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Die Dauerausstellung im Antoniter-Museum in Memmingen widmet sich der Geschichte des Hospitalordens der Antoniter. Die Besonderheit des Ordens, der von 1214 bis 1562 in Memmingen eine Niederlassung unterhielt, besteht darin, dass er sich, anders als andere Krankenpflegeorden, ausschließlich der Heilung eines speziellen Leidens verschrieb, der Behandlung des sogenannten „Mutterkornbrandes”. Was die Antoniter aber mit den anderen Hospitalorden verband, war typisch für das gesamte Mittelalter: der Zusammenhang zwischen allgegenwärtiger Krankheitserfahrung und tiefer Heiligenverehrung. Diese Form der spezifisch mittelalterlichen Krisenbewältigung lässt sich mit dem doppelten Beziehungspaar „Heilung durch Glaube” und „Glaube durch Heilung” gut beschreiben.
Das Museum zeigt deshalb nicht nur die Ordensgeschichte und das Krankheitsphänomen „Mutterkorn“, sondern auch die Haus- und Alltagsgeschichte in einem mittelalterlichen Hospital. Es bietet damit interessante Einblicke in das Selbstverständnis der Menschen am Ende des 15. Jahrhunderts.
Ein entscheidender Bestandteil dieses am Alltag des Hospitallebens orientierten Konzepts ist die glückliche Übereinstimmung von Museumsinhalten und Museumsräumlichkeiten. Gezeigt wird das Wirken der Antoniter an ihrem tatsächlichen Wirkungsort. Der Museumstrakt ist Teil der Vierflügelanlage, die zwischen 1456 und 1500 als Hospital und Ordensniederlassung errichtet wurde. Neben dem Krankensaal, einer Kapelle und Lagerräumen waren dort auch die Wohnkammern der Brüder und Hilfskräfte untergebracht. Die Besucher des Museums durchschreiten dieselben Zimmer und Flure, die vor mehr als 500 Jahren Heimstatt für die kranken und nicht-kranken Bewohner des Hauses waren.
Der Museumsbesuch im Antonierhaus ist nicht nur Gang durch eine museale Dokumentation, sondern zugleich die Begegnung mit gebauter Geschichte. Das Gebäude entspricht in vielen Teilen noch dem originalen Bauzustand des 15. Jahrhundert und zählt zu den ältesten erhaltenen Anlagen des Ordens.

Das Heilige Feuer und die Verehrung des Heiligen Antonius
Während großer Hungerperioden in Europa im ausgehenden 11. Jahrhundert befiel eine tödliche Krankheit die Menschen. Diese Krankheit, die bald den Namen „das heilige Feuer”, medizinisch Ergotismus gangraenosus, „Mutterkornbrand”, erhielt, wurde durch den Genuss von pilzbefallenem Getreide ausgelöst. Getreideprodukte zählten zu den Hauptnahrungsmitteln der mittelalterlichen Bevölkerung. Ein Zeitgenosse, der Mönch Sigebert, berichtet 1089: „Es war ein Seuchenjahr, besonders im westlichen Teil Lothringens, wo viele, deren Inneres das heilige Feuer verzehrte, an ihren zerfressenen Gliedern verfaulten, die schwarz wie Kohle wurden. Sie starben entweder elendig, oder sie setzten ein noch elenderes Leben fort, nachdem die verfaulten Hände und Füße abgetrennt waren. Viele wurden von nervösen Krämpfen gequält.“
Da die Krankheitsursache nicht bekannt war, suchte man religiösen Beistand bei vertrauten Heiligen. Hierbei kristallisierte sich rasch die Hilfesuche beim heiligen Antonius heraus. Dieser war Namensgeber einer kleinen Gemeinde in Frankreich, in deren Nähe sich Laienbrüder, die die Reliquien des Mönches bewahrten (1083), der Versorgung von Pilgern und Pflege von Kranken angenommen hatten (1095).
Aufgrund ihrer großen Heilungserfolge in der Krankenpflege aber auch bei der Behandlung des „Mutterkornbrandes“ wurde ihre Gemeinschaft bald zum zentralen Hoffnungsträger. Die Krankheit erhielt den Namen „Antoniusfeuer” und wurde in den folgenden Jahrhunderten fast ausschließlich von dem sich mittlerweile aus der Laienbrüderschaft konstituierten Antoniterorden (1247) behandelt. Als Attribute des Heiligen galten: Kleine Glöckchen auf das Gewand genäht, das Antoniusschwein, das Tau, eine als „T” stilisierte Krücke, stilisierte Hände und Füße, wie Hühner und Hahnensporne, die als Opfergaben dem Heiligen dargebracht wurden.

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