ecken der Familien-Vergangenheit, vom Springer-Hochhaus in Hamburg bis in die Villa des Nazi-Großvaters nach Sylt – oder doch ins Jenseits nach Afrika?
Premiere am 27. November 2021
weitere Aufführungen am 28. November 2021. 5., 20. und 27. Dezember 2021

Der Schwarze Mönch von Kirill Serebrennikov / nach Anton Tschechow
Worum geht’s? Kirill Serebrennikov sagt: „How can we find strategies to survive? By work? By love? By art? „It’s an amazing story about a man who turns mad and about his kind of parallel life.“ Und auf die Frage, wie er die Geschichte erzählen möchte: „It’s like a poetic thriller. Of course I would like to make it with video, with life music and opera singing.“
Kirill Serebrennikow ist ein entgrenzender Gesamtkunstwerker, der in seinen Arbeiten oft das Crossover von Schauspiel, Körper- und Musiktheater sucht. Er ist ein freier Geist und ein Star des europäischen Regietheaters. Seine Inszenierungen sind auf den großen europäischen Festivals zu sehen, eine besondere Freundschaft verbindet ihn mit Avignon, er inszeniert an den großen Opernhäusern, zuletzt „Parsifal“ an der Wiener Staatsoper. Zugleich dreht er Filme, und all dies, obwohl er zur Zeit sein Land (noch) nicht verlassen darf. Jetzt kommt er ans Thalia!
Uraufführung am 20. Januar 2022
weitere Aufführungen am 21., 22. und 23. Januar 2022

Das mangelnde Licht von Nino Haratischwili
Manchmal ist mit der Erinnerung keine intakte Gegenwart mehr möglich. Weil es zu schmerzhaft ist, sich unentwegt vorzuhalten, dass man am Leben geblieben ist. Drei Frauen treffen sich 2019 in Brüssel auf der Retrospektive ihrer toten Freundin, einer renommierten Fotografin. Ihre Bilder sind Anlass für die gemeinsame Erinnerung, zurück an Tiflis, Ende der 80er Jahre: Vier junge, selbstbestimmte Frauen leben ihre besondere Freundschaft und berauschen sich an ihren ersten Lieben. Es ist ein Tanz auf dem Vulkan.
Sie feiern die Gnadenfrist, die ihnen die Unkenntnis über die Zukunft gewährt, darüber, was die ersten Jahre der georgischen Unabhängigkeit bringen werden: Bandenkriege, Kalaschnikows und Panzer und einen Staat, der keine Sicherheit mehr garantiert, in dem das Leben zum Überleben wird. Und trotzdem gab es Menschen, die sich dafür entschieden haben, Menschen zu bleiben und diese Entscheidung gegen alle Widerstände verteidigten. Man hat immer eine Wahl, aber vielleicht nicht immer die Kraft, die richtige zu treffen.
Uraufführung im Februar 2022

Der Sandmann Oper von Anna Calvi und Robert Wilson
„Der Sandmann“ ist nicht das Sandmännchen. Er sendet auch keinen „lieben Abendgruß ehe jedes Kind ins Bettchen muss“. Er streut grobkörnigen Sand in die Augen und reißt Kindern, die nicht schlafen wollen, die Augen aus. So erzählt es E. T. A. Hoffmann in seinem berühmten Meisterwerk zwischen schwarzromantischem Schauermärchen und veritablem Albtraum. Es ist nach „The Black Rider“ – vor drei Jahrzehnten, damals zusammen mit William S. Burroughs und Tom Waits – das zweite Mal, dass sich der Theatermagier und Präzisionskünstler Robert Wilson der Schauerromantik zugewandt hat.
E. T. A. Hoffmanns dunkle Erzählung „Der Sandmann“, Herzstück seiner Nachtstücke, wird mit der Musik der grandiosen britischen Singer-Songwriterin Anna Calvi zu einer Black-Mirror-Opera, die sich aufmacht, der Nachtseite des Mondes und der Seele einen betörend verstörenden Besuch abzustatten. Welche kindlichen Traumata kehren in den Träumen wieder? Wo beginnt der Wahnsinn und wie bemächtigt er sich des Lebens? Was passiert, wenn die heimlich-unheimliche Praxis der Alchimisten auf die intransparente Pragmatik der modernen KI-Forschung trifft? Können wir unseren Augen noch trauen? Wie lässt sich eine aufgezogene Spieluhr aus dem Takt bringen?
Premiere im März 2022

Herzzentrum XIII von und mit Navid Kermani
Seit 2012 verbindet das Thalia Theater und sein Ensemble eine Zusammenarbeit und Freundschaft mit dem Schriftsteller Navid Kermani. In bislang elf Folgen hat sich nahezu das gesamte Ensemble mit Kermanis Texten und Gedanken an für das Theater ungewöhnliche Orte (z.B. auf ein Riesenrad, in eine Moschee, eine Flüchtlingsunterkunft und ein Laufhaus auf der Reeperbahn) begeben.
Die neu eröffnete psychiatrische Einrichtung bietet stationäre und tagesklinische Behandlungsplätze für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten, dem Personal sowie Klinikleiter Professor Michael Schulte-Markwort experimentiert und spielt das Thalia-Ensemble mit Texten und Gedichten von Friedrich Hölderlin. Textgrundlage ist Navid Kermanis Buch „Bald sind wir aber Gesang“, eine Edition, die, außer dem Dichter, auch dem Briefeschreiber, Liebhaber, Mystiker und Wahnsinnigen Hölderlin auf den Grund geht.
Premiere im Juni 2022