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Italia
Zwischen Sehnsucht und Massentourismus
Italien war seit jeher ein Sehnsuchtsort für Künstler. Seit der Renaissance übte das Land als Wiege der Künste eine ausserordentliche Faszination auf die europäischen Kunstschaffenden aus. Michelangelo, Raffael und Leonardo galten als unumstrittene Höhepunkte und die Antike war hier wie nirgendwo anders unmittelbar erfahrbar. Auch für Wissenschaftler und Dichter der Aufklärung gehörte eine Bildungsreise in den Süden zum obligaten Programm. Neben der Antikenbegeisterung und der Bewunderung für die italienische Kunstgeschichte war es vor allem die Sehnsucht nach dem Süden als Inbegriff von Freiheit und Einklang von Kunst und Leben im utopischen Arkadien, die Italien zum real existierenden Ziel der Träume machte. Von den niederländischen Bentvueghels des 17. Jahrhunderts über die Klassizisten und die romantisierenden Präraffaeliten bis hin zu den Deutsch‐Römern zog es die Künstler mit immer wieder neuem Blick ins Bel Paese.
Im 20. Jahrhundert änderte sich diese Sicht: Die einstmals noble Grand Tour wich dem Massentourismus, die Weltkriege führten zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Der idealisierte Sehnsuchtsort war einer nüchternen, modernen Betrachtung gewichen. Die Arte Povera unterlief in den 1960er Jahren die Erwartungshaltungen und befragte das Italien von damals mit neuem, anderem Blick. Das über die Jahrhunderte von aussen verklärte Land wurde nun von innen reflektiert betrachtet. Heute beleuchten Kunstschaffende wie Monica Bonvicini und Luigi Ghirri das eigene Land in schonungsloser Direktheit. Langweilig wird es nie in Italien – Andiamo!
12. März bis 11. September 2022

Di passagio
Italienische Miniaturbildnisse des Klassizismus
Miniaturmalerinnen und ‐maler machten sich oft als Handelsreisende verdient, sie waren auf der Durchreise – Di passaggio. Ihre Porträtminiaturen waren luxuriöse Preziosen, die einen geliebten Menschen während dessen Abwesenheit ersetzten. Sie dienten als Erinnerungsstücke, Präsentationsobjekte oder Statussymbole zu einer Zeit, als noch keine fotografischen Verfahren existierten. Sie sind bildhaftes Zeichen verwandtschaftlicher Verbindungen der europäischen Aristokratie.
Die italienischen Bildnismaler von Weltruf – Rosalba Carriera, Ignazio Pio Vittoriano Campana, Domenico Bossi und Ferdinando Quaglia – machten ausserhalb ihrer Heimat Karriere. Italien selbst war zur Zeit des Klassizismus in zahlreiche Republiken und kleine Herzogtümer zersplittert. So verweilten etliche Miniaturisten in den damaligen Kunstzentren London und Paris oder reisten von einem Fürstenhof zum nächsten. Ihre Porträtbildnisse, nach klar definiertem malerischen Stil der jeweiligen Station, verdeutlichen die opulente Inszenierung der gehobenen Gesellschaft in kostbaren Roben aus Seide und Spitze, sorgfältig frisiert und mit perfekt abgestimmten Accessoires.

Domenico Bossi, Adrienne Duval, née Seguin (1790–1860),in rotem Kleid und weisser Bluse mit Spitze, 1806

Domenico Bossi, Adrienne Duval, née Seguin (1790–1860),in rotem Kleid und weisser Bluse mit Spitze, 1806

Die Ausstellung Di passaggio präsentiert eine konzise Auswahl von Miniaturen italienischer Künstler des Klassizismus aus dem reichen Fundus der Miniaturensammlung, ergänzt durch ausgewählte Leihgaben. Sie zeigt sowohl die stilistischen Einflüsse des jeweiligen Entstehungsortes als auch die internationale Vernetzung der führenden Miniaturisten.
12. März 2022 bis 12. Februar 2023

Nord – Süd
Perspektiven auf die Sammlung
Die tiefgreifende Zäsur des Zweiten Weltkrieges hatte auch in der Kunst einen radikalen Umbruch zur Folge. Auf die Katastrophe des Krieges folgte die Jahrzehnte anhaltende Zweiteilung der Welt in Ost und West. Zugleich begann der Wiederaufbau, wobei seit den 1950er und 1960er Jahren eine Aufbruchstimmung die Gesellschaft und die Kunst prägte. Neue Energien wurden freigesetzt, die traditionellen Vorstellungen, was ein Kunstwerk konstituiere, wurden nach dem Schock der Moderne einmal mehr in Frage gestellt. Das Kunst Museum Winterthur ist reich an Werken der unmittelbaren Nachkriegszeit, vor allem aber der Kunst seit den 1960er Jahren. Ein Schwerpunkt der Sammlung liegt bei der Arte Povera. Dabei handelt es sich um eine künstlerische Bewegung, die sich in den 1960er Jahren in Italien formierte mit inzwischen berühmten Künstlerinnen und Künstlern wie Luciano Fabro, Jannis Kounellis, Mario und Marisa Merz sowie Giuseppe Penone.

