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Das Deutsche Theater in Göttingen zeigt als größtes Theater der Universitätsstadt ein umfangreiches Repertoire auf drei Bühnen. Bereits in den 1950er Jahren errang das Göttinger Haus am Wall unter Leitung des Theaterregisseurs Heinz Hilpert den Ruf einer hervorragenden Bühne. Das große Haus, das Platz für knapp 500 Zuschauer bietet, ist ein architektonisches Juwel der Stadt Göttingen. Die Ausstattung des Zuschauerraumes mit Dekors im Neo-Renaissance-Stil gibt im Wesentlichen den Raumeindruck der Entstehungszeit 1890 wieder. Hier haben in jeder Spielzeit mindestens zehn neue Produktionen Premiere: Bekannte und bewährte Stücke, junge Dramatik und Romanbearbeitungen sowie eine musikalische Produktion ergänzen sich zu einem farbigen Spielplan, den ein außergewöhnlich großes Ensemble von fast 30 Schauspielern bestreitet. Hier einige Premieren des Jahres 2021:

Alles muss glänzen von Noah Haidle | Deutsch von Brigitte Landes
Der Tisch ist für die ganze Familie gedeckt, die Flunder nach einem neuen Rezept aus der Zeitschrift gart im Ofen und im Radio laufen die Wunschhits von früher. Alles muss glänzen im Haushalt von Rebecca und dafür leistet sie bestens gelaunt und in High Heels ganze Arbeit. Doch leider fehlen ein paar Faktoren in ihrer Rechnung: Ihr Mann ist vor längerer Zeit ausgezogen, um sein Glück zu suchen und noch nicht wieder zurückgekehrt. Genauso wie ihr Sohn, der wiederum den Vater wiederfinden wollte. Doch Rebecca glaubt ungebrochen daran, dass die beiden zurückkehren werden und denkt stoisch positiv, wovon sie nichts abhalten kann: nicht die verschwundenen Männer, nicht die Sintflut, die vor der Tür steht, nicht die Nachbarin, die sich in ihrem Bad umbringt, nicht der Wal, der in die Wohnung schwappt, nicht der alttestamentarisch zornige Zeuge Jehovas und auch nicht der Vergewaltiger, den sie als ihren früheren Lateinlehrer enttarnt. Und am Ende stellt sich sogar heraus, dass an dem Glauben an das Gute und das Glück doch etwas dran ist. Angesichts einer objektiv betrachtet eher etwas trostlosen Situation – verlassene Frau Ende vierzig spielt heile Welt – könnte man bei „Alles muss glänzen” ein kritisches Sozialdrama erwarten. Doch Noah Haidle liebt die Menschen und schreibt eine lebensbejahende Komödie mit heiter-skurrilen Einfällen und Wendungen.
Premiere 24. April 2021

Yesterday Reloaded
Ein afd-projekt von Gernot Grünewald
„Zukunft gestalten” lautete einst ein Wahlslogan. Damals, als eindeutige Mehrheiten bei Wahlen noch als normal galten und schlimmstenfalls zwei Parteien eine Koalition bilden mussten, um zu regieren. Mittlerweile haben die klassischen Volksparteien dramatisch an Bedeutung verloren, vielleicht auch, weil ihr Wille zur Gestaltung der Zukunft sich auf den Erhalt des Status quo beschränkt. Während ein Teil der Politik offenbar den Glauben daran verloren hat, dass es möglich sein könnte, das Wahlvolk für ein Projekt Zukunft zu begeistern, punkten Populisten, indem sie den Wähler*innen vorgaukeln, das Heil läge in der Vergangenheit. Einer zunehmend unübersichtlichen Gegenwart begegnen sie mit einem Gesellschaftsbild, das sich an der Bundesrepublik der 60er-Jahre orientiert.
Aber wie soll sie aussehen, die schöne alte – neue Welt? Wir recherchieren in Parteiprogrammen, auf Internetseiten, in Tweets und Posts und versuchen uns ein Bild von der Welt zu machen, die uns die Populist*innen als Zukunft verkaufen.
Premiere 4. Juni 2021

Die Dummheit von Rafael Spregelburd | Deutsch von Sonja und Patrick Wengenroth
Nirgendwo wird der Traum vom Hauptgewinn so effektvoll in Szene gesetzt wie in Las Vegas. Hier teilt der Zufall die Menschen gnadenlos in zwei Kategorien ein: Gewinner und Verlierer. Und in den Motels in der Peripherie der Glitzermetropole stranden all jene, die Fortunas Entscheidung nicht akzeptieren wollen und glauben, dem Glück auf die Sprünge helfen zu können. Geld brauchen alle Figuren in Spregelburds „Die Dummheit”, die einen, weil sie keines haben, die anderen, weil sie nicht genug haben und andere wiederum wollen immer mehr davon. Die Strategien zur Vermehrung des schnöden Mammons reichen vom Systemspiel am Roulettetisch über Versicherungsbetrug bis hin zum Diebstahl geistigen Eigentums, klassischer Broterwerb durch Arbeit wird eher weniger in Betracht gezogen. Doch Fortuna lässt sich die Zügel nicht aus der Hand nehmen, durchkreuzt Pläne, schafft neue Gelegenheiten. Gut gefüllte Geldkoffer landen in Händen, für die sie nie bestimmt waren, Kunstwerke, die es so nie gab, verblassen, um mit neuem Namen wiederaufzutauchen. Mittendrin im Chaos der Kausalitäten zwei Polizisten auf erotischer Mission.
Spregelburds „Die Dummheit” ist eine Groteske über Habgier, Geiz und die Allmacht des Geldes, geschrieben in der Tradition der Farcen Eugène Labiches.
Premiere 12. Juni 2021

Cabaret
Gesangstexte von Fred Ebb | Musik von John Kander | Deutsch von Robert Gilbert | in der reduzierten Orchesterfassung von Chris Walker
Berlin, Silvester 1929: Der junge amerikanische Schriftsteller Cliff Bradshaw kommt auf der Suche nach Inspiration für seinen Roman in die deutsche Hauptstadt. Er bezieht ein Zimmer bei Fräulein Schneider und lernt am Abend im legendären Kit Kat Klub die charismatische Sängerin Sally Bowles kennen und lieben. Dort pulsiert das Leben, dort ist es kosmopolit, bunt und offen: Der Klub ist der »heißeste Platz von Berlin«. Doch mit der Zeit häufen sich bedrohliche Anzeichen einer Zeitenwende. Fräulein Schneider lehnt die Hochzeit mit dem von ihr geliebten jüdischen Kaufmann Schultz aus Angst vor Repressionen ab und Cliff Bradshaw stellt fest, dass seine Geldschmuggeleien für Ernst Ludwig den Nazis dienen, deren Ziele er nach der Lektüre von Hitlers »Mein Kampf« nicht teilt. In dieser aufgeladenen Atmosphäre wird Sally von Cliff schwanger und es stellt sich die Frage, ob sie ein Kind in diese Welt setzen wollen. Cliff schlägt vor, Deutschland zu verlassen und sich gemeinsam ein neues Leben in Amerika aufzubauen. Doch Sally sieht ihre Zukunft in Berlin. Sie lässt das Kind abtreiben und Cliff fortziehen.
Premiere 3. Juli 2021

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