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Visionäre Projekte: Das ZKM präsentiert bis 4. Juni 2023 eine umfassende Ausstellung zum Werk des international gefeierten Architekten Ole Scheeren.

Es ist eine außergewöhnliche Heimkehr: Der international gefeierte, mit den asiatischen Megacities bestens vertraute Stararchitekt kehrt zurück in seine Geburtsstadt Karlsruhe – eine Stadt, die sich trotz ihrer überschaubaren Größe zu einem bedeutenden europäischen Zentrum der Informations- und Kommunikationstechnologie entwickelt hat. Die Rede ist natürlich von Ole Scheeren, dem das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe eine umfassende Einzelausstellung zu seinem zukunftsweisenden Werk widmet: „ole scheeren : spaces of life” wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten entwickelt und stellt in den hohen Lichthöfen über raumgreifende Installationen das Erleben von Architektur ins Zentrum. Auf exzeptionelle Weise beschäftigt man sich hier mit der Frage, wie mit Architektur von heute Prototypen für das Leben von morgen geschaffen werden.
Scheeren, der 1971 als Sohn eines Architekten geboren wurde, hat sich insbesondere mit innovativen Hochhausbauten und Wohnprojekten weltweit einen Namen gemacht. Für ihn ist Architektur eine Art Körper oder Bühne des menschlichen Lebens. Über ihre reine Funktionalität hinaus aktivieren seine Gebäude im Sinne von Scheerens Motto „form follows fiction” die Vorstellungen, Fantasien und Emotionen der Menschen, die in ihnen wohnen und arbeiten.

Ole Scheeren © ZKM | Zentrum für Kunst und Medien, Foto: Felix Grünschlo

Ole Scheeren © ZKM | Zentrum für Kunst und Medien, Foto: Felix Grünschlo

Dieses Motto ist in Ole Scheerens Biografie als zentrales Element fest verankert. Seine beeindruckende Karriere begann 1995 im Office for Metropolitan Architecture (OMA) von Rem Koolhaas, dem herausragenden, weltweit einflussreichen niederländischen Architekten. 2002, als damals erst 31jähriger, stieg er bei OMA gar zum Partner auf. In dieser Rolle zeichnete Scheeren, der nach Peking übersiedelt war, unter anderem für den Entwurf und die Realisierung des CCTV Tower verantwortlich: Das riesige, architektonisch revolutionäre Hauptquartier des chinesischen Staatsfernsehens mit seiner ikonografischen Schleifenform erlangte schlagartig weltweite Prominenz und zählt vermutlich zu den meist fotografierten Gebäuden der chinesischen Hauptstadt. 2010 machte sich Scheeren, der kosmopolitische Architekturstar, auch selbstständig und führt nun sein Büro mit Niederlassungen in Hongkong, Peking, Berlin und London. Mit all seinen Entwürfen steht er für ein komplexes, technologisch hochentwickeltes Bauen, das sich trotz seiner teils enormen Dimensionen stets an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.

OMA Ole Scheeren »The Interlace« © OMA Ole Scheeren, Foto Iwan Baan

OMA Ole Scheeren »The Interlace« © OMA Ole Scheeren, Foto Iwan Baan

Beispielhaft dafür steht etwa die faszinierende, von Scheeren entworfene Wohnanlage „The Interlace” im südostasiatischen Singapur. Anstelle typischer Hochhaustürme wurden die Baukörper des großflächigen, mehr als tausend Wohneinheiten umfassenden Komplexes auf einem hexagonalen Raster in die Horizontale gelegt und in mehreren Schichten übereinander gestapelt. Der ungemein progressive Entwurf mit seinen vielen Grünräumen verbindet auf überzeugende Weise private und öffentliche Bereiche. Die Anerkennung der Fachwelt ließ daher auch nicht lange auf sich warten: „The Interlace” wurde 2014 als weltweit bestes Hochhausprojekt für städtischen Lebensraum mit dem „Urban Habitat Award” des Rats für Hochhäuser und urbanes Wohnen in Chicago ausgezeichnet und 2015 vom internationalen World Architecture Festival als „World Building of the Year”.
Ebenso wie „The Interlace” in Singapur zählt auch Scheerens 2018 fertig gestellter, 314 Meter hohe Turm „MahaNakhon” im thailändischen Bangkok zu den bekanntesten Bauwerken der Welt: Die pixelhafte Struktur des Gebäudes formt ein den Turm umgebendes Band an Terrassen und Vorsprüngen, das sich über seine gesamte Höhe erstreckt und damit dessen Innenleben nach außen hin sichtbar macht.
Weitere Projekte, die im Rahmen der ZKM-Ausstellung umfassend beleuchtet werden, sind unter anderem auch der spektakuläre Wolkenkratzer „Empire City” in Ho-Chi-Minh-Stadt (Vietnam); der ebenfalls preisgekrönte Hochhaus-Komplex „Duo” in Singapur; der skulpturale Turm „Fifteen Fifteen” im kanadischen Vancouver, der sich als dreidimensionale Verbindung zwischen Natur, urbanem Leben und privatem Bereich verstehen lässt; das „Guardian Art Center” nahe der Verbotenen Stadt in Peking (2018); und auch das „Archipelago Cinema” (2012), ein schwimmendes Kino in einer thailändischen Lagune, das Scheeren und die Film on the Rocks Yao Noi Foundation (mit dem thailändischen Starregisseur Apichatpong Weerasethakul) entwickelt haben.
„Ole Scheerens Projekte sind das Ergebnis einer intensiven experimentellen urbanen Feldforschung”, sagt Peter Weibel, künstlerisch-wissenschaftlicher Vorstand des ZKM, über die Arbeit dieses Architekten, der einst getrennte Funktionsbereiche wie Wohnen und Arbeiten, Kommerz und Kultur durchbricht, indem er Räume entwirft, bei denen die zentralen Ansprüche des Menschen im Mittelpunkt stehen. „Sie sind verblüffend ästhetische Lösungen sozialer und ökologischer Überlegungen. Die Architektur wird zu einem lebenden System, in dem alle Beteiligten von Menschen bis Pflanzen Mitwesen sind, die kohabitieren.”
10. Dezember 2022 bis 4. Juni 2023
https://zkm.de