Giulio Paolini, Averroè, 1967

Giulio Paolini, Averroè, 1967

Mit ihrer „armen” Materialkunst begannen sie, die Umbrüche der Zeit, die gesellschaftliche Neuorientierung und politische Krisen in Italien zu reflektieren. Aus Anlass der gleichzeitig stattfindenden Ausstellung Italia zeigen wir einen Ausschnitt der umfangreichen Arte Povera-Sammlung erstmals im Obergeschoss des Reinhart am Stadtgarten. Dem stellen wir ausgewählte Positionen von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Norden, insbesondere aus Deutschland, gegenüber. Diese organisierten sich weniger in Gruppen, sondern formierten sich um Kunstzentren wie Düsseldorf mit seiner berühmten Akademie, die dank Kunstschaffenden wie Gerhard Richter, Isa Genzken, Pia Fries und Thomas Schütte zu einem eigentlichen Epizentrum wurde.
12. März bis 11. September 2022

Gerry Schum
Fernsehgalerie
Am 15. April 1969, 22.40 Uhr, wurde vom Sender Freies Berlin das Programm Land Art bundesweit ausgestrahlt. Die sogenannte Fernsehgalerie, eine Initiative von Gerry Schum (1938–1973), war eine Pioniertat im Massenmedium Fernsehen, heute ist sie legendär. Schum gelang es damals, den Sender für ein ausserordentliches Kunstprojekt zu gewinnen und acht Filme mit Künstlern wie Richard Long, Walter de Maria und Mike Heizer zu realisieren. Allerdings handelt es sich nicht um dokumentarische Filme über Kunst. Es waren vielmehr von den Künstlern selbst konzipierte Werke, die sie zusammen mit Schum und Ursula Weavers im Medium Film realisierten. In der Aufbruchszeit Ende der 1960er Jahre veränderte sich die Kunst radikal, das Verhältnis von Künstler und Institution wurde in Frage gestellt, neue Vermittlungskanäle wurden gesucht. „Die Fernsehgalerie ist mehr oder minder eine geistige Institution, die nur im Augenblick der Ausstrahlung durch das Fernsehen Wirklichkeit wird. Das ist kein Ort, um greifbare Kunstobjekte zu zeigen, die man kaufen und nach Hause tragen kann. Eine unserer Ideen ist die Kommunikation von Kunst anstelle des Besitzes von Kunstobjekten.” (Gerry Schum)
Das Kunst Museum Winterthur verfügt dank der Dauerleihgabe aus der Sammlung Agnes und Frits Becht über nahezu den gesamten Bestand von Gerry Schums Videoproduktion. Die Ausstellung gibt erstmals in der Schweiz einen umfassenden Einblick in das utopische Projekt und zeigt seltene Videoarbeiten, ergänzt durch zahlreiche Originaldokumente aus dem Sammlerarchiv.
26. März bis 11. September 2022

War Games
Krieg und Kunst von Goya bis Richter
Der Krieg gehört zu den ältesten und eindringlichsten Erfahrungen der Menschheit – und ebenso alt ist seine bildliche Darstellung. Aus dieser geradezu unendlichen Bilderfülle zeigt die Ausstellung War Games eine konzentrierte Auswahl an Kunstwerken, die sich durch ihre neue und überraschende Annäherung an diesen ernsten Gegenstand auszeichnen – im künstlerischen Spiel gelingt die Bewältigung des fürchterlichen Themas.
Im Zentrum der Ausstellung stehen bedeutende druckgraphische Serien, die sich durch die Jahrhunderte immer wieder als probates Medium der Kriegsdarstellung bewährt haben. Dabei werden so berühmte Zyklen wie Francisco de Goyas Desastres de la Guerra präsentiert, in denen spielerisch Radierung und Aquatinta zu ebenso schrecklichen wie bahnbrechenden Bildern vermischt werden, sowie Jacques Callots Misères de la guerre von 1633, die ihrerseits als Wendepunkt in der Kriegsdarstellung gelten.

Francisco José de Goya y Lucientes, Tampoco (Los Desastres de la Guerra, Blatt 36), 1810–1814

Francisco José de Goya y Lucientes, Tampoco (Los Desastres de la Guerra, Blatt 36), 1810–1814

So richtet sich der Blick nicht auf heroische Schlachtengemälde, sondern auf die subjektive, künstlerische Annäherung an das Thema. Gänzlich verspielt setzte Giovanni Battista Tiepolo in seinen Capricci verschiedene Soldatenfiguren ein und Honoré Daumier kommentierte zeitlebens die Kriegsspiele der Mächtigen mit Witz und Humor. Neben weiteren wichtigen Serien, etwa von Félix Vallotton und Frans Masereel, werden zahlreiche herausragende Einzelwerke von bedeutenden Künstlerinnen und Künstlern wie Albrecht Dürer, Gustave Courbet, Max Liebermann, Käthe Kollwitz und Gerhard Richter gezeigt.
8. Oktober 2022 bis 12. Februar 2023

www.kmw.ch