Die Wienbibliothek im Rathaus begibt sich mit einer Kabinettausstellung und begleitenden Publikation auf die Spuren der Wirkungsstätten des philosophischen Wiener Kreises und dessen Ziel der Popularisierung einer „wissenschaftlichen Weltauffassung“. Zu sehen ist die von Friedrich Stadler und Bernhard Hachleitner kuratierte Schau bis 19. September.

Als „Wiener Kreis“ trat mit dem gleichnamigen Manifest der Diskussionszirkel um den Physiker und Philosophen Moritz Schlick im Jahre 1929 zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Die Ideen des Logischen Empirismus sollten einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Dies beinhaltete das Bestreben, alle wissenschaftlichen Aussagen in eine empirische oder formale Sprache zu übersetzen. Erfahrung und formale Logik sollten die vorherrschende metaphysische Philosophie überwinden, wodurch nur Aussagen wissenschaftlich sinnvoll sind, die man entweder logisch beweisen oder durch Beobachtung überprüfen kann. Trotz der unterschiedlichen Forschungsfelder, aus denen die Protagonist:innen des Wiener Kreises stammten, einte sie dieser Gedanke eines „Logischen Empirismus“.

Moritz Schlick, um 1930. Der in Berlin geborene Moritz Schlick wurde 1922 an die Universität Wien auf einen Lehrstuhl für Philosophie berufen. 1924 begründete er den Wiener Kreis. © Universitätsarchiv der Universität Wien – Eingangstür des Mathematischen Seminars der Universität Wien, Boltzmanngasse 5, Treffpunkt des Wiener Kreises von 1924 bis 1936. © Wiener Kreis Gesellschaft, Universitätsarchiv der Universität Wien

Moritz Schlick, um 1930 © Universitätsarchiv der Universität Wien

Einige Mitglieder des Wiener Kreises waren an der Universität tätig, arbeiteten an Volkshochschulen und trugen mit ihrem demokratischen Ziel des „Wissens für alle“ am Pädagogischen Institut der Stadt Wien zur Schulreform bei. Vereine, Kaffeehäuser und Wohnungen waren wichtige Treffpunkte des Austausches und der Vernetzung, die Orte des „Roten Wien“ Wirkungsstätten der Vortragstätigkeit, an der sich der Wiener Kreis aktiv beteiligte.
Die Kabinettausstellung in der Wienbibliothek im Rathaus vermittelt die zentralen Inhalte des Wiener Kreises und zeigt anhand wichtiger Orte exemplarisch dessen Topologie im sozialen, kulturellen und politischen Kontext Wiens und darüber hinaus dessen internationale Strahlkraft.
„Der Wiener Kreis ist einer der vielen Avantgarden, die Wien hervorgebracht hat: Durch das interdisziplinäre Denken, das Festhalten an wissenschaftlicher Erkenntnis und durch das Bewusstsein des Wiener Kreises, dass dieses Wissen mit den Vielen geteilt werden muss, haben hier visionäre Praktiken ihren Anfang genommen, die wir auch heute – in Zeiten von Digitalisierung und auch von Wissenschaftsskepsis – dringend brauchen und uns als Leitbild dienen können. Insofern freut es mich, wenn man sich auf die Spuren der Orte begibt – von Kaffeehäusern bis Wohnungen –, wo dieses Wissen auch an nichtakademisch gebildete Menschen weitergegeben wurde.“ (Veronica Kaup-Hasler, Kultur- und Wissenschaftsstadträtin)

„Der weltberühmte philosophische Zirkel um Moritz Schlick konnte ab 1924 aufgrund der kreativen urbanen Kultur nur im „Roten Wien“ der Ersten Republik entstehen und hat sich zu seiner Halbzeit im Manifest von 1929 folgerichtig den Namen ‚Wiener Kreis‘ der Wissenschaftlichen Weltauffassung gegeben.“ (Friedrich Stadler)
5. Juni bis 19. September 2025
www.wienervorlesungen.at

Die Philosophin und Mathematikerin Olga Hahn-Neurath (1882–1937) war Gründungsmitglied des Wiener Kreises und organisierte mit ihrem Mann Otto Neurath zahlreiche Treffen mit den Mitgliedern in ihrem Haus. © Österreichische Nationalbibliothek, Nachlass Otto und Marie Neurath

Die Philosophin und Mathematikerin Olga Hahn-Neurath (1882–1937) war Gründungsmitglied des Wiener Kreises und organisierte mit ihrem Mann Otto Neurath zahlreiche Treffen mit den Mitgliedern in ihrem Haus. © Österreichische Nationalbibliothek, Nachlass Otto und Marie Neurath