Die Gedenkstätte für die ermordeten Wiesbadener Juden wurde am 27. Januar 2011 am Michelsberg an die Bürgerinnen und Bürger übergeben.

Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung ist 2006 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb zur Neugestaltung des Areals um die vormalige Heinrich-Heine-Anlage am Michelsberg durchgeführt worden. Dessen vordringliches Ziel war die Schaffung eines würdevollen Ortes zum namentlichen Gedenken an alle während der nationalsozialistischen Diktatur ermordeten jüdischen Bürgerinnen und Bürger Wiesbadens. Bislang befand sich dort lediglich ein nur wenig aussagekräftiges Gedenk-Ensemble, bestehend aus einer Säule und drei Hinweistafeln, womit an die am 10. November 1938 von den braunen Barbaren überfallene, geschändete und in Brand gesetzte Hauptsynagoge der israelitischen Kultusgemeinde Wiesbaden erinnert worden ist.
Die Gedenkanlage wurde nach den Plänen der Berliner Landschaftsarchitektin Barbara Willeke durch die Stadtentwicklungsgesellschaft Wiesbaden realisiert, genau an jener Stelle, an der einst die prächtige, von Philipp Hoffmann 1869 im maurischen Baustil errichtete Synagoge als Zentrum der liberalen jüdischen Gemeinde weithin sichtbar emporragte. An sie erinnert schon seit geraumer Zeit und sehr eindrucksvoll eine virtuelle Rekonstruktion, die von einer Arbeitsgruppe an der Fachhochschule Wiesbaden unter Leitung von Edgar Brück geschaffen wurde. Die preisgekrönte fotorealistische 3D-Visualisierung in Form einer Computeranimation kann in einem besonderen Gedenk- und Informationsraum im Foyer des Rathauses ebenso betrachtet werden wie eine vom Aktiven Museum Spiegelgasse konzipierte und finanzierte Dauerausstellung zu Leben, Leid und Ermordung der Wiesbadener Juden.
Während im Bereich des neuen Freizeit- und Kulturparks am Schlachthof vom Frankfurter Installationskünstler Vollrad Kutscher und vom Wiesbadener Sprayer Yorkar7 eine eindrucksvolle, in ihrer Art beispiellose künstlerische Form der Erinnerung an die seinerzeit von jenem Ort ausgehenden Deportationen realisiert worden ist, dient das durch seine Architektur, Größe und Zielsetzung geradezu überwältigende Mahnmal auf dem Michelsberg der Bewahrung der Namen sämtlicher Wiesbadener Opfer der Shoah. Deren historiographische Ermittlung wie auch die der biographischen Daten der Ermordeten wurden vom Stadtarchiv in Kooperation mit dem Aktiven Museum Spiegelgasse durchgeführt. Letzteres macht die Öffentlichkeit seit seiner Gründung 1988 auf vielfältige Weise auf das Schicksal der Wiesbadener Jüdinnen und Juden aufmerksam, so zum Beispiel durch die Verlegung von „Stolpersteinen“ vor deren jeweils letzten selbst gewählten Wohnsitzen sowie durch die Erarbeitung und Präsentation von lebensgeschichtlichen „Erinnerungsblättern“.
Das Mahnmal am Michelsberg, das die Fläche der früheren Synagoge markiert, wird durch die Straßenführung in zwei miteinander korrespondierende Bereiche unterteilt. Auf einem bei Nacht illuminierten Namenband sind alle bisher ermittelten 1.507 Namen der jüdischen Opfer des NS-Rassenwahns aus Wiesbaden versammelt. Darüber hinaus sind dort deren Geburts- sowie – sofern feststellbar – ihre Todesdaten festgehalten. Nach jüdischem Brauch ist es religiöse Pflicht, sich der Verstorbenen über die Bewahrung ihrer Namen zu erinnern. „Nur wessen Name vergessen ist, der ist wirklich tot“, sagt ein altes Sprichwort. Da die während jener Schreckensjahre ermordeten jüdischen Menschen fast nirgends ein eigenes Grab erhalten haben und es somit keinen Ort gab, zu dem sich deren Angehörige begeben konnten, um ihrer zu gedenken, kommt diesem Bauwerk einmal mehr eine ganz besondere Bedeutung zu. Ein Touchscreen ermöglicht das Abrufen weiterer Informationen zum Schicksal der Ermordeten sowie zur Entstehungsgeschichte der Gedenkanlage.
Am 27. Januar 2011, dem nationalen und internationalen Gedenktag für die Opfer des NS-Regimes, wurde die Gedenkstätte von den Vertretern der städtischen Körperschaften würdevoll der Wiesbadener Bürgerschaft übergeben. Im selben Jahr wurde sie mit dem Architekturpreis des Landes Hessen ausgezeichnet.

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