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Dem Berggeist Rübezahl ist auf der Buchel über Marktoberdorf, diesem beliebten Stadtpark im Hochparterre, ein Brunnen gewidmet. Spaziergänger wundern sich darüber, im Ostallgäu auf eine sagenhafte Gestalt aus dem fernen Riesengebirge zu stoßen. Aber Rübezahl ist ein Vertriebener. Ein Gestrandeter nach dem Zweiten Weltkrieg. Einer, der hier Asyl bekommen, der sich integriert hat, der hier jetzt dazugehört. Wie und wann Rübezahl nach Marktoberdorf gekommen ist, warum er hier so beliebt ist und für die Menschen Bedeutung hat, das wird im einzigen Riesengebirgsmuseum Deutschlands anschaulich erzählt.

Flucht, Vertreibung, Neuanfang in der Fremde. Vermeintlich aktuelle Begriffe, die doch so dramatisch zeitlos sind. Im Zuge der gewaltsamen Austreibung der deutschen Bevölkerung kamen im Herbst 1946 drei Transporte mit 1800 Menschen aus dem Riesengebirge nach Marktoberdorf. In der Stadt und im Umland fanden Sie ein neues Zuhause.
Rübezahl ist vielgestaltig, mal gutmütiger Riese, mal ruppiger Bewacher eines Bergschatzes. Die Königstochter Emma verspricht ihm die Ehe, wenn er ihr die Zahl der Rüben auf seinem Feld nennt. Während der Riese noch zählt, flieht das Mädchen. Rübezahl ist also eher ein Spottname, die korrekte Anrede lautet „Herr der Berge“. Nahe der Schneekoppe wird bis heute ein Biotop mit besonders großem Pflanzenreichtum poetisch als „Rübezahls Gärtchen“ bezeichnet, und das wiederum verbindet das Riesengebirge mit den Dolomiten, den Riesen Rübezahl mit Zwergenkönig Laurin und seinem Rosengarten.
Der 1955 gegründete Heimatkreis Hohenelbe/Riesengebirge e.V. will das Andenken an die alte, verlorene Riesengebirgs-Heimat bewahren. Frühzeitig – und damit rechtzeitig – wurde begonnen, systematisch mitgebrachte, heimatliche Gegenstände zu sammeln. Typische Haus- und Handwerksgeräte wie ein Leiterwagen mit Speichenrädern gehören dazu, Werkzeuge oder eine originale, vielteilige Festtagstracht. Bilder, Bücher, alte Karten, vergilbte Fotos: das Riesengebirgsmuseum ist eine wahre Fundgrube.
Die Riesengebirgler haben schon sehr früh in verschiedenen Erklärungen auf Gewalt, Rache und Vergeltung verzichtet. Nicht rückwärtsgerichtet, gestrig, ist also die Sammlung, sondern sie schlägt Brücken, verbindet die Zeiten und die Menschen. Für die einen birgt das Museum noch ein Stück alter Heimat, für die anderen (jüngeren) fördern historische Dokumente und authentische Zeugnisse Wissens- und Bewusstseinsbildung. Die Stadtfahne von Hohenelbe, unter lebensgefährlichen Umständen im Mai 1945 gerettet, erzeugt berührende Authentizität und erinnert an die blühende deutsche Stadt am Oberlauf des einzigen Stromes, der das von Mittelgebirgen umkränzte Böhmen zur Nordsee hin entwässert.
Rübezahl ist eine sagenhafte Gestalt, ein liebwerter Schutzgeist, den die Heimatvertriebenen aus dem Riesengebirge mit ins Ostallgäu gebracht haben. Da gehört er jetzt auch mit dazu.

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