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Die Ausstellung rückt Leben und Werk zweier expressionistischer Künstler in den Fokus, die durch eine besondere Freundschaft miteinander verbunden waren

Hans Thuar ist neun, August Macke zehn Jahre alt, als sich die Nachbarsjungen in Köln anfreunden. Die beiden begeistern sich nicht nur für die wilden Spiele im Neubaugebiet am Kölner Strandrand, sondern sind gleichermaßen fasziniert von den japanischen Holzschnitten, die Vater Thuar in seiner Grafiksammlung verwahrt. „Wir saßen – wir wilden, wilden Jungens – vor diesen unglaublich subtilen Reisblättern […] und waren begeistert, erschüttert und so andächtig, wie uns noch keine Kirche je gesehen hatte“, erinnert sich Thuar.

August Macke, Porträt Hans Thuar, 1903 © Kunstmuseum Bonn, Foto: Reni Hansen

August Macke, Porträt Hans Thuar, 1903 © Kunstmuseum Bonn, Foto: Reni Hansen

Eine besondere Freundschaft verband August Macke und Hans Thuar. Nach einem tragischen Unfall, bei dem Thuar beide Beine verlor, gab Macke dem 11-Jährigen den Lebensmut zurück. Die Schulkameraden waren beide von Kunst begeistert, und durch Macke inspiriert, wurde auch Thuar Künstler.
Die räumliche Trennung, die sich durch Umzug der Familie Macke nach Bonn und später durch Mackes zahlreiche Reisen ergibt, tut der Freundschaft keinen Abbruch – auch nicht die so unterschiedlich ausgeprägten Persönlichkeiten. Beide werden Künstler und gehören mit ihren Werken vor dem Ersten Weltkrieg zu der heftig angefeindeten expressionistischen Moderne. „Eine starke lebendige Empfindung zu gestalten“ (Macke) – ist das Motto, das sie bei ihren Experimenten antreibt. Damit verbunden ist die Suche nach einer neuen Sprache der Kunst, die den veränderten Bedingungen am Beginn des 20. Jahrhunderts Rechnung trägt. Einige ihrer Bilder entstehen während einer kurzen gemeinsamen Zeit in Bonn Seite an Seite. Während Macke auf experimentierfreudige Weise einen Ausdruck für seine Vorstellungen vom irdischen Paradies sucht, spiegelt sich bei Thuar eine existentielle Beziehung zur Natur.
In Briefen und Begegnungen zeigt sich ihre enge Verbundenheit, einige ihrer Werke entstanden in der Bonner Umgebung gemeinsam vor demselben Motiv. Eine ausdrucksstarke, leuchtend farbige Malweise kennzeichnet ihre moderne Bildsprache. Nach Mackes frühem Tod als Soldat im Ersten Weltkrieg fiel Thuar in eine Depression. Als er 1920 wieder zum Pinsel griff, entwickelte er großartige, hochexpressive Arbeiten – die Höhepunkte seines Schaffens. Die Verbindung zur Familie Macke wurde durch die Hochzeit seiner Tochter Gisela mit Mackes Sohn Wolfgang später weiter gefestigt. Die Ausstellung wirft einen Blick auf eine schicksalhafte Beziehung und die daraus entstandene Kunst.

Hans Thuar, Porträt W. Sch. (Walter Schede), 1923 © Privatbesitz, Foto: Axel Hartmann Fotografie, Köln

Hans Thuar, Porträt W. Sch. (Walter Schede), 1923 © Privatbesitz, Foto: Axel Hartmann Fotografie, Köln

Die Ausstellung geht einer einzigartigen Künstlerfreundschaft nach und stellt mit Thuar einen Künstler in den Mittelpunkt, der beinahe in Vergessenheit geraten ist. Bereits 2020 war die Ausstellung für kurze Zeit im Kunsthaus zu sehen, musste jedoch coronabedingt schließen. In einer leicht veränderten Fassung sind aktuell Werke aus allen Schaffensphasen von Thuar zu sehen, überwiegend Gemälde, aber auch kunsthandwerkliche Arbeiten und Zeichnungen. Viele davon stammen aus dem Nachlass und werden erstmals präsentiert. Im Dialog mit den Werken von August Macke zeigen sich einerseits Parallelen der Kunstauffassung, andererseits tritt Thuar als eigenständige Künstlerpersönlichkeit in Erscheinung. Eine grafische Kurzgeschichte der jungen Künstlerin Yuka Masuko illustriert die besondere Freundschaft von Macke und Thuar auf der Basis von veröffentlichten Erinnerungen und Briefzitaten. Der von Arndt und Seelig gestaltete Katalog erscheint im Michael Imhof Verlag.
4. Februar bis 29. Mai 2023

www.museen-stade.de