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Der tänzerische Swing, die barocken Rhythmen – sie beschäftigen und faszinieren Rubén Dubrovsky, den musikalischen Leiter des Bach Consort Wien,  seit langer Zeit. Als Sohn einer polnisch-italienischen Künstlerfamilie in Buenos Aires geboren, war er von Anfang an von zwei Welten umgeben: der klassischen Musik durch seine Mutter, eine Pianistin, und der argentinischen Volksmusik durch seinen Vater, der auf dem Land aufgewachsen war – „zwei für mich zunächst sauber voneinander getrennte Welten“, präzisiert Rubén Dubrovsky, „die heimlich voneinander profitiert haben“.

Durch Gaspar Fernández, einen der beiden Protagonisten im Programm „Navidad Mexicana“, sollte sich Rubén Dubrovskys Blick noch einmal grundlegend weiten. Er macht es spannend und seine Erkenntnis bildhaft nachvollziehbar: „Wenn wir in Leipzig zu Bachs Zeiten gefragt hätten, woher die Sarabanda kommt, hätten wir zur Antwort bekommen: Das ist ein französischer Tanz. Hätten wir in Versailles nachgefragt, wäre die Antwort gewesen: Das ist ein spanischer Tanz. Auf die gleiche Frage hätten wir in Madrid als Erstes gehört: Das ist ja verboten! Und als Zweites: Das kommt aus der Neuen Welt. Gehen wir nun in die Neue Welt, finden wir als erstes Werk, in dem der Text von Sarabanda spricht, ein Stück von Gaspar Fernández – ein Weihnachtsstück, in dem beschrieben wird, wie die afrikanischstämmigen Sklaven zur Anbetung zur Krippe gehen und immer wieder singen: Sarabanda.“
Rubén Dubrovsky hat das Ganze freilich auch in die andere Richtung zurück- bzw. weitergedacht: „Die Spanier brachten nach der Eroberung Amerikas bei ihrer Rückkehr in die Heimat auch Sklaven mit und diese wiederum ihre Musik. Wir wissen das, weil die Sarabanda verboten wurde. Wurde sie auf der Straße gesungen oder getanzt, gab es als Strafe Peitschenhiebe in großer Zahl für die Herren und Exil für die Damen. Trotzdem konnte sich die Sarabanda verbreiten, auch die ebenfalls verbotene Ciacona und weitere Tänze. Sie wurden in Europa mit Vergnügen aufgenommen, weil sie rhythmisch ganz anders sind: die berühmte Betonung der Sarabanda auf die Zwei, die leere Eins der Ciacona. Das Interessante ist, dass diese für unanständig befundenen, von der Inquisition verbotenen fremdländischen Tänze Eingang in die Werke der bedeutendsten Kirchenmusiker der christlichen Welt gefunden haben.
3. Juni 2022

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