Das Jüdische Museum Hohenems erinnert an die jüdische Gemeinde Hohenems und ihre vielfältigen Beiträge zur Entwicklung Vorarlbergs und des Alpenraums. Es erzählt eine exemplarische Geschichte der Diaspora. Und es beschäftigt sich mit Jüdischer Gegenwart in Europa, mit Fragen des Zusammenlebens und der Migration. Dazwischen steht das Ende der Jüdischen Gemeinde von Hohenems, markiert durch die regionale NS-Geschichte, Antisemitismus, Vertreibung und Deportation. Entlang dieser Bruchlinien der regionalen und globalen Geschichte widmet es sich den Menschen, ihren Erfahrungen und Lebensgeschichten und pflegt Beziehungen zu den Nachkommen jüdischer Familien aus Hohenems in aller Welt. Das Museum bietet jährlich Sonderausstellungen und ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm.
Die Dauerausstellung in der 1864 erbauten Villa Heimann-Rosenthal dokumentiert die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Hohenems, die über drei Jahrhunderte bis zu ihrer Vernichtung in der NS-Zeit existierte. Und erzählt von den Anfängen der Nachkriegszeit und vom Leben der Hohenemser Diaspora.
Moderne Audioguides und Videostationen in deutscher, englischer und französischer Sprache stellen individuelle Erfahrungen in den Kontext einer europäischen Geschichte von Migration, grenzüberschreitenden Beziehungen und Netzwerken. Auf junge BesucherInnen ab 6 Jahren wartet eine Kinderausstellung mit Geschichten von Monika Helfer und Schattenbildern von Barbara Steinitz.
Sonderausstellung: Die letzten Europäer
Jüdische Perspektiven auf die Krisen einer Idee
Die Familie Brunner. Ein Nachlass
75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist Europa von einem Rückfall in nationalistische und fremdenfeindliche Ideologien bedroht. Der europäische Imperativ „Nie wieder!“ wird von vielen in Frage gestellt, auch hier in Österreich. Zugleich entdecken Europas Nationalisten ihre eigene Fantasie vom „christlich-jüdischen Abendland“ – als Kampfbegriff gegen Zuwanderung und Integration. Die Werte der Aufklärung, die die Grundlage europäischer Verständigung nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts bildeten, werden in ihr Gegenteil verkehrt und so zum Mittel der Abschottung und der Ausgrenzung.
Eine umfangreiche Dauerleihgabe an das Jüdische Museum Hohenems ermöglicht einen vergleichenden Blick auf ein europäisches Jahrhundert anhand individueller und familiärer Geschichte. Ausgangspunkt für die Ausstellung „Die letzten Europäer“ ist der Nachlass von Carlo Alberto Brunner, bestehend aus Briefen und Dokumenten, Memorabilia und Alltagsgegenständen der Hohenemser Familie Brunner, die sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Triest aufmachte, um zu der rasanten Entwicklung der habsburgischen Mittelmeermetropole beizutragen. Ihr steiler sozialer und kultureller Aufstieg endete mit der Entwicklung Europas zu einem Kontinent des gegenseitigen Hasses und in den Verheerungen zweier Weltkriege, die Teile der Familie in alle Welt zerstreute.
4. Oktober 2020 bis 3. Oktober 2021
Sonderausstellung: Am Rand. Zusammenleben in der Untergasse
Das Hohenemser Jüdische Viertel erfährt seit 1991 wachsende öffentliche Aufmerksamkeit. Viele Bauten sind, zum großen Teil in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz, saniert und liebevoll restauriert worden. Von dieser urbanen Entwicklung gingen starke Impulse auf das gesamte Hohenemser Zentrum, vor allem auf die benachbarte ehemalige „Christengasse“ aus. Inzwischen gilt das einzigartige Ensemble von ehemaliger Judengasse und Christengasse als Kleinod im Lande.
Die vom Zentrum nach Norden führende, verkehrsreiche Ausfallstraße hingegen fristet noch immer ein Dasein am Rande. Auch hier haben sich im 19. Jahrhundert zahlreiche jüdische Familien niedergelassen, nachdem die Gesetzgebung auch Juden den Erwerb von Grund und Hausbesitz außerhalb der Judengasse gestattete. Hier, in der Hohenemser Untergasse, wie die Straße vor ihrer Umbenennung in Radetzkystraße hieß, entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine neue Form des Zusammenlebens. Zugleich lebten hier vor allem jüdische Familien am Rande des sozialen Spektrums der Judengemeinde, Hausierer und einfache Handelsleute, Branntweinhersteller und Handwerker.
Viele der Häuser in der Straße, in der Juden und Christen abwechselnd oder auch zugleich zusammenlebten, sind heute noch erhalten. Manche in schlechtem Zustand, andere sind inzwischen erneuert worden. Dieses Viertel, das unmittelbar an das Hohenemser Zentrum anschließt wird in den nächsten Jahren drastischen Änderungen unterworfen sein. Ein neues Rathaus wird geplant, eine neue Wohnbebauung und Geschäftshäuser werden das Gebiet verdichten. Einige bestehende, nicht geschützte Bauten werden weichen. Das Zentrum wird sich nach Norden ausdehnen, die alte „Untergasse“ am Rande der Stadt wird neue Aufmerksamkeit erfahren und sich sozial neu durchmischen. Ein Gentrifizierungsprozess steht bevor und es stellen sich kritische Fragen an die Stadtplanung und die städtische Wohnungspolitik.
Das Jüdische Museum wird diesen Prozess mit historischer Dokumentation der Haus- und Bewohnergeschichten begleiten und gemeinsam mit dem Hohenemser Fotografen Dietmar Walser auch den Blick für den städtischen Raum und die baulichen Details des Bestandes schärfen. Gemeinsam mit Partnern in der Stadt, die derzeit angesprochen werden, soll zugleich die Geschichte der „Untergasse“ und die Gegenwart ihrer Bewohner in Interviews beleuchtet und als Teil eines partizipativen Erneuerungsprozesses dieses Stadtviertels fruchtbar gemacht werden.
17. Oktober 2021 bis April 2